Einmalige Brühlwegdüne

Sandhausen hat als erste Gemeinde Entwicklungsnaturschutzgebiet

Die Brühlwegdüne ist im ganzen Land einmalig - es wird geschützt, was erst noch entstehen soll

17.09.2020 UPDATE: 18.09.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 5 Sekunden
„Das Thema beschäftigt mich seit 15 Jahren“, war Rathauschef Georg Kletti froh, mit Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder das Naturschutzgebiet Brühlwegdüne einzuweihen. Foto: heb

Von Sabine Hebbelmann

Sandhausen. In Naturschutzgebieten bemüht man sich bisher, Lebensräume mit wertvollen und seltenen Arten in einem bestimmten Zustand zu erhalten. Mit dem ersten Entwicklungsnaturschutzgebiet Baden-Württembergs wird auf der bewaldeten "Brühlwegdüne" in Sandhausen nun nicht geschützt was da ist, sondern was auf einem herausragenden Standort erst noch entstehen soll.

Die Blaupause für den zehn Meter hohen Dünenzug ist die benachbarte Düne Pferdstrieb, die auch weit über die Region hinaus bekannt ist. Seltene und besonders schützenswerte Tier- und Pflanzenarten sind hier zu Hause. Diese sollen sich nun auch im Dünensand jenseits der Umgehungsstraße ausbreiten.

Bei der Forsthütte am Brühlweg setzte Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder ihre Unterschrift unter die Verordnung und weihte das Naturschutzgebiet Brühlwegdüne damit offiziell ein. Die Ausweisung stellt das letzte Modul des erarbeiteten Ausgleichskonzepts dar für den Bau der Bundesstraße B535.

"Ich bin froh, dass wir einen Knopf daran machen können", zeigte sich Sandhausens Bürgermeister Georg Kletti sichtlich erleichtert. Das dürfte auch mit der Vorgeschichte zu tun haben. Vor 31 Jahren war für den Bau der B535 als Ausgleich ein Teilrückbau der Landesstraße L600 vereinbart worden. Doch als dieser endlich umgesetzt werden sollte, hatte der Verkehr in und um Sandhausen so stark zugenommen, dass die Gemeinde auf die Verbindung nicht mehr verzichten wollte. "Das Thema beschäftigt mich seit 15 Jahren als Bürgermeister", so Kletti. Die Anwesenden eingeschlossen hätten sich nicht weniger als fünf Regierungspräsidenten mit der Materie befasst. Eine Änderung im Naturschutzrecht, die auch das Potenzial eines Gebietes berücksichtigt, kam dem alternativen Ausgleichskonzept entgegen, auf das sich die Gemeinde mit den Naturschutzverbänden letztlich einigte.

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Der Rathauschef dankte allen Beteiligten, dem Gemeinderat, der das Projekt kritisch-konstruktiv begleitet und einstimmig für die Ausweisung gestimmt hatte und auch dem Bevollmächtigten des Landes Baden-Württemberg beim Bund, Andre Baumann. Damals noch als Landesvorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) habe er sich intensiv an der Lösungssuche beteiligt. "Ohne seinen Pragmatismus und sein Zutun ständen wir heute nicht hier."

Doch seit dem Jahr 2015, als der öffentlich-rechtliche Vertrag unterschrieben wurde, ist einiges passiert: Der Klimawandel ist unübersehbar, Trockenheit und Hitze lassen ganze Wälder sterben und eine Bürgerinitiative wehrt sich gegen die Erweiterungspläne des SV Sandhausen, weil dafür Bäume im Waldschutzgebiet gefällt werden sollen. Dieses gilt im übrigen auch für das bewaldete Naturschutzgebiet, in dem gehörig aufgelichtet werden muss, wie es im Fachjargon heißt. "Ich sag’s Ihnen offen und ehrlich, diese Maßnahme wird in unserer Gemeinde sehr heftig diskutiert", so Kletti. Zugleich betont er, dass die Gemeinde voll hinter dem Projekt stehe. Er selbst sei inzwischen zum "Sandrasen-Fan" mutiert.

Regierungspräsidentin Felder äußerte Verständnis für die Bedenken. "Auch heute soll es wieder 32 Grad heiß werden, das ist alles nicht normal", sagte sie an diesem Tag mitten im September. Zugleich betonte sie, das Projekt sei inmitten der weitgehend überbauten eiszeitlich geprägten Flugsandgebiete ein wertvoller Beitrag für Artenvielfalt und Naturschutz. "Dieses Gebiet bietet das Potenzial zur Entwicklung der hochwertigen und europaweit bedeutsamen Lebensraumtypen ‚trockene kalkreiche Sandrasen‘, ‚Sandheiden‘ sowie ‚Lichter Kiefernwald‘." Auch geschützten Vögeln soll ein Lebensraum geboten werden. Beispielhaft nennt sie Ziegenmelker, Heidelerche, Neuntöter, Wendehals, Wiedehopf und Baumfalke.

Im gemeinsamen Projekttopf befinden sich 1,3 Millionen Euro. Ein Teil stammt aus dem Nichtrückbau der L600, rund 600.000 Euro steuerte die Gemeinde bei.

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