Von Tim Kegel
Sinsheim. Die Grünen überholen mit 27,9 Prozent der Stimmen erstmals in der Großen Kreisstadt den Platzhirsch CDU mit dessen 25,2 Prozent. Eine Mehrheit der Sinsheimer – 11,6 Prozent – trauen der FDP mehr zu als der SPD, deren Sinkflug sich von zuvor 12,9 auf nun 10,26 Prozent weiter fortsetzt. Die AfD bleibt mit 13,3 Prozent der Stimmen auf Platz drei, verliert aber deutlich an Zuspruch – bei der Landtagswahl im Jahr 2016 wurde sie von 20,3 Prozent der Sinsheimer gewählt. Weit abgeschlagen: die Linke mit 2,55 Prozent. Allem zugrunde liegt eine deutlich geringere Wahlbeteiligung als 2016; damals waren 67 Prozent der Sinsheimer an die Urnen gegangen, dieses Mal lediglich 58 Prozent.
Schlangen vor manchem Wahllokal waren eher der Pandemie geschuldet. Foto: Tim KegelDie Wählerwanderung dürfte interessant sein, auch gibt es Auffälligkeiten und Gegentrends in einigen Sinsheimer Wahlbezirken sowie in den Umlandgemeinden: So kehren etwa Reichartshausen, Waibstadt und Zuzenhausen den Bundestrend um, wo die CDU mit 27, 29 und 32 Prozent knapp die Mehrheit behält. Auch Neidenstein wählt "schwärzer" als die meisten Umlandgemeinden, allerdings auch "roter": hier kommt die CDU auf 24, die SPD auf 13,63 Prozent.
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Desinfektions-Rituale. Foto: Tim KegelDie AfD ist mit 17 Prozent in Eschelbronn besonders stark; auch in der Sinsheimer West- und Südstadt, manchem Ortsteil sowie in 25 der 37 Wahlbezirke liegt sie zwischen 26,9 und 14 Prozent. Die Freien Wähler liegen bei 3,56 Prozent. Bei den "Sonstigen" verbuchen in Sinsheim etwa die Corona-kritischen "W2020" und "Die Basis" jeweils knapp ein Prozent der Stimmen, ähnlich "Bündnis C" und "ÖDP". "Volt", die sich für Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsthemen stark machen, rangieren bei knapp 0,8 Prozent, die "Klimaliste" schafft 0,67 Prozent.
Dem mit einiger Spannung erwarteten Ergebnis vorausging ein "fast biederer" Wahltag ohne Auffälligkeiten, was selbst erfahrene Organisatoren wie Sinsheims Hauptamtsleiter Marco Fulgner "etwas verblüfft" hat. Wegen der aufgeheizten Stimmung im Land habe man "mit Provokationen rechnen" müssen, sagt er: "Die kamen aber nicht", ebenso wenig wie Wahlbeobachter, die 2016 einen kritischen Blick aufs Geschehen geworfen hatten. Ja selbst der Bitte der Stadt, eigene Kugelschreiber und Mund-Nasenschutz mitzubringen, kamen die braven Sinsheimer nach: "So gut wie keine Maske" habe man austeilen müssen, weiß Fulgner.
Dann aber trotzdem noch einmal stressig wurde es am Sonntagmorgen, "kurz nach sieben Uhr", als sich vier der insgesamt 260 Wahlhelfer vorsorglich krankgemeldet hätten: Leichte Erkältungssymptome hier, Impfnebenwirkungen dort, wie es heißt. "Wir mussten dann doch noch disponieren", sagt Fulgner. Und trotz der rund 8000 Briefwahlbögen – dem einzigen echten Rekord dieser Wahl – ging die Auszählung fix: Um 19.20 Uhr meldete Thomas Rohleder vom Hauptamt der Redaktion das vorläufige Endergebnis.
Mundschutz selbst beim Pressefoto mit Kandidat Michael Westram (mit Hut). Foto: Armin GuzySchlangen vor den Wahllokalen gab es trotzdem, ganz wie in normalen Jahren, aber Pandemie-bedingt. Und auch das übliche Nachzügler-Pärchen stand wie bestellt vier Minuten nach der Schließung der Wahllokale um 18 Uhr vor dem Rathaus und trottete unverrichteter Dinge wieder heim. Die beiden hatten einfach kein Glück.
Glücklich trotz knapp verpasstem Einzug in den Landtag war Michael Westram. Der FDP-Mann war der einzige Kandidat für Stuttgart im Wahlkreis 41, der auf Sinsheimer Boden sein Kreuzchen machte. "Ganz gelassen" ging der 60-Jährige, der unlängst den Liberalen-Parteivorsitzenden Christian Lindner in den Kraichgau geholt hatte, in die Wahl, kam alleine zu Fuß ins Hoffenheimer Wahllokal, verbrachte den Tag nach einem mit seiner Frau Andrea gemeinsam gekochten Geschnetzelten mit Spazierengehen, Kaffee, Nachrichtensendungen und zwei Online-Terminen.
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