Ein architektonisches Kleinod ist das historische Gartenhäuschen am Bachwegle. Einer der rückwärtigen Neidkopfziegel wurde inzwischen herausgebrochen. Archivfoto: Angela Portner
Von Angela Portner
Eppingen. "Das war kein Dummejungenstreich", sagt Bürgermeister Peter Thalmann. Vor rund acht Wochen musste er feststellen, dass einer der rückwärtigen "Neidkopfziegel" an einem der historischen Gartenhäuschen am Bachwegle fehlt. Da diese meist in Handarbeit hergestellt wurden, ist der Verlust nicht zu ersetzen.
Das "Gebäude" steht auf der Denkmalliste des Landes Baden-Württemberg und sollte während der Gartenschau als "Solitär" besonders herausgestellt werden. Die Stadt hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet, aber es ist wohl ziemlich unwahrscheinlich, dass der Dieb dingfest gemacht werden kann.
Als die Gärten noch bewirtschaftet waren, ist das Häuschen sicher nur wenigen aufgefallen. "Da muss man schon einen Blick dafür haben", sagt Frank Dähling, der sich mit historischen Bauwerken sehr gut auskennt und über magische Symbole auf Dachziegeln bereits eine Ausstellung im Fachwerkmuseum "Alte Universität" gezeigt hat.
Der Brauch, sogenannte Neidköpfe an Gebäuden anzubringen, geht vermutlich auf keltischen Ursprung zurück, als man noch glaubte, dass man mit der Zurschaustellung einer solchen Fratze Feinde abschrecken könne. Im Christentum sollten sie böse Geister und Dämonen abwehren. Was früher dem Aberglauben geschuldet war, war für manchen Bauherrn später ein nettes Schmuckwerk, das kleinere Ziegeleien bis in die frühen 1960er-Jahre noch als Auftragsarbeiten herstellten.
Dähling vermutet, dass Rechtsanwalt Eduard Neckermann, der das Gebäude 1913 errichtete, ein "Schöngeist" war, denn Neidköpfe am Dach eines Gartenhauses anzubringen, sei nicht üblich gewesen. Dafür sprechen auch die außergewöhnlich schön gestalteten sechseckigen Fenster und Türen sowie der Terrazzofußboden im Inneren. Früher sei noch ein alter Wetterhahn auf dem Dach gestanden.
Heimatfreundevorsitzender Reinhard Ihle berichtet, dass der Garten 1938 an Adlerwirt Alois Hering verkauft wurde. Bis heute ist das Häuschen, abgesehen davon, dass das mit Biberschwanzziegeln gedeckte Dach reparaturbedürftig ist, noch in einem guten Zustand. Über den Diebstahl ist Ihle empört, denn er weiß um den Wert des Kleindenkmals: "Es ist ein architektonisches Schmuckstück."
"Einer hat schon länger gefehlt", erzählt Dähling, der Augen und Ohren offenhält und bereits auf Auktionsportalen im Internet geschaut hat, ob der nun gestohlene Neidkopf irgendwo zum Verkauf angeboten wird.
Wahrscheinlicher aber ist, dass der Dieb den Ziegel selbst behalten möchte und ihn in irgendeiner Scheune versteckt hat. Dass die Polizei bei ihrer Suche erfolgreich ist, glaubt Dähling nicht. Da müssten schon Hinweise aus der Bevölkerung kommen.
Bleibt der Neidkopf verschwunden, könnte man aber mithilfe der noch vorhandenen Ziegel eine Form erstellen und die fehlenden zwei Neidkopfziegel nachbrennen lassen. Das wäre zwar aufwändig und sicher nicht ganz billig, aber angesichts des historischen Wertes durchaus lohnenswert.
Dähling vermutet, dass die ehemals in Reihen ansässige Firma Doll den Ziegel hergestellt hat. Die existiert zwar seit 1968 nicht mehr, aber im Ort würden noch ehemalige Mitarbeiter wohnen: "Man kann sicher herausfinden, wer den Ziegel entworfen hat."