Es werden immer noch nur wenige Kinder in den Kindergärten betreut. Das ist für die Familien eine große Aufgabe, aber auch für die Erzieherinnen. Denn neben der Betreuungsarbeit in der Einrichtung muss auch der Kontakt zu den Kindern zu Hause gehalten werden. Foto: Kern
Von Stephanie Kern
Neckar-Odenwald-Kreis. Es ist ruhiger als sonst in den Kindergärten. Seit nun schon 13 Wochen. Damals kam das Coronavirus und der Lockdown. Seitdem wurden die Notbetreuung und dann der eingeschränkte Regelbetrieb auf die Beine gestellt. Ende Mai sagte die baden-württembergische Landesregierung, dass Kitas spätestens Ende Juni wieder vollständig öffnen sollen. Eine passende Corona-Verordnung – und damit Gewissheit – über die Öffnungen gibt es aber bislang noch nicht. Für die Leiterinnen und Leiter der katholischen Kindergärten in der Region keine leichte Situation.
Mit Klaus Muth und Sarah John von der katholischen Verrechnungsstelle in Obrigheim haben die Leitungen der Kindergärten wöchentliche Videokonferenzen. Langweilig wird und wurde es den Erzieherinnen nicht, doch eines wird ganz deutlich: Die Kinder fehlen. "Wir hatten von Anfang an viele Kinder in der Notbetreuung, es gab immer etwas zu organisieren. Und dann müssen wir auch noch den Kontakt zu den Kindern zu Hause halten. Das war und ist eine Doppelleistung", meint Katrin Sauff. Sie ist Leiterin des katholischen Kindergartens Sulzbach.
Nur ein paar Kilometer weiter (und via Internet verbunden) sitzt Michael Schule, Leiter des katholischen Kindergartens in Waldmühlbach. "Der Mehraufwand gegenüber unserem normalen Alltag ist deutlich gestiegen", bekräftigt er. Man müsse immer wieder neue Regelungen umsetzen, immer wieder den Kontakt suchen. "Es gibt viel Ungewissheit. Und dazu kommt, dass wir die Nachfragen der Eltern oft gar nicht beantworten können", erklärt Marcel Grötz (Herbolzheim) in der Leiterrunde.
Michael Schule denkt aber auch schon an die Zeit nach weiteren Öffnungen: "Es kommt einiges an Arbeit auf uns und die Eltern zu." Denn vor allem die Krippenkinder würden wahrscheinlich eine neue Eingewöhnung brauchen. "Und auch die älteren Kinder haben schon zu viel Abstand bekommen. Diese Welle wird kommen", ist Schule überzeugt. Denn neben der normalen Betreuung sind in den vergangenen Wochen auch viele soziale Aktionen einfach ausgefallen: das gemeinsame Feiern religiöser Feste, das Basteln von Vater- und Muttertagsgeschenken, geplante Feste und anderes.
"Die Familien leisten Unfassbares", sagt Rebecca Groß. Sie leitet den katholischen Kindergarten in Haßmersheim. Die neue Rollenfindung sei für die Kindergärten eine große Herausforderung gewesen. "Vor allem ging es natürlich darum, wie man die Familien erreichen kann." Die Familien machen einiges mit, meint Groß. "Und dafür müssen wir auch ein offenes Ohr haben." Unerlässlich dafür sei gute Kommunikation.
Klaus Muth, Chef der Verrechnungsstelle in Obrigheim, hat in diesem Punkt auch gleich ein Lob für seine Kindergartenleiter: "Wir merken gerade jetzt, was für eine vielschichtige Aufgabe die Leitung eines Kindergartens ist. Und wir haben unglaublich gute Leitungen", ist er überzeugt.
Dennoch betont Rebecca Groß, bei allen Anstrengungen, die Familien zu erreichen: "Die Kinder fehlen einfach." Als Erzieherin und Erzieher habe man sich in den vergangenen Wochen manches Mal "nicht mehr wirksam" gefühlt. Als dann die Notbetreuung zum eingeschränkten Regelbetrieb wurde, habe man zum Teil auch harte Entscheidungen treffen müssen. "Wir haben nicht alle aufnehmen können. Wenn man aber hört, was das für die Eltern gerade bedeutet, welches Schicksal dann dahintersteckt, geht einem das schon nach", sagt Rebecca Groß. Klaus Muth bestätigt: "Wir mussten entscheiden, welches Kind einen Platz bekommt und welches nicht. Und die Elternnöte dahinter sind mitunter dramatisch."
Auch bei den Leitungen und Erziehern kommen diese Sorgen und Nöte an. Manchmal auch mit deutlichen Worten. "Ja, die Eltern werden deutlicher. Aber nicht die Leitungen entscheiden über die Regeln, wir setzen sie nur um", betont Marcel Grötz. "Wir bekommen mit, dass es unangenehme Gespräche mit Eltern gibt. Aber das sind sehr wenige. Und ich muss sagen, dass ich die Eltern auch verstehen kann", sagt Klaus Muth. "Wir müssen mit den Eltern im Gespräch bleiben, ihnen die Hintergründe erklären", betont Michael Schule.
Was vielen in der Diskussion zu kurz kommt, ist die Rolle der Erzieherinnen. Auch die mussten sich umstellen, einiges leisten. "Alles ist weggebrochen, aber die Fachkräfte haben sich schnell auf ihre Kernaufgaben besonnen", meint Klaus Muth. Lisa Kreß, die eine neue Einrichtung in Bad Rappenau leitet, lobt auch die Spontaneität der Mitarbeiter. "Die schnelle Umsetzung neuer Vorgaben ist nicht immer einfach", so Kreß.
Sarah John, sie ist Geschäftsführerin der Kindergärten bei der Verrechnungsstelle, findet noch die passenden Abschlussworte für die Runde: "Man darf nicht vergessen, dass kurz nach dem Lockdown die Notbetreuung für die Kinder systemrelevanter Eltern geschultert werden musste." Eltern also, die im Krankenhaus arbeiten, im Supermarkt oder an anderen Stellen, an denen sie Kontakt zu Erkrankten hätten haben können. Und sich und ihre Kinder hätten anstecken können. "In den Kindergärten gab es keine Plexiglasscheiben, keinen Schutz. Man muss den Erziehern sehr dankbar sein, dass sie das in dieser unsicheren Situation auf sich genommen haben", so John.