„Das Krankenhaus um die Ecke ist für viele Menschen ein Stück Heimat“, sagt Gesundheitsminister Jens Spahn im gemeinsamen RNZ-Interview mit der Bundestagsabgeordneten Nina Warken. Dabei geht er auch auf die Maskenpflicht, Impfstoffe und Corona-App ein.
Von Alexander Rechner
Neckar-Odenwald-Kreis/Berlin. Feiern dicht an dicht, ohne Maske: Solche Bilder machen Gesundheitsminister Jens Spahn (MdB) im RNZ-Gespräch Sorgen. In einem gemeinsamen Interview mit der Bundestagsabgeordneten Nina Warken äußert er sich zur finanziellen Unterstützung des Bundes für kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum wie den Neckar-Odenwald-Kliniken. Zudem bezieht er Stellung zu Themen wie Maskenpflicht, Impfstoff und Medikamente.
Deutschland ist bisher vergleichsweise gut durch die Coronakrise gekommen. Woran hat dies gelegen?
Jens Spahn: Zunächst konnten wir relativ lange verhindern, dass das Virus zu uns kommt – zum Beispiel, indem wir die Rückkehrer aus Wuhan zentral unter Quarantäne gestellt haben. So haben wir Zeit gewonnen, um im nächsten Schritt das Gesundheitswesen so gut wie möglich auf die Pandemie vorzubereiten: Wir haben die Zahl der Intensivbetten massiv erhöht, planbare Operationen wurden verschoben und wir haben als Bundesministerium auf dem umkämpften Weltmarkt zentral Schutzausrüstung und Medikamente besorgt. Als das Virus dann da war und sich Kontaktketten nicht mehr nachverfolgen ließen, mussten wir diese Dynamik durchbrechen. Dafür waren sehr harte Maßnahmen notwendig, die stark in die Freiheit des Einzelnen und in unser Leben eingegriffen haben. Aber sie waren notwendig und sie führten zum Erfolg. Darauf können wir als Nation wirklich stolz sein. Es darf uns aber nicht übermütig machen. Bilder von feiernden Menschen, die keinerlei Abstand einhalten, machen mir Sorgen. Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei.
Nina Warken: Das liegt einerseits daran, dass alle an einem Strang gezogen und sich an die Regeln gehalten haben. Wir haben großen Zusammenhalt und viel gegenseitige Hilfsbereitschaft erlebt. Andererseits liegt es vor allem auch an unserem guten Gesundheitssystem und den dezentralen Strukturen. Nicht nur Bundes- und Landesregierungen, sondern auch Landkreise und Kommunen haben besonnen gehandelt und unter hohem Druck gut gesteuert, denn dort sind die Fäden zusammengelaufen. Zudem hat das Netz der niedergelassenen Ärzte und Krankenhäuser auch im ländlichen Raum eine optimale Versorgung gewährleistet. In der Krise ist klar geworden, dass wir gegenwärtig nicht bloß auf diese Strukturen zählen können, sondern sie künftig noch weiter stärken müssen.
Ist die Maskenpflicht heute denn noch notwendig?
Spahn: Das Virus ist immer noch da. Darum müssen wir sehr wachsam bleiben und die Regeln unbedingt weiter einhalten. Wir nennen es die AHA-Formel: Abstand, Hygieneregeln, Alltagsmaske tragen. An lokalen Ausbrüchen sehen wir ja, was geschieht, wenn wir es dem Virus zu leicht machen.
Wie unterstützt der Bund kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum wie die Neckar-Odenwald-Kliniken?
Spahn: Das Krankenhaus um die Ecke ist für viele Menschen ein Stück Heimat – das weiß ich. Ich komme ja selbst vom Land. Für die Krankenhausplanung sind aber aus gutem Grund die Bundesländer zuständig. Denn sie wissen am besten, welche Versorgung wo gebraucht wird. Für Kliniken, die benötigt werden, die aber nicht wirtschaftlich arbeiten können – zum Beispiel, weil nicht so viele Menschen im Umkreis leben –, gibt es Zuschläge. Und es gibt den Krankenhausstrukturfonds, über den kleinere Klinken etwa an telemedizinische Netzwerke angebunden werden können. Auch das verbessert die Versorgung auf dem Land. Im Rahmen des Konjunkturpakets stellt der Bundeshaushalt jetzt noch einmal drei Milliarden Euro für eine moderne Ausstattung von Kliniken zur Verfügung. Die Pandemie hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig eine flächendeckende, gute Gesundheitsversorgung ist.
Warken: In der Vergangenheit hat es immer wieder auch vom Bund finanzielle Zuschüsse gegeben, die die Gesundheitsversorgung bei uns im ländlichen Raum gestärkt haben. Dennoch sehe ich hier weiteren Handlungsbedarf. Nicht zuletzt die vergangenen Monate haben nachdrücklich gezeigt, dass wir trotz mitunter schwieriger Rahmenbedingungen eine flächendeckende Versorgung auch mit kleinen Krankenhäusern dringend brauchen. Hierfür werde ich mich, wo immer es mir möglich ist, in Berlin auch künftig weiter einsetzen.
Herr Spahn, wie ist der aktuelle Stand in Sachen Impfstoff und Medikamente?
An beidem wird mit Hochdruck gearbeitet. Wichtig ist, dass die Produktion schnell starten kann, sobald ein Impfstoff zugelassen ist. Darum haben wir uns mit Frankreich, Italien und den Niederlanden in einer Impfallianz zusammengetan, um gemeinsam Impfdosen für alle Mitgliedsstaaten der EU zu sichern.
Frau Warken, Sie sind Präsidentin der THW-Landesvereinigung BW. Welche Unterstützung benötigt das Technische Hilfswerk im Landkreis?
Das THW hat neben anderen Organisationen während der Krise hervorragend und in vielfältiger Weise unterstützt und tut es immer noch. Dafür danke ich allen Helferinnen und Helfern im Neckar-Odenwald-Kreis. Aber auch die Ehrenamtlichen beim THW waren und sind, wie viele andere Organisationen und Vereine, durch die Corona-bedingten Einschränkungen betroffen – in ihrem Übungsbetrieb und vor allem der Nachwuchsarbeit. Hier möchten die Ortsvereine schnell wieder zu ihrem Alltag zurück.
Wie wirkt sich die Corona-App aus?
Spahn: Die App ist ein wichtiges Werkzeug, um neue Ausbrüche einzudämmen. Ich freue mich, dass sie so rege genutzt wird. Mittlerweile haben mehr als 15 Millionen Menschen die App heruntergeladen. Und wir sehen auch, dass sie funktioniert – dass also Nutzer Verschlüsselungs-Codes anfordern, um ein positives Testergebnis über die App mitzuteilen. Dann werden alle kritischen Kontakte der letzten 14 Tage anonym gewarnt. Klar ist aber auch: Die App ist kein Allheilmittel. Wir müssen trotzdem weiter aufeinander achten.
Frau Warken, haben Sie die Corona-App heruntergeladen?
Ja, ich habe sie umgehend am Tag der Freischaltung heruntergeladen. Die App ist ein wichtiger Bestandteil, mit dem wir uns gegenseitig schützen können. Je mehr Menschen mitmachen, desto mehr kann die App helfen.