Immer ernst und wissenswert, aber nie traurig und belehrend: So wird die Geschichte des Dienstmädchens Elise erzählt. Repro: Hanselmann
Von Inge Hanselmann
Meckesheim. Dem Leben von Elise Welker, geboren 1890 in Meckesheim und verstorben 1967 in Frankfurt am Main nach 51 Jahren im Dienst einer großbürgerlichen Familie, hat die Kunsthistorikerin Sandra Sandvoß nachgespürt. Ihr Film "Fräulein Elise – Zum Dienen geboren?" untertitelt mit "Aus dem Leben eines Dienstmädchens" hatte jetzt Premiere, krisenbedingt vorerst nur online.
Einem größeren Zuschauerkreis soll der Film in Schule und Gemeinde vorgestellt werden, sobald es die äußeren Bedingungen erlauben. Das verspricht Bürgermeister Maik Brandt. Er ist sich sicher, auf viel Zuspruch zu stoßen. Denn das Interesse an Heimatgeschichte ist groß, was auch Filmemacherin Sandvoß in einem Gespräch bemerkte: "Noch nie bin ich mit einer Gemeinde in Kontakt gekommen, die so von der Historie begeistert war". Das erfuhr sie, als sie in Meckesheim auf Spurensuche war, wo Elise im Stammbaum der Familie Welker aufgeführt ist. Am Ende des Films sind die Bürger namentlich erwähnt, die bei der Recherche nach historischen Quellen weiterhelfen konnten.
Entstanden ist ein gut 20-minütiger Animationsfilm. Der Konzeption nach spricht er Kinder ab acht Jahren an, aber auch deren Begleitpersonen und weitere Erwachsene. Die Geschichte wird mit Hilfe von dokumentarischen Realbildern und darin eingefügten Illustrationen der Zeichnerin Leonore Poth entwickelt.
Es beginnt mit Kindheit und Jugend von Elise Welker, die aus dem Gasthaus "Goldener Hirsch", Leopoldstraße Nummer 2, stammt. Die Wirtstochter besucht die Schule im Ort. Bildmaterial aus dem Archiv "Alte Schulstube" von Fritz Barth verdeutlicht das Schulleben an der Wende zum 20. Jahrhundert. Alte Fotos samt den drin eingeschmolzenen Zeichnungen von Poth zeigen das frühere Gasthaus und den Bahnhof, von dem die junge Frau nach Frankfurt abfährt, um ihre Dienststelle anzutreten. Was für ein Schritt aus dem ländlichen 1300-Seelen-Dorf in die große Stadt!
Sandvoß nutzte den Nachlass der Frankfurter Dienstherrn-Familie und historische Archivaufnahmen, um das Leben und Arbeiten in der städtischen Familie darzustellen. Der Zuschauer erlebt in eindrucksvollen Bildern, wie die Zivilbevölkerung den Ersten Weltkrieg und die "Goldene Zeit" danach, den aufkommenden Nationalsozialismus mit der Judenverfolgung und dann den Zweiten Weltkrieg erlebt.
Elise Welker aus Meckesheim. Repro: HanselmannZu den Aufgaben von Dienstmädchen Elise gehört auch das Kinderhüten, später wird sie Haushälterin und Assistentin. Sie ist mehr und mehr in die Familie eingebunden, wird Freundin und letztlich Pflegerin der Hausherrin. Exemplarisch ist ein Frauenschicksal in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts dargestellt, gleichzeitig wird auch Geschichtswissen aus der Sicht "von unten her" vermittelt.
Sandra Sandvoß ist in ihrem Film gleichzeitig Redakteurin, Sprecherin, Texterin, Bildbearbeiterin und Tonmischerin und vieles mehr. Mit einer gewissen Leichtigkeit hat sie zusammen mit Kinderbuchillustratorin Leonore Poth das Werk realisiert: Immer ist es ernst, aber nie traurig; es wird wissenswert informiert, aber nie belehrt; die Darstellung ist einfach zu verstehen und steckt voller Leben durch auflockernde Details. Entstanden als historisches Forschungsprojekt der Stadtteilhistoriker in der Polytechnischen Stiftung Frankfurt hat der Film über sein räumlich gegrenztes Umfeld der Großstadt Frankfurt und der Gemeinde Meckesheim hinaus Bedeutung. Er gibt anhand der realen Persönlichkeiten Auskunft über den Wandel des Frauenbilds in Laufe des Jahrhunderts.