Mit Pelzmantel und Leoparden-Brille verkleidete bezirzte Bülent Ceylan als Anneliese Gemmingens Bürgermeister Timo "Wolfi" Wolf. Foto: Falk-Stéphane Dezort
Von Falk-Stéphane Dezort
Gemmingen. Authentisch, offen, intim: Bülent Ceylan hat in Gemmingen ein über zweistündiges Gag-Feuerwerk abgebrannt und die Zuschauer mit einem wie er sagt "Anarchieprogramm" mit Inhalten aus dem aktuellen Titel "Lassmalache", Improvisationen und einem "Best of" im Sturm erobert. Der deutsch-türkische Comedian wusste, wie er das Gemminger Publikum auf seine Seite bekommt. Immer wieder streute er Witze über die ungeliebten Nachbarn aus Richen, den Gemminger Ortsteil Stebbach oder auch Brackenheim ein. Letztere wurden im Verlauf des Abends zu einem Synonym für die weibliche Brust.
Mit dem Mannheimer war den Verantwortlichen des Fördervereins "1250 Jahre Gemmingen" ein dicker Fisch ins Netz gegangen, gehört Ceylan doch zu den Top-Comedians in der deutschen Unterhaltungslandschaft. Die Begeisterung in der 5000-Seelen-Gemeinde war groß, die Karten für die Veranstaltung in der Kraichgauhalle binnen weniger Tage vergriffen. "Ich bin den ganzen Tag schon aufgeregt", sagte Marc Dischinger, der sich als "Mompfred" verkleidet hatte. Er sah Bülent Ceylan das erste Mal live, und es sollte sich am Ende gelohnt haben.
Zur Begrüßung blickte Moderator Klaus Weidelich zurück auf das Jahr 2003, als ein damals noch unbekannter Stand-up-Comedian aus der Quadratestadt auf Einladung des Kulturvereins "Kukuk" im Rahmen der "Kronischen Kleinkunst" im Kronensaal gastierte. "Es war der Start einer Weltkarriere", meinte Weidelich. Im Foyer hang sogar das Originalplakat des damaligen Auftritts.
Marc Dischinger kam als "Mompfred" zum Auftritt in die Kraichgauhalle. Foto: Falk-Stéphane Dezort
Bülent Ceylan ist ein Publikumsmagnet. Die größten Hallen des Landes sind in Windeseile ausverkauft. Eine Show vor nur knapp mehr als 1000 Leuten ist ein intimer, intensiver Rahmen. Und halt alles irgendwie kleiner als gewohnt. "Ich habe vor Monaten mal geschaut, wo ich so spiele. Mir wurde gesagt es gibt keine Pyro und Musik, sondern nur ein Plakat ,1250 Jahre Gemmingen‘. Ein Moderator sagt, dass es dich gibt und ich sage ,Hier bin ich‘. Das ist halt Gemmingen." So ganz ohne Musik konnte es Ceylan aber nicht. Er ging nochmals von der Bühne, um unter tosendem Applaus mit seinem Einspieler, der in den "Zirkus Ceylan" einlud, wiederzukehren.
Ceylan meisterte einen Drahtseilakt entlang der Gürtellinie, ohne aber geschmacklos zu werden. Dem Publikum stockte an so mancher Stelle aber dennoch das Lachen. Beispielsweise wenn er von einem Auftritt mit dem Bruder seines libanesischen Leibwächters Ali, Achmet, "zu deutsch: Achim", bei Juden erzählte. "So etwas wie damals darf nie mehr passieren. Aber es ist an der Zeit, dass man wieder Witze machen darf. Wir müssen uns doch weiterentwickeln", sagte Ceylan dem Publikum, bei dem kurzzeitig betretenes Schweigen eingesetzt hatte. "Lachen ist gesund. Hauptsache wir lachen gemeinsam. Egal woher man stammt oder welche Sprache man spricht."
So hangelte sich Ceylan im ersten Teil von Länderklischee zu Länderklischee: Der Grieche, der kein Geld hat. Der Pole, der alles klaut. Der Afrikaner, bei dem Ceylan mehr Licht braucht, um ihn zu sehen. Oder der Italiener mit seiner kleinen Körpergröße und noch kleineren Männlichkeit: Sie alle waren vertreten.
Mit im Gepäck hatte der Mannheimer auch seine Alter Egos Hasan, Anneliese und Mompfred. Mit orientalischer Musik begleitet, hatte der Proll-Türke mit Goldkettchen und Kamm noch vor der Pause seinen großen Auftritt. Er habe etwas für Kinder mitgebracht, kündigte Hasan an. So erzählte er die Geschichte von "Hasan und Gülcan". Ein Märchen von "Ich hol meine Brüder Grimm".
Nach der Pause wurde Gemmingens Bürgermeister Timo Wolf charmant zum Comdeythema. So wollte Ceylan wissen, ob der Rathauschef auch im heimischen Schlafzimmer "den Wolf macht". Als Anneliese mit Pelzmantel und Leoparden-Brille gekleidet - "ich fühl mich wie der Wolf im Schafspelz" - wollte er "Wolfi" bezirzen und um den Finger wickeln. Beim Publikum kam dies besonders gut an.
Als Ceylan dann noch von nächtlichen TV-Sendungen mit Lach-Yoga sowie der Selbsthilfegruppe "Anonyme Choleriker", bestehend aus Waldimir Putin, Donald Trump, Kim Jong-Un und Tayyip Erdogan, mit Neuzugang Adolf Hitler, witzelte, kam das Publikum nicht mehr aus dem Lachen heraus. Während er bei der Zugabe als Hausmeister Mompfred lauthals "Ab heute bin ich Gemminger" brüllte, gab es kein Halten mehr und der Mannheimer setzte einen würdigen Schlusspunkt bei seinem nach 2003 und 2006 dritten Auftritt in der Kraichgaugemeinde.
Aber es war nicht alles Gold, was glänzt. Teile der Besucher, die dank Lospech auf der Empore saßen, die von Bülent Ceylan als "Muppet Show" bezeichnet wurde, waren verärgert. Zum gleichen Ticketpreis saß man dort anstatt auf Stühlen auf unbequemen Holzbänken ohne Rückenlehne. "Das finde ich schon grenzwertig", sagte ein Besucher. Ein kleiner Wermutstropfen für einen ansonsten stimmungsvollen Abend.