Mitte Januar wanderte Familie Zeier aus Mosbach nach Peru aus. Nun sind sie dort von einem weitreichenden Lockdown betroffen. Foto: privat
Von Stephanie Kern
Mosbach/Arequipa. Es waren drei Tage der Normalität, die Familie Zeier aus Mosbach in Peru erlebte. Dann kam das Coronavirus. Und statt Schule und Sprachschule ist nun Lockdown angesagt. Erst im Januar war die Familie aus Mosbach nach Peru ausgewandert. Dr. Benjamin Zeier ist Arzt und will im Missionshospital Diospi Suyana die ärmsten Menschen in Peru medizinisch versorgen. Zusammen mit seiner Frau Lena und den fünf Kindern fasste er vor inzwischen zwei Jahren den Entschluss, dieses Unternehmen anzugehen und auszuwandern, um anderen zu helfen.
"Es geht uns gut, auch wenn die Umstände natürlich nicht so gut sind", sagt Benjamin Zeier im Telefongespräch mit der RNZ. Am 9. März hatten die vier großen Kinder ihren ersten Schultag in Arequipa. Diese Millionenstadt war nach Lima die zweite Station der Zeiers in Peru. Am 12. März wurden aber die Schulen in Peru geschlossen, auch sonst steht das öffentliche Leben still. Benjamin Zeier versucht trotzdem, seine Spanisch-Sprachkenntnisse zu verbessern, mit einem Online-Kurs.
Die siebenköpfige Familie muss sich dennoch mit der Situation arrangieren, sie lebt in Arequipa auf 80 Quadratmetern, die peruanische Regierung erließ immer strengere Regeln – bis hin zur kompletten Ausgangssperre. An zwei Tagen in der Woche durften die Männer einkaufen, an den zwei anderen die Frauen. "Wir hätten heim fliegen können. Wir haben uns aber dagegen entschieden", erklärt Benjamin Zeier. "Wenn ich diese Mission ernst nehme, kann man das nicht einfach über Bord werfen."
Dabei steht die Familie auch vor bürokratischen Herausforderungen. Nach Ostern lief eigentlich das Visum ab, die bereits beantragte Aufenthaltsgenehmigung konnte aber nicht abgeholt werden, da alle Behörden geschlossen sind. Die erste Bestrebung war es deshalb, nach Curahuasi zu kommen – die Stadt, in der das Missionskrankenhaus steht, in dem Zeier arbeiten soll.
"Das Krankenhaus versucht, uns einen Passierschein zu besorgen", berichtete Zeier noch vor einer Woche. Dann ging alles ganz schnell. Binnen zweier Tage war die Genehmigung zur Weiterreise da. "Als ich losrannte, um die Genehmigung abzuholen, war es bereits kurz vor halb sechs. Acht Minuten vor Beginn der Ausgangssperre war ich wieder in unserer Wohnung", beschreibt Zeier die Aufregung. Nun müsse man versuchen, Aufenthaltsgenehmigung, Arbeitserlaubnis und schlussendlich die Anerkennung der Approbation zu erhalten.
Für Benjamin Zeier ist es in dieser Situation besonders schwer, zum Nichtstun verdammt zu sein. "Ich würde gerne arbeiten." Dennoch ist er überzeugt, dass die peruanische Regierung ihr Möglichstes tut, um eine massenhafte Ausbreitung des Virus zu verhindern. Die Johns-Hopkins-Universität meldet für Peru aktuell 11.475 Infektionen. Dort sind aber die Intensivkapazitäten um einiges geringer als in Deutschland. "Es gibt hier keine Kapazitäten für diese Krankheit, deshalb muss so restriktiv gehandelt werden", meint Benjamin Zeier. "Wenn dieser Kurs funktioniert, sitze ich lieber vier Monate in meiner Wohnung, als tausenden Menschen nicht helfen zu können, weil die medizinische Ausstattung fehlt", sagt Zeier noch.
Den Vergleich mit ihrem früheren Leben, ihrem Haus mit Garten in Mosbach, lassen Lena und Benjamin Zeier bewusst nicht zu. "Natürlich gibt es so etwas wie Heimweh. Aber es war einfach eine andere Zeit in unserem Leben", sagt Zeier. Die Berufung nach Peru und der Glaube geben der Familie die Kraft für diesen Moment.
"Wenn wir das nicht hätten, wären wir schon längst wieder zurück in Deutschland." Und: Es gebe auch an der aktuellen Situation viel Positives: Er habe noch nie so viel Zeit mit seinen Kindern verbracht. Das Haus, den Wald, den Pool – für all das hatte er in seinem Leben in Deutschland gar keine Zeit. Nichtsdestotrotz: "Das war eine extreme Umstellung."
Ein großes Thema sei es deshalb auch, an sich zu arbeiten, um an den Spannungen nicht zu zerreißen. Man müsse sich seine Lebenssituation bewusst machen: "Wir leben in einer schönen Wohnung, wir haben genug zu essen, meine Kinder können jeden Abend in ein gemütliches Bett. Wir haben keine Not." Umso länger man gemeinsam im Lockdown sei, desto besser laufe es. Es sind Tage einer ganz neuen Normalität ...
Info: Weitere Informationen zur Reise und zum Vorhaben finden sich im Internet unter www.missionsarzt.de