Mit Lautsprecherdurchsagen warnte die Dossenheimer Feuerwehr die Einwohner vor der möglichen Verunreinigung. Foto: Priebe
Von Christoph Moll
Dossenheim. Es ist ein Tag, den die rund 12.500 Einwohner der Bergstraßengemeinde so schnell nicht vergessen werden. Die Verunsicherung über das möglicherweise verunreinigte Trinkwasser ist am gestrigen Donnerstag förmlich greifbar. Eine Chronologie der Ereignisse:
Gegen 8.30 Uhr: Im Rathaus geht ein Anruf ein. Ein Einwohner berichtet, dass das Wasser in seiner Badewanne blau sei. Nach weiteren Meldungen ist klar, dass etwas mit dem Trinkwasser nicht stimmt. Dossenheim hat keine Brunnen, das Wasser kommt aus Heidelberg, wie Bürgermeister Hans Lorenz erklärt. Die Gemeinde gibt die Information an die Behörden weiter und warnt Einrichtungen wie Kindergärten und die Grundschule.
9.42 Uhr: Über die Smartphone-Apps "Katwarn" und "Nina" wird gewarnt. Das hat Folgen für Petra Gramlich. Denn die Nummer der Sekretärin des Bürgermeisters wird als "Info-Telefon" genannt. Am laufenden Band rufen verunsicherte Bürger an und fragen, was los ist. Gramlich gibt geduldig Auskunft - auch als ein Anrufer fragt: "Ich habe HD als Autokennzeichen - bin ich auch betroffen?"
Gegen 10 Uhr: Die Grundschule sorgt vor. Im Edeka-Großmarkt wird ein Auto voll mit Wasserflaschen geladen. Die Kinder müssen von zu Hause mitgebrachtes Leitungswasser auskippen.
Gegen 10.30 Uhr: Im Rathaus kommt ein Krisenstab zusammen. Bürgermeister Hans Lorenz berät sich mit Vertretern von Verwaltung und Feuerwehr.
12 Uhr: Im Restaurant "Ambiente" wird beim Mittagessen improvisiert. "Wir bieten nur Gerichte an, für die wir kein Leitungswasser brauchen", erzählt Restaurantchefin Simone Aidonidis. Ein Steak mit Pommes oder Bratkartoffel? Kein Problem! Nudeln gibt’s zum Beispiel nicht. "Wir haben Bauchweh, weil wir nicht wissen, was los ist", gesteht Aidonidis, deren kleiner Sohn Simon berichtet: "Ich musste heute Morgen meine Zähne mit griechischem Wasser putzen." Gemeint ist Mineralwasser aus Griechenland, das die Familie zu Hause trinkt.
In der Mensa der Grundschule wurden im Akkord Brötchen als Ersatz für das Mittagessen geschmiert. Foto: Moll12.30 Uhr: In der Mensa der Kurpfalzgrundschule wird um diese Uhrzeit das Mittagessen ausgegeben - normalerweise. Gestern stehen die Kinder aber noch vor dem Eingang. "Wir haben Hunger!", rufen sie. In der Mensa dürfen Stefanie Müller und ihre Kollegin den fertigen Hackbraten und Pfannkuchen aber nicht ausgeben. Das Essen kommt zwar aus Schriesheim, wo das Wasser in Ordnung sein soll.
Doch vorsichtshalber wird es entsorgt. Stattdessen gibt es Brötchen, die im Akkord geschmiert und mit Wurst oder Käse belegt werden. Schulleiterin Anne Sikora berichtet, dass sich die Kinder ausnahmsweise nicht die Hände waschen müssen. Die Waschbecken sind mit Mülleimern blockiert, um den gewohnten Griff zum Hahn zu verhindern. "Die Kinder machen sich vor allem Sorgen um ihre Eltern", so Sikora.
Im Markt von Gerd Weismehl gab’s nur noch Wasser mit Kohlensäure. Foto: Moll13 Uhr: Im "Nah und gut"-Markt in der Ortsmitte wird die letzte Flasche stilles Wasser verkauft. Inhaber Gerd Weismehl hat am Morgen extra vier Paletten mit jeweils 40 Sechser-Packs mit 1,5-Liter-Flaschen geordert. "Wir haben in zwei Stunden 3000 Liter verkauft", bilanziert er.
Kurz nach 13 Uhr: "Du darfst Dir hier nicht die Hände mit Leitungswasser waschen!" Mit diesen Worten begrüßt ein Kind in der evangelischen Kindertagesstätte Lessingstraße den RNZ-Reporter. Alle wissen Bescheid. Da gerade die Grippe umgehe, sei Hygiene besonders wichtig, sagt Benjamin Vogt vom Leitungsteam. Das Händewaschen ist dank der morgens noch schnell gekauften Fünf-Liter-Wasserkanister möglich.
14.15 Uhr: Das Rathaus wird geschlossen. Die Mitarbeiter schwärmen aus, um Flugblätter zu verteilen. Fachbereichsleiter Thomas Schiller berichtet, dass drei Laster mit einem Fassungsvermögen von je 25 Kubikmeter Trinkwasser aus Bruchsal nach Dossenheim bringen sollen.
Die Veranstaltung eines Bestattungsinstituts mit dem Titel "Gut vorbereitet für die letzte Reise" im Rathaus findet trotz allem statt. Der Kaffee wird vorsorglich mit Mineralwasser gekocht.
15.15 Uhr: Im Hanna-und-Simeon-Heim und im Haus Stephanus läuft der Betrieb fast normal weiter - obwohl teilweise das Wasser abgestellt ist. Die Vorräte sind ausreichend, sodass mit Mineralwasser gekocht und Geschirr gespült wird, wie Detlef Bodamer berichtet, der derzeit beide Pflegeheime leitet.
15.39 Uhr: Aufatmen! Es gibt Entwarnung für Dossenheim.
Weitere Artikel zum Thema gibt es unter www.rnz.de/Trinkwasser