Eine abgeschiedene Idylle außerhalb des Ortes, aber mit dem Schatten einer problematischen Trinkwasserversorgung: Das Gebiet beim gräflichen Gut um Schloss Schomberg und die Burg Streichenberg bei Stebbach bekommt nun einen eigenen Anschluss, der von den Anwohnern jedoch selbst gebaut und bezahlt werden muss. Foto: Armin Guzy
Von Armin Guzy
Gemmingen-Stebbach. Jeder hat einen Anspruch darauf, an die Trinkwasserversorgung angeschlossen zu werden. "Das habe ich mit meinem laienhaften Rechtsverständnis auch gedacht", sagt Hinrich Zürn. Weil dem aber nicht so ist, wird ab Montag nahe Schloss Schomberg und Burg Streichenberg gebuddelt und gefräst. Ist der Graben ausgehoben, wollen Zürn und weitere Mitstreiter eine Wasserleitung verlegen – mit eigener Kraft, vor allem aber auf eigene Rechnung.
Und wenn irgendwann ein Leck in der neuen Leitung auftreten sollte, bleiben auch die Reparaturkosten an ihnen hängen. Für den rechtlichen Rahmen haben sie daher eigens eine Wasserbezugsgemeinschaft gegründet und einen Vertrag miteinander geschlossen.
Wer außerhalb des Ortsetters lebt, steht in puncto Wasserversorgung mitunter vor Problemen. Jahrzehntelang haben die Anwohner von Schomberg und Streichenberg ihr Wasser aus einem Tiefbrunnen derer von Degenfeld bezogen.
Nachdem mehrmals Trübungen festgestellt wurden und auch der Nitratgehalt dem Grenzwert mitunter sehr nahe kam, machte das Gesundheitsamt Druck. Um die gesetzlichen Anforderungen an die Wasserqualität zu erfüllen, hätte die bestehende Brunnenanlage überholt und mit einem UV-Filter nachgerüstet werden müssen. Geschätzt 75.000 Euro hätte das gekostet – ohne die künftigen Wartungskosten.
Von der Wasserversorgung der gräflichen Gutsverwaltung sind derzeit etwa 35 Menschen abhängig, die im Schloss, auf dem Gutshof, in der Burg oder in den umgebenden Gebäuden zwischen Gemmingen und Stebbach leben. Künstler Hinrich Zürn beispielsweise lebt mit seiner Familie in der jahrhundertealten Mühle, die einst zu Burg und Schloss gehörte, bis Zürns Eltern sie 1972 kauften.
Dass die Wasserversorgung ausgerechnet in einem Gebiet zum Problem wird, in dem sich einst ein Mühlrad drehte, mag verwundern, doch Wasser, das die Energie fürs Getreidemalen lieferte, ist nicht gleich Trinkwasser – und für dessen Qualität gelten in Deutschland strenge Regeln. "Man kann nicht einfach selbst darauf verzichten", weiß Zürn inzwischen, "aber man kann zur Herstellung dieser Qualität verpflichtet werden."
Selbst wenn also alle Anwohner von Schomberg und Streichenberg die Trübung in Kauf nehmen und das dem Gesundheitsamt auch schriftlich bestätigen würden, kämen sie aus der Sache nicht heraus. Wer bezahlt, um auf den geforderten Standard zu kommen, ist den Behörden indes egal: Geld aus kommunalen oder staatlichen Töpfen gibt es dafür nicht.
Per freiwilligem Verzicht aus der Sache rauskommen wollen die Anwohner aber auch gar nicht, denn das Wasser der gräflichen Gutsverwaltung ist nicht nur ab und an leicht getrübt, sondern mit 36 Grad (dH) auch äußerst hart. Weil die neue Wasserleitung an das Netz der Mühlbachgruppe angeschlossen werden wird, und deren Wasser deutlich weicher ist, war unter den Grundstückseigentümern schnell ein Konsens gefunden: Wir wollen ans öffentliche Netz und bezahlen auch dafür.
Nur: Erste Überlegungen zur Trassenführung und den damit verbundenen Kosten hatten laut Zürn zunächst einen "astronomischen Betrag" im mindestens mittleren sechsstelligen Bereich ergeben und, wegen der Querung der Bahntrasse, wohl auch eine Antragsflut ausgelöst und Jahre gedauert. Außerdem ist kein Wasserversorger verpflichtet, den Außenbereich zu beliefern. "Die Mühlbachgruppe hat es uns angeboten, aber sie hätten uns nicht nehmen müssen", sagt Zürn. Dann hätte die Brunnenanlage auf jeden Fall saniert werden müssen.
Nun aber soll das abgelegne Gebiet von Stebbach her versorgt werden. Ab dem letzten Hydranten im Mühlweg hinter der Festhalle wird die Leitung dann Privatbesitz sein, "aber wir sind alle froh, wenn wir ans öffentliche Netz kommen", sagt Zürn. Die Anwohner seien dankbar, dass die Gemeinde die Leitung genehmigt, die Mühbach-Gruppe die neue Bezugsgemeinschaft berät und das Wasser liefert, und dass die benachbarte Baufirma Reimold ihnen trotz voller Auftragsbücher ein gutnachbarschaftliches Angebot gemacht hat.
Dennoch: Die Leitungsverlegung ist ein riesiger Aufwand für die kaum 3000 Kubikmeter Trinkwasser, die auf dem Schomberg und dem Streichenberg von den wenigen Bewohnern im Jahr verbraucht werden. "Für alle war das kompliziert und lästig", sagt Zürn.
Aber ohne sauberes Trinkwasser aus dem Hahn ist eben auch die ganze idyllische Lage nur halb so viel wert. Dafür nehmen die Anwohner nun auch in Kauf, dass die neue Leitung, wenn sie fertig verlegt ist, erst mal gründlichst gereinigt und das Wasser einen Monat lang gechlort werden muss. Schließlich sollen aus der abgelegenen Siedlung keine Bakterien ins öffentliche Wassernetz gelangen, dessen Sicherheit man sich hier so sehr wünscht.