Kaum Menschen zeigt der Blick aus der Altstadt über den „Place Charles-de-Gaulle“ mit der zentralen Tiefgarage zum Genfersee. Foto: Treibel
Von Christoph Moll
Neckargemünd.Die Verbindungen zwischen Neckargemünd und Évian-les-Bains sind eng. Ein besonderer Kenner der französischen Partnerstadt ist Peter Treibel. Vor 54 Jahren war der Neckargemünder zum ersten Mal bei einem Schüleraustausch in dem für sein Mineralwasser bekannten Ort, der ihn seither nicht mehr losgelassen hat. Seit zwölf Jahren sind der demnächst 70-Jährige und seine Frau Halina zwei der rund 9000 Einwohner der Gemeinde im Département Haute-Savoie in der Region Auvergne-Rhône-Alpes. Treibel berichtet aus Évian.
Die Stadt liegt direkt am Genfersee. "Dahinter befindet sich eines der schönsten und größten Skigebiete Frankreichs, Portes du Soleil, sowie eine Reihe kleinerer Skistationen, die vom See aus in 15 bis 30 Minuten zu erreichen sind", erzählt Treibel. Eigentlich hätte zuletzt bei idealen Schneeverhältnissen touristischer Hochbetrieb geherrscht. Aber die Stationen seien geschlossen, nur einzelne Ski- und viele Schneeschuhwanderer hätten sich in die nun dahingeschmolzene weiße Pracht "verirrt".
Auch die Restaurants blieben zu und alles, was vom Tourismus lebt, leide – oder sterbe, so Treibel. Es sind Maßnahmen und Auswirkungen, die vergleichbar mit jenen in Deutschland sind. Und doch gibt es einen entscheidenden Unterschied: Da Frankreich im Gegensatz zum föderalistischen Deutschland zentral aus Paris gelenkt wird, gelten die Corona-Regeln landesweit. Auch die partiellen Ausgangssperren für einige Regionen wurden in Paris beschlossen.
Nach einer "Corona-Pause" im Sommer waren in Frankreich bereits Ende August angesichts erneut ansteigender Fallzahlen 19 Départements zu Hochrisikogebieten erklärt worden. Seither gilt Maskenpflicht in geschlossenen öffentlichen Räumen – auch bei der Arbeit. Im Oktober wurde für eine Reihe Großstädte eine Ausgangssperre von 20 bis 6 Uhr verhängt, die seit Mitte Dezember im ganzen Land galt. "Mittlerweile gilt landesweit sogar eine Ausgangssperre von 18 bis 6 Uhr, die auch streng überwacht wird", so Treibel. "Wer innerhalb dieser Zeit unterwegs ist, muss ein ausgefülltes Ausgangsformular mit einer überprüfbaren Begründung mit sich führen, bei Verstößen gelten die schon im Frühjahr festgelegten Bußgelder bis hin zur Gefängnisstrafe."
Die Ende Oktober verhängten Beschränkungen für die Geschäftswelt waren allerdings nicht so streng wie im vergangenen Frühjahr. Er wurde bereits Ende November gelockert und Mitte Dezember endgültig aufgehoben. "Hierdurch wurde das Weihnachtsgeschäft für den Einzelhandel gerettet", so Treibel. "Seither blieben, im Gegensatz zu dem strengen deutschen Reglement, alle Geschäfte geöffnet." Restaurants mussten aber ebenso geschlossen bleiben wie sportliche Einrichtungen. Den Skistationen wurde die normalerweise vor Weihnachten stattfindende Öffnung untersagt.
Die Restriktionen sind momentan wesentlich milder als im vergangenen Frühsommer: Damals galt das Département als ein Hotspot in Frankreich. Lediglich Lebensmittelgeschäfte durften geöffnet bleiben. "Außer zur Arbeit und zu Arztbesuchen durfte das Haus täglich zum Einkaufen oder maximal eine Stunde zum Spazierengehen verlassen werden, Letzteres maximal im Umkreis von einem Kilometer", erinnert sich Treibel. Dies musste mit einer Art Ausgangsschein dokumentiert werden. Wer diesen nicht vorweisen konnte oder die erlaubte Zeit überschritten hatte, riskierte bei Kontrollen eine Strafe von 135 Euro, bei Wiederholung 200 Euro und beim vierten Mal 3300 Euro und sechs Monate Gefängnis. Auch Wochenmärkte waren geschlossen und Polizeikontrollen zur Einhaltung der Vorschriften wurden massiv verstärkt.
Nach Aufhebung dieses ersten Lockdowns ging das Leben mit Vorsichtsmaßnahmen ähnlich wie in Deutschland weiter: Restaurants hatten wieder geöffnet, die Menschen fuhren den Sommer über in Urlaub. Allerdings war das touristische Aufkommen überall verhalten, die für Frankreich typische große Reisewelle im August blieb aus.
Sorgen bereitet, dass viele Berufstätige täglich in die nahe französische Schweiz pendeln. Dort wütete das Virus zuletzt besonders stark. "Gerade im Pflegebereich und in den Krankenhäusern sind französische Fachkräfte verbreitet, ein Verbot des täglichen grenzüberschreitenden Verkehrs wäre sogar eine Bedrohung des Schweizer Gesundheitssystems", so Treibel. Auch dass die Skistationen in der benachbarten Schweiz geöffnet blieben, wird kritisch gesehen. Viele Franzosen unternahmen Tagesausflüge dorthin. "Durch behördliches Dekret wurde diese Art des Skitourismus eingestellt, Ausflügler müssten jetzt in Quarantäne", berichtet Treibel.
Im Département Haute-Savoie mussten bisher knapp 5000 der rund 830.000 Einwohner wegen einer Corona-Infektion im Krankenhaus behandelt werden. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag hier zuletzt bei knapp 200, in ganz Frankreich bei etwas über 200. Fast 80 Prozent der "Reanimationsbetten" waren belegt.
Beim Impfen sind in Frankreich ähnliche Bevölkerungsgruppen wie in Deutschland zuerst an der Reihe. "Allerdings ist die Versorgung mit Impfstoffen derzeit noch desolater als in Deutschland, die Impfaktionen laufen ebenfalls weit hinter Plan", so Treibel.