Bammentaler plant Fertigungsanlage für FFP2-Atemschutz
Massen an Masken bald aus dem Elsenztal - 100.000 Stück pro Woche ab September möglich

Von Benjamin Miltner
Bammental. 100.000 Schutzmasken in der Woche produzieren – das ist das Ziel von Raphael Murswieck. Und das soll dank einer hochmodernen Fertigungsanlage schon im Spätsommer möglich sein. Zumindest wenn alles so klappt, wie es sich der 42-jährige Fertigungsingenieur vorstellt. Dafür hat er zusammen mit einem "Team aus Ingenieuren und Kaufleuten aus Bammental" eine Initiative gestartet und ruft im Internet zu Unterstützung auf.
Alle Welt schreit in der Coronakrise nach Schutzmasken – in Deutschland spätestens, seit die Maskenpflicht eingeführt wurde. Ab Montag, 27. April, darf man auch in der Region rund um Heidelberg nur noch mit Mund-Nasen-Schutz einkaufen und den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Auch Schale und Selbstgemachtes gehören dazu.

"Es ist toll, dass so viele Menschen sich ans Nähen gemacht haben und es ist wichtig, dass Mundschutz getragen wird", meint auch Murswieck. Es müsse aber unterschieden werden: Der einfache, selbstgemachte Mundschutz schützt nicht den Träger, sondern nur seine Umwelt vor einer Infektion. "Zum Eigenschutz helfen nur Masken der genormten Klasse FFP2 oder aufwärts", erklärt Murswieck.
Und genau hier liegt das Problem: Im Bereich der höherwertigen Schutzmasken gibt es immer noch Lieferengpässe. "Wir sind aktuell sehr abhängig von Importen aus Asien", sagt Murswieck. Laut seiner Aussage gebe es aktuell keine Firma, die solche Masken dauerhaft und ausschließlich in Deutschland fertigt. Deswegen hat das Gesundheitsministerium zur Produktion von Schutzausrüstung aufgerufen. Große Firmen aus anderen Branchen sind kurzfristig eingesprungen. "Sobald die akute Krise vorbei ist, stellen diese aber wieder auf ihre normalen Produkte um", so der 42-Jährige.
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Hintergrund
> Das Coronavirus SARS CoV-2, das die Erkrankung Covid-19 auslöst, wird beim Sprechen, Husten und Niesen über die Atemluft in die Umgebung verbreitet. Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen kann die Verbreitung des Virus bremsen. Daher wurde nun auch in Deutschland das
> Das Coronavirus SARS CoV-2, das die Erkrankung Covid-19 auslöst, wird beim Sprechen, Husten und Niesen über die Atemluft in die Umgebung verbreitet. Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen kann die Verbreitung des Virus bremsen. Daher wurde nun auch in Deutschland das Tragen von Masken im öffentlichen Nahverkehr sowie – bis auf Berlin und Brandenburg – beim Einkaufen als Pflicht eingeführt.
> Mund-Nasen-Schutz, auch "OP-Maske" oder Mundschutz, besteht aus Vlies und wird von Ärzten, Zahnärzten und Pflegern seit Jahrzehnten benutzt. Er gehört zu den Medizinprodukten, erfüllt entsprechende Vorschriften und schützt Patienten vor Tröpfchen, die der Maskenträger beim Sprechen, Niesen oder Husten ausscheidet. Auch das unbewusste Fassen an Mund und Nase mit schmutzigen Händen wird verhindert. Den Träger selbst schützt ein Mund-Nasen-Schutz nur vor größeren Tröpfchen.
> Atemschutzmasken werden aus Gummi, Silikonkautschuk oder einem Kunststoff hergestellt. Sie kommen ursprünglich aus dem Arbeitsschutz und werden in Bereichen verwendet, in denen sich gesundheitsschädliche Stoffe in der Luft befinden. In dieses Feld fallen auch die sogenannten FFP-Masken ("Filtering Face Piece"). Sie filtern Partikel deutlich feiner und schützen den Träger so vor kleinen Tröpfchen, Feinstaub oder auch Viren in der Atemluft. Diese sogenannten partikelfiltrierenden Halbmasken sind nach EU-Norm in drei Schutzklassen unterteilt. Für die Behandlung von Corona-Patienten werden FFP2- und FFP3-Masken verwendet. Varianten ohne Ventil schützen auch die Umwelt des Trägers vor Übertragungen, Varianten mit Ventil nicht.
> Einfache Behelfsmasken werden gerade von Firmen wie vielen Ehrenamtlichen aus handelsüblichen Stoffen und Textilien genäht. Sie schützen nicht den Träger, wohl aber dessen Umwelt vor einer möglichen Virusübertragung. Das Tragen im Alltag wird vom Robert Koch-Institut empfohlen. "Sollte keine Mund-Nasen-Bedeckung zur Verfügung stehen, kann auch ein Tuch oder ein Schal vor Mund und Nase gehalten oder gebunden werden", heißt es in einem Merkblatt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. (bmi)
Deswegen will Murswieck in die Produktion einsteigen. "Wir wollen in Bammental eine Serienproduktion speziell für FFP2-Masken aufbauen und für Bevölkerung wie Fachpersonal ausliefern", erklärt er. 100.000 Schutzmasken pro Woche zum Stückpreis von – je nach Abnahmemenge – zwei bis fünf Euro lautet das ehrgeizige Ziel. Dies ist natürlich nicht kurzfristig möglich. Es benötigt eine eigene Fertigungsanlage – und vorab Investitionen in Millionenhöhe. "Ohne Hilfe geht es nicht", so der Bammentaler, der seit zwei Jahren gemeinsam mit Geschäftspartner Michael W. Stiller aus Bammental heraus Unternehmen der Medizinbranche berät.
Also hat er auf der Internetseite www.startnext.com einen Aufruf gestartet. Auf dieser Plattform zur Finanzierung von Projekten und Start-ups können bereits FFP2-Masken in Paketen zwischen 3 und 10.000 Stück vorbestellt werden. "Nur wenn die Mindestsumme zustande kommt, wird die Bestellung wirksam", erklärt Murswieck. Sie liegt bei 0,5 Millionen Euro – so viel Kapital ist für die Kreditwürdigkeit nötig. Kommen Bestellungen im Wert von 1,5 Millionen Euro zusammen, sei ein Start ohne Darlehen möglich.

