Tägliches Lernen alleine am Computer und viele Arbeitsblätter sind derzeit für Schülerinnen und Schüler völlig normal. Simone Hafner meint, das überfordere die Kinder und Jugendlichen. Symbolbild: dpa/Ulrich Perrey
Von Anjoulih Pawelka
Neckarbischofsheim. Simone Hafner hat eine Petition gestartet, die dafür sorgen soll, dass die Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen dieses Corona-bedingt sehr ungewöhnliche Schuljahr wiederholen.
Es ist die erste Petition, die Hafner ins Leben gerufen hat. Die Idee dafür kam ihr schon vor längerer Zeit. Schon im ersten Lockdown hat die Mutter zweier Kinder gemerkt, dass der Umfang der Lerninhalte für die Schülerinnen und Schüler nicht machbar sei. "Es ist für mich klar, dass das so nicht geht", sagt sie und erzählt auch von ihren eigenen Erfahrungen. Zu Beginn dieser Woche habe sie erst einmal 30 DIN-A4 Seiten ausgedruckt, die sich ihr Sohn dann durchlesen sollte und eigenständig bearbeiten musste. Rückmeldung und Videokonferenzen gebe es nur sehr wenige in der Woche. Sie spricht von maximal drei Stunden.
Die erneute Schulschließung war dann schlussendlich ausschlaggebend dafür, diese Petition zu starten. Es müsse den Verantwortlichen in der Politik bewusst sein, dass unter allen guten Bedingungen, die zu schaffen versucht werden, die Realität des digitalen Lernens eine andere sei, schreibt sie in der Begründung. "Was die Kinder sich selbst zu erarbeiten versuchen oder mit aller Anstrengung von Elternseite her zu vermitteln versucht wird, reicht bei Weitem nicht aus, um diese lange Zeit eines nicht-regulären Unterrichts auch nur annähernd aufzufangen." Die Realität und die Umsetzung würden oft anders verlaufen als gewünscht – an welchen Stellen auch immer das hängen würde.
Hafner, die auch Elternvertreterin am Adolf-Schmitthenner-Gymnasium (ASG) ist, möchte keine einzelne Schule an den Pranger stellen: "Ich gehe immer davon aus, dass die Menschen, die mit einer Aufgabe betraut wurden, ihr Möglichstes machen, um diese Aufgabe zu erfüllen." Trotzdem glaubt sie, dass die Jugendlichen mit dem überfordert sind, was man ihnen derzeit zumutet. Auch sei die psychische Belastung bei den Schülerinnen und Schülern teilweise groß, gerade wenn es Risikopatienten in den Familien gibt. Und auch in bildungsfernen Haushalten sei das Fernlernen oftmals nicht möglich. Sie erzählt von einer Familie, deren Kinder in die Grundschule gehen und zwölf Wochen lang einfach keine Aufgaben gemacht hätten.
Am Mittwochnachmittag haben 56 Personen die Petition unterschrieben, 50.000 sind das Ziel, damit die Verantwortlichen der Plattform das Parlament um eine Stellungnahme bitten. Die Petition werde aber auf jeden Fall eingereicht, heißt es auf der Homepage. Hafner glaubt nicht, dass sie das Ziel erreicht, aber es sei ihr wichtig, auf die generellen Missstände hinzuweisen und gehört zu werden. Daher hofft sie auf ein persönliches Gespräch mit den Verantwortlichen. "Es geht um unsere Kinder. Da macht sich die Politik wenig Gedanken."
Harald Frommknecht, Schulleiter am ASG, hält die Petition für nicht sinnvoll. Sie sei "nicht zielführend". Würden alle Schüler das Schuljahr wiederholen, gebe es einen enormen Engpass zum Beispiel bei Ausbildungsplätzen, da schlichtweg viel zu wenige Azubis zur Verfügung stehen würden. Die Unternehmen könnten das nicht flexibel steuern. Wer mit 50 Auszubildenden in einem Jahr rechnet, könne nicht im Kommenden einfach 100 Lehrlinge aufnehmen, weil es einen Doppeljahrgang gebe. Er weist auch darauf hin, dass man das Schuljahr freiwillig wiederholen kann. Und im vergangenen Jahr habe man Prüfungen schreiben können, die bei Nichtbestehen nicht als Durchfallen gezählt hätten. Frommknecht glaubt, dass die Schulen bis allerspätestens nach Ostern wieder normalen Unterricht anbieten können.
Er bestreitet aber auch nicht, dass manche Schüler mit dem derzeitigen Konzept des Fernlernens nicht so gut klar kommen. Einige wenige würden davon profitieren, viele täten sich damit allerdings schwer, da dies auch viel Selbstdisziplin erfordere. "Daran scheitern einige."
Für ihn ist ein Modell aus Arbeitsblättern und Videokonferenzen die optimale Lösung. Denn was oft vergessen würde: Fernlerne bedeutet nicht sechs Stunden täglich Videokonferenzen. Das würde die Schüler überfordern. Er selbst merke auch, dass nach spätestens zwei Stunden die Konzentration deutlich nachlasse. Für die Lehrerinnen und Lehrer sei der jetzige Arbeitsstil viel aufwendiger, da sie viel mehr Materialien vorbereiten müssten. Die Videokonferenz sei da der wenigste Aufwand. Und auch manche Lehrer würden sich mit dem Fernlernen schwertun. Technische Kompetenzen alleine reichten da nicht aus. Auch pädagogisch sei das anders, als vor der Klasse zu stehen.
Info: Wer die Petition unterstützen möchte, kann dies unter www.openpetition.de tun.