Er weiß, was hinter dem Preis für eine Tanne steckt: Alfred Brecht verkauft seit 15 Jahren Christbäume, derzeit arbeitet er täglich an einem Stand in Bruchhausen. Foto: Werthenbach
Von Lukas Werthenbach
Sandhausen-Bruchhausen. Im besten Fall duftet er, manch einer pikt, und in fast jeder Wohnung leuchtet bald wieder einer: Der Weihnachtsbaum. Ein Weihnachtsbaumverkäufer erzählt von eigenartigen Kunden, neuen Trends und hilfreichen Tipps für die Auswahl der passenden Tanne.
Im Handel mit Christbäumen hat Alfred Brecht schon fast alles erlebt - vom Luxusautofahrer mit speziellen Preisvorstellungen bis zur weinenden Witwe mit Geldsorgen. Seit 15 Jahren verkauft er Weihnachtsbäume, seit sechs Jahren arbeitet der Mosbacher für "Odenwaldtannen Bechtold" aus Mudau. In diesem Jahr vertritt Brecht die Firma, die ihre Bäume auf einer Plantage bei Waldbrunn aufzieht, auf einem Verkaufsstand am südlichen Ortseingang von Bruchhausen, direkt an der Kreisstraße K4153. Hier weist ein überdimensionaler aufblasbarer Nikolaus potenziellen Kunden den Weg zu ihrem Christbaum schon aus der Ferne.
Drei Wochen Urlaub nahm sich der damalige Beamte der Deutschen Post früher jährlich in der Adventszeit, um Christbäume zu verkaufen. Der heute 60-Jährige lebt allein, entsprechend frei habe er seinen Urlaub planen können, wie Brecht erklärt. "Heute bin ich Pensionär, ich mache das drei Wochen lang jeden Tag, und dann habe ich wieder 49 Wochen Urlaub", lacht er.
Das zusätzliche Geld sei schön, "aber das Wichtigste ist der Spaß". Er schätzt an seiner Tätigkeit vor allem die Gespräche mit den Menschen, die Gesellschaft seiner Kollegen und "eine gewisse Verhandlungsfreiheit". Dabei seien es gerade auch die feilschenden Kunden, die ihn immer wieder fassungslos zurücklassen. "Da kommt jemand mit einem Auto für 100.000 Euro, pocht dann aber auf zwei Euro Nachlass für seinen Baum", staunt Brecht. Zudem habe er bewusst schon lange nicht mehr an den letzten Tagen vor Heiligabend gearbeitet. "Das kostet mich zu viele Nerven", sagt er, "da werden die Kunden anstrengender".
Der 60-Jährige hat schon in vielen Orten zwischen Pfälzerwald und Odenwald Christbäume verkauft. Die Kundschaft in und um Sandhausen sei sehr angenehm, sagt er. Die Bäume des Verkaufsstands in Bruchhausen - ausschließlich Nordmanntannen - sind mit Fähnchen markiert, die den jeweiligen Richtpreis angeben. Die günstigsten der unter 1,80 Meter hohen Tannen kosten zehn Euro; bei den größeren Bäumen reicht die Preisspanne bis 53 Euro. Neben der Größe sind auch Form und Dichte des Bewuchses maßgeblich für den Richtpreis. Dieser lässt laut Brecht einen kleinen Raum für Verhandlungen.
Dabei betont er, dass es klare Grenzen gebe. So habe er mal einen Kunden einen Tag vor Heiligabend "rausgeworfen", als dieser nicht einmal 15 Euro für einen Baum zahlen wollte, der laut Richtpreis 40 Euro kostete. Brecht hat für solche Forderungen kein Verständnis. "Ich weiß, was da für Arbeit drin steckt", sagt er. "So ein Baum ist rund 13 Jahre alt und braucht viel Pflege." Bei manchem Exemplar tue es ihm sogar weh, wenn er es für 40 Euro "hergeben muss". Er drücke lieber mal ein Auge zu, wenn etwa eine Seniorin einen Baum kaufen will, die offensichtlich nicht viel Geld hat. "Dann ist man auch mal großzügiger", so Brecht.
Bei Paaren habe er die Erfahrung gemacht, dass meist die Frau die Kaufentscheidung treffe. "Die sind ein bisschen kritischer", meint er. "Kurioses" habe er aber auch schon mit männlichen Kunden erlebt. "Ein Mann ist mal über mehrere Tage immer wieder zu uns gekommen und hat jedes Mal stundenlang einen speziellen Baum gesucht", erinnert er sich. Einen Baum gekauft habe der Mann bei Brecht aber nie.
Allgemein rät der 60-Jährige davon ab, mit dem Christbaumkauf zu lange zu warten. Mit "frischen" Tannen aufgefüllt werde das Angebot ohnehin nur, wenn alles noch vor Heiligabend ausverkauft sei. "Am Tag vor Weihnachten sind die schönsten Bäume schon weg", erklärt er. Das sei auch der Grund, warum es zu dieser Zeit am Christbaumstand mitunter chaotisch zugehe. Zudem empfiehlt er, die Tanne nie abends auszuwählen.
"Bei Tageslicht ist das dann plötzlich ein ganz anderer Baum", warnt Brecht. Mit Blick auf seine langjährige Erfahrung stellt er fest, dass heutzutage der "Trend zum Zweit-Baum" gehe: "Viele kaufen sich mittlerweile eine günstige Tanne für die Terrasse oder den Balkon und was besonders Schönes für die Wohnung."
Als "schön" gelte für die meisten Kunden übrigens eine möglichst gleichmäßige Form. Gewünschte Höhe und Breite richteten sich mehr nach der Größe der Wohnung. Und wie sieht es beim Experten selbst aus? "Ich habe gar keinen Christbaum", antwortet der Mosbacher lachend, "an Weihnachten habe ich immer erst mal genug von Tannen, außerdem wohne ich direkt am Wald".