Schon seit 2015 streiten die Stadt Leimen und Lidl um die Erweiterung des Marktes am Stralsunder Ring. Foto: Alex
Von Thomas Frenzel
Leimen. In Neckargemünd hat es geklappt. Dort hebelte Lidl in einem Rechtsstreit den für die in Kleingemünd ansässigen Supermärkte gültigen Bebauungsplan aus und setzte so durch, dass im eigenen Gebäude die Verkaufsfläche erweitert werden konnte.
Damit sich dieses Spiel in Leimen nicht wiederholt, unterfütterte der Gemeinderat der Großen Kreisstadt - mit Expertenhilfe und ohne Gegenstimme - den bestehenden Bebauungsplan für die Supermärkte am Stralsunder Ring mit einer erweiterten Begründung. Gleichzeitig signalisierten die versammelten Stadtmütter und -väter, dass sie eigentlich gar nichts gegen eine größere Verkaufsfläche haben. Sie wollen nur nicht auf den Gerichtskosten sitzen bleiben, die sich nach Worten von Oberbürgermeister Hans D. Reinwald gut fünfstellig darstellen.
Rein formal ging es um den Bebauungsplan "Gewerbegebiet Nord II, 1. Änderung und Neufassung". Dessen Geltungsbereich schließt sich mit einer Größe von über 20 Hektar im Süden an das Areal des Zementwerks an. Neben den Supermärkten im Bereich von Stralsunder Ring und Schwetzinger Straße finden sich hier neben HeidelbergCement und einem Fertigbetonwerk auch das DHL-Paketzentrum.
Weitaus entscheidender: Um den innerstädtischen Einzelhandel nicht zu gefährden, wurden die in diesem Gewerbegebiet Nord II zulässigen Einzelhandelssortimente stark reglementiert. Das Verbot reicht von Schulbedarf und Oberbekleidung über Hausrat und Spielwaren bis hin zu Heimtextilien und Elektrowaren. Alles Dinge, mit denen Lidl & Co. in ihrem Non-Food-Bereich die Kundschaft zusätzlich locken.
Im eigentlichen Rechtsstreit mit dem in Neckarsulm ansässigen Konzern geht es freilich um all das nicht. Lidl hatte bereits im Juli 2015 eine Bauvoranfrage auf Erweiterung der Verkaufsfläche gestellt, wie Leimens Stadtsprecher Michael Ullrich auf Anfrage bestätigte: Innerhalb des Gebäudes sollte das vorhandene Lager zugunsten der Verkaufsfläche verkleinert werden. Leimen lehnte ab und bekam 2018 vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe Recht.
Doch Lidl ging in Berufung - mit Rückenwind vom Bundesverwaltungsgericht. Das hatte im Dezember 2017 einen Bebauungsplan irgendwo in deutschen Landen zerpflückt aufgrund mangelhafter "Schallkontingentierung". Die Grundargumentation: In einem Gewerbe- und/oder Industriegebiet und - vor allem - im gesamten städtischen Zuständigkeitsgebiet muss es Flächen geben, die in Bezug auf mögliche Lärmemissionen unbeschränkt sind.
Just hier hakt Lidl mit seinem Berufungsantrag ein, um den Leimener Bebauungsplan zu kippen. Jürgen Behrendt, ausgewiesener Verwaltungsrechtler bei der Anwaltskanzlei Schlatter in Heidelberg, konterte damit, dass es sowohl im Plangebiet als auch im gesamten Stadtgebiet Flächen gibt, die nicht lärmkontingentiert sind. Genau dies werde nun in den bestehenden und erneut beschlossenen Bebauungsplan eingearbeitet.
Um ein weiteres Hintertürchen zu schließen, durch das Lidl zu seinem Ziel gelangen könnte, versagt das Leimener Rechtskonzept auch den "erweiterten Bestandsschutz": Bei diesem dürfen geschützte Bestandsbauten erweitert, geändert und auch anders genutzt werden - selbst wenn dies den Zielen des Bebauungsplans entgegenstünde.
Ob all diese juristischen Feinheiten vor Gericht Bestand haben werden, ist erfahrungsgemäß offen. Rechtsberater Behrendt sprach denn auch nur von "einer Chance, gegen Lidl zu gewinnen". Und: Im "Gewerbegebiet Nord II", das 1989 vom Gemeinderat beschlossen wurde und 1992 in Kraft trat, sind seither "eigentlich unzulässige großflächige Einsatzbetriebe" entstanden, ohne dass der Gemeinderat und die Stadt sich dagegen gestemmt hätten. So ist es in der Sitzungsvorlage nachzulesen.