1200 Downloads, 200 registrierte Nutzer und 60 „Powernutzer“, die oft bestellen. Das ist das Fazit nach vier Monaten „Emmas App“. Sie soll dem Einzelhandel unter anderem auch bei der Digitalisierung helfen. Thorsten Meister ist mit dem Terminal zufrieden. Foto: A. Pawelka
Von Anjoulih Pawelka
Waibstadt/Spechbach/Kraichgau. Auf dem Land zu leben ist manchmal nicht so einfach. Neben den vielen Vorteilen gibt es doch auch ein paar Nachteile. Einer davon ist die schlechte Nahversorgung. Immer mehr Bäcker, Metzger und kleine Geschäfte schließen. Die Folge: Gerade für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, also vor allem für Ältere, wird es immer schwerer einzukaufen. Daher hat die Wirtschaftsförderung des Rhein-Neckar-Kreises eine Studie in Auftrag gegeben, die sich mit ebendiesem Problem beschäftigt und dem Einzelhandel zudem auch noch bei der Digitalisierung hilft.
Wie es der Zufall so wollte, hat zur fast gleichen Zeit ein Projektteam der Universität Mannheim völlig losgelöst vom Rhein-Neckar-Kreis eine App zu genau dem gleichen Thema entwickelt – "Emmas App" . Die Studierenden hatten die Technologie, der Kreis den "Echtbetrieb", wie es Danyel Atalay, Leiter der Stabstelle Wirtschaftsförderung, erzählt. "Das war eine Win-win-Situation."
Dieses Programm, das es sowohl für Apple- als auch Android-Handys gibt, bringt Läden und Kunden zusammen. Grundidee war es, ein soziales Mitbring-Netzwerk für Lebensmittel im Internet zu gründen. Über die App können Kunden ihre Lebensmittel bei regionalen Geschäften, die an dem Projekt teilnehmen, reservieren, online bezahlen und diese sich dann von der Nachbarschaft liefern lassen – Oder die Bestellungen selbst im Laden abholen.
Seit der Einführung im September sind zwölf Läden freigeschaltet, die einen Teil ihrer Produkte jetzt in der App anbieten. Eine von ihnen ist Andrea Metzger. Sie betreibt zusammen mit ihrem Mann Franz die "Destille" in Waibstadt. Metzger ist seit dem ersten Tag dabei. "Ich fand das grundsätzlich eine gute Idee", sagt sie. Vor allem das Regionale gefalle ihr dabei gut. Außerdem sei die App einfach zu bedienen. "Das habe ich sogar hinbekommen", erzählt sie. Wenn jemand bestellt, dann bekommt Metzger eine Mail und kann die Waren richten. Einziges Problem: Der Kunde muss sie dann trotzdem bei ihr abholen, oder sich die Sachen mitbringen lassen. Das habe bis jetzt aber noch niemand gemacht; die Zugriffe stimmten jedoch. Metzger erklärt sich das damit, dass die Leute dann doch eher in ihr Geschäft kämen und sich über "Emmas App" nur informieren würden.
Sie sieht aber auch ein paar Schwachstellen. So fragt Metzger sich beispielsweise, ob ältere Menschen überhaupt über das Handy bestellen wenn sie mit dem Mobiltelefon auch sonst nicht so aktiv sind. Dann erzählt sie von einer Kundin, die Metzger fragte, ob die App etwas für deren Vater sei, und die darauf nur antwortete, dass dieser noch nicht einmal ein Handy habe.
Das Problem ist Danyel Atalay, Leiter der Stabsstelle Wirtschaftsförderung des Rhein-Neckar-Kreises, bewusst. Daher gibt es zwei Modellgemeinden, nämlich Spechbach und Schönbrunn. Dort gibt es jeweils einen Laden, in dem Terminals stehen und Interessierte ihre Bestellungen abgeben können.
Eines dieser Geräte steht bei der Metzgerei Meister in Spechbach. Gut lesbar können Kunden auf dem riesigen Apparat im Laden Brötchen, Wurst und Co. bestellen. Das Ganze sei "eigentlich eine schöne Sache", erzählt Thorsten Meister. Vor allem jüngere Leute würden das Terminal für ihre Bestellungen nutzen. Ältere Menschen, für die die App ja auch gedacht ist, eher nicht. Insgesamt seien es pro Woche zwischen 15 und 20 Personen, die sich Waren liefern lassen würden. Voller stolz zeigt Meister, wie einfach das mit dem Terminal funktioniert. "Der Bestellvorgang ist ganz simpel", sagt er, bevor er schnell ein Brötchen in seinen virtuellen Warenkorb legt. Wer bis 18 Uhr bestellt, kann am nächsten Tag ab 10 Uhr mit seiner Ware rechnen. Die wird von Fahrern, meistens Menschen, die die Strecke sowieso zurücklegen, in den Gemeinden abgeholt und in die Metzgerei geliefert. Die Lebensmittel kommen dort dann verplombt in Kisten an und können vom Empfänger abgeholt werden.
Spechbachs Bürgermeister Guntram Zimmermann sei auf ihn zugekommen und habe ihn gefragt, ob seine Metzgerei bei dem Projekt nicht mitmachen möchte. Gute eineinhalb Jahre habe es von der Entwicklung bis zu Aufstellung des Terminals gedauert, erzählt Meister weiter. Und die Kunden? Wie gefällt denen der Service?"Ich finde es super für Leute, die nicht mehr so mobil sind, dass sie dort bestellen können", sagt Renate Schmitt. Die 67-Jährige kann sich durchaus vorstellen, das Terminal zu nutzen, wenn sie nicht mehr Auto fährt.
Noch bis 2021 läuft das Projekt. Ziel bis dahin: Es soll sich von selbst tragen, und keine finanzielle Unterstützung der Wirtschaftsförderung mehr benötigen.