Von Stephanie Kern
Neckar-Odenwald-Kreis. Aufstehen, duschen, ins Auto setzen, zur Arbeit fahren. Das hat Michael Bauer schon eine ganze Weile nicht mehr (so) gemacht. Sein Arbeitsalltag sieht seit März etwas anders aus: Aufstehen, duschen, frühstücken, an den heimischen Schreibtisch setzen und ins Homeoffice starten. Seit Dienstag ist das mobile Arbeiten nun offiziell erwünscht, die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten haben entschieden, dass Arbeitgeber das Arbeiten von zu Hause aus, wo immer es möglich ist, ermöglichen müssen.
"Im Prinzip seit März" ist Michael Bauer aus Rittersbach im Homeoffice. "Am Anfang war das ein sehr gutes Arbeiten. Als technischer Leiter werde ich im Büro oft unterbrochen. Zu Hause war das nicht so, da konnte ich sehr effektiv arbeiten", berichtet Bauer. Seit die Tochter allerdings im Homeschooling ist, bedeutet das für den Vater, dass er sie unterstützen muss. "Ich bin stolz auf meine Tochter, die meistert das toll. Aber ich kann mich nicht so auf die Arbeit fokussieren, wie ich das könnte, wenn sie in der Schule wäre." Sein Vorgesetzter habe ihm von Anfang an das Vertrauen entgegengebracht, das für Heimarbeit nötig ist. "Kontrollanrufe gibt es nicht", sagt Bauer. Dass Homeoffice ein Modell für die Zukunft ist, auch nach der Coronapandemie, daran zweifelt Michael Bauer nicht. "Ich fahre 45 Kilometer einfach zu meinem Arbeitsplatz – am Ende der Woche habe ich einen kompletten Arbeitstag auf der Straße verbracht. Und es gibt sehr viel Arbeit, die man auch von zu Hause aus gut erledigen kann", ist Bauer überzeugt.
Nicht alles geht zu Hause
Bei Odenwald-Treuhand sind die Mitarbeiter, denen es möglich ist, nun ebenfalls angehalten, ins Homeoffice zu wechseln. "Zwei Drittel der Mitarbeiter sind Homeoffice-fähig", erklärt Gesellschafter Martin Hess. Ab dem heutigen Donnerstag sollen alle diese Plätze zwingend von zu Hause aus besetzt werden. Man habe sich schon vor der Coronakrise intensiv mit dem Thema beschäftigt. Nicht alle Mitarbeiter seien vom mobilen Arbeiten begeistert. "Aber wir müssen das jetzt machen und die Maßnahmen unterstützen, um die Zahl der Infektionen zu verringern." Dass der Betrieb bei Odenwald-Treuhand weiterläuft, sei mehr als wichtig: Lohnabrechnungen, Anträge für Staatshilfen und mehr müssen schnell fertig werden, damit die Gelder auch rechtzeitig ankommen. "Mir ist auch wichtig, dass die Mitarbeiter merken, dass sie vom Arbeitgeber nicht allein gelassen werden", betont Hess noch.
Das Landratsamt hat bereits in der ersten Welle der Pandemie begonnen, die Homeoffice-Kapazitäten umfassend auszubauen. "Um Infektionen zu vermeiden und die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung zu erhalten, war es deshalb ab November kein Problem, wieder in das Schichtsystem zurückzukehren", berichtet Jan Egenberger, Pressesprecher des Landratsamtes im Neckar-Odenwald-Kreis. Entsprechend werden Büros derzeit soweit möglich abwechselnd nur mit einer Person besetzt, während der Büropartner im Homeoffice ist. "In diesem Rahmen arbeiten derzeit rund 300 Mitarbeiter, das heißt ein Drittel der Beschäftigten, teilweise im Homeoffice. Nach den neuen Bund-Länder-Beschlüssen soll dieser Anteil möglichst noch gesteigert werden", sagt Egenberger.
Nachgezogen hat man auch bei der Gemeindeverwaltung in Schefflenz. Dort wurde ebenfalls ein Schichtdienst eingerichtet: Die Hälfte der Rathausmannschaft ist im Rathaus, die andere zu Hause. "Reines Homeoffice ist in einer Verwaltung schwierig, da man natürlich nicht alles mit nach Hause nehmen kann", erklärt Bürgermeister Rainer Houck. Für die Mitarbeiter ist diese Regelung seit dem 11. Januar verbindlich – denn man will handlungsfähig bleiben. "Wenn einer im Rathaus sich mit Corona infiziert, sind sonst alle Kontaktperson ersten Grades in Quarantäne. Das geht nicht", berichtet Houck. Neben dem Gesundheitsschutz der Mitarbeiter zählt aber auch das Vertrauen in die Mitarbeiter. Und das sei vorhanden. Es gibt Zeiterfassung am Bildschirm, die auch (ehrlich) genutzt werde. Wenn man wegen der Kinderbetreuung mal länger nicht am Computer sein kann, ist das auch kein Problem – so lange die Arbeit erledigt und die Arbeitszeit erreicht wird. "Und die Mitarbeiter sollen zu den üblichen Zeiten telefonisch erreichbar sein." Es gebe schon einige positive Rückmeldungen aus dem Kollegium. "Wir werden da auch umrüsten müssen. Ich bin nicht so naiv zu denken, dass man das Rad an dieser Stelle dann nach der Krise zurückdrehen kann", ist Houck überzeugt.