Murswieck ist optimistisch, Mitte Mai genug Gelder für die Fertigungsanlage gesammelt zu haben. Zwei Objekte in der Industriestraße wurden als mögliche Produktionsstandorte ins Auge genommen, darunter auch das ehemalige Möbelparadies, wo ein Existenzgründerzentrum geplant ist. "Ende Juli wollen wir produktionsfähig sein, Mitte August die Serienfertigung starten und ab September ausliefern", erklärt er den ambitionierten Zeitplan. Also pünktlich zum Herbst, für den einige Virologen mit dem Ausbruch einer zweiten Corona-Infektionswelle rechnen.
Die Zielgruppen sind vielfältig: Krankenhäuser, Arztpraxen, Kommunen, Privatpersonen, Händler aus dem Medizinbereich – und aus Handwerk und Industrie. Denn was viele nicht wissen: FFP2-Masken sind kein Medizinprodukt und wurden vor Corona nicht in Kliniken genutzt, sondern zum Arbeitsschutz.
Und wenn es mit der Finanzierung doch nicht klappt? Dann will Murswieck dennoch Masken produzieren, aber erst einmal per Hand. Dann rechnet er mit 2000 bis 5000 Masken pro Woche, höheren Kosten, dafür aber auch rund ein Dutzend statt drei neuen Arbeitsplätzen in Bammental.
Info: Weitere Infos und Hintergründe unter www.startnext.com/ffp2-atemschutzmasken