Voraussetzungen geschaffen
Den Sommer hat man bei den Stadtwerken Mosbach genutzt, um die Voraussetzungen zu schaffen, dass alle Mitarbeiter ins Homeoffice könnten. Aktuell wird (ähnlich wie in anderen Betrieben) im Schichtmodell gearbeitet: Einer arbeitet im Büro, einer zu Hause. "Das koordinieren die Abteilungsleiter", erläutert Geschäftsführer Jürgen Jaksz. Zudem habe man Luftreinigungsgeräte angeschafft, auf dem Gang gelte Maskenpflicht. "Das Vertrauen in die Mitarbeiter ist da", sagt Jaksz. Diese seien permanent erreichbar, alle technischen Voraussetzungen seien geschaffen worden. Die neuen Regelungen erwischen die Stadtwerke also nicht eiskalt. "Ich erwarte aber keine dramatischen Änderungen bei uns", sagte Jaksz.
Plus an Effektivität und Flexibilität
"Für mich ist Homeoffice super. Ich habe ein viel ruhigeres Arbeiten, werde nicht dauernd unterbrochen und bin dadurch viel effektiver", ist Stephanie Schattauer überzeugt. Auch die freie(re) Zeiteinteilung ist für Schattauer ein Argument für das Homeoffice. Schattauer arbeitet bei der Firma "Stronghold Deutschland", zwei Kinder sind parallel im Homeschooling zu betreuen. Ihr Chef bringe ihr aber vollstes Vertrauen entgegen. "Ihm ist es egal, von wo aus man arbeitet. Für ihn zählt das Ergebnis", berichtet Schattauer. Das Miteinander im Büro fehle ihr "nicht wirklich". "In meinem Team arbeiten 15 Leute an drei Standorten – meine Mitarbeiter sind es gewohnt, dass ich nicht immer vor Ort bin." Es gibt aber auch Dinge, die aus dem Heimbüro schlecht zu ersetzen sind: "Alles, was Führungsaufgaben angeht, ist schwieriger, weil man manche Dinge nur persönlich besprechen kann." Obwohl das Homeoffice für sie selbst absolut passend ist, gebe es aber auch Mitarbeiter, die sich dem mobilen Arbeiten verweigerten. "Es gibt die Möglichkeit für alle, aber nicht alle nehmen es in Anspruch."
"Die Stadtverwaltung Mosbach wird ihrer Verantwortung als Arbeitgeber gerecht und bietet ihren Mitarbeitern in Teilbereichen bereits Homeoffice an", erklärt Stadt-Pressesprecherin Meike Wendt. Zeitnah sei eine Ausweitung angestrebt in den Bereichen, in denen dies organisatorisch, technisch, finanziell und personell möglich ist. "Zunächst ist eine Konkretisierung der Eckpunkte durch die Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales abzuwarten. Auch die Verordnung des Landes Baden-Württemberg, die voraussichtlich heute erlassen wird, muss einbezogen werden", so Wendt weiter. Die kommunalen Aufgaben sind aber auch oft mit personenbezogenen Daten verbunden. Wendt: "Dadurch sind der Ermöglichung von Homeoffice gewisse Grenzen gesetzt."
Wo bleibt die soziale Komponente?
Ein Modell für die Zukunft sieht Nathalie Kletti, Geschäftsführerin von MPDV, in der Arbeit vom heimischen Küchentisch aber nicht: "Es ist sehr personen- und umfeldbezogen, ob das mobile Arbeiten klappt. Und es funktioniert nicht für jeden." Wie auch bei den Unternehmen: Viele erzielten damit gute Ergebnisse, andere nicht. "Im Moment werden wir natürlich unter Handlungsdruck gesetzt und müssen auch Luft schaffen in unseren Büros. Dass das Modell zukunftsfähig ist, glaube ich nicht", meint Nathalie Kletti. Sie selbst arbeite sehr gerne im Büro, es sei "der letzte Schnipsel Alltag". Ohne die Präsenz im Büro falle für das Unternehmen auch ein großer Teil Firmenkultur weg. "Unser Slogan lautet ,Wir sind ein Team’, wir haben eine Kantine, Mitarbeiter treffen sich auf informelle Gespräche – all das sind wichtige Komponenten", ist Kletti überzeugt. Auch wenn die Geschäftsführerin das Arbeiten vor Ort dem Arbeiten zu Hause vorzieht, die Mitarbeiter genießen das "absolute Vertrauen" der Geschäftsführung. "Es ist produktiv und es läuft auch alles, aber ich glaube, dass die soziale Komponente dabei eben hinten runterfällt." Das Gefühl, dass alle in die gleiche Richtung ziehen, das hat Nathalie Kletti aber unbedingt. Sie hofft, dass das alle bald auch wieder in Präsenz tun können ...