Nicht alle Retter werden freudig erwartet: Mit dem Thema "Gewalt gegen Rettungskräfte" befasste man sich bei der Psychosozialen Notfallversorgung. Symbolfoto: dpa
Von Frank Heuß
Mosbach. Häufig hört man derzeit von gewalttätigen Übergriffen auf Einsatzkräfte der Notfalldienste. Nicht immer werden die Retter in Extremfällen von allen Beteiligten sehnsüchtig erwartet und so kommt es nach den Statistiken zunehmend zu Auseinandersetzungen: Studien zufolge berichten rund 60 Prozent der Feuerwehrleute und Sanitäter, innerhalb eines Jahres mindestens einmal im Einsatz Opfer von Gewalt geworden zu sein. Dieser Entwicklung geht auch die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) im Neckar-Odenwald-Kreis nach - und informierte ihre Einsatzkräfte in einem Schulungsvortrag beim DRK in Mosbach.
Henning Waschitschek, Notfallsanitäter und DRK-Praxisanleiter, ging auf die aktuellen Beobachtungen ein und gab viele Hinweise zum Verhalten in Gefahrensituationen. Die PSNV wird vom DRK, dem Kreisfeuerwehrverband, der Notfallseelsorge der ev. und kath. Kirchen sowie vom Landkreis getragen.
Über die Notrufstelle werden die Seelsorger bei vermutetem Bedarf hinzugezogen. Dass es sich keineswegs um ein neues Phänomen handelt, machte Waschitschek deutlich. Man müsse die gestiegenen Zahlen der Übergriffe immer im Verhältnis zu den Einsatzzahlen sehen. Da heute erheblich mehr Einsätze als früher gefahren würden, steige auch die Zahl der Fälle, in denen Gewalt gegen die Retter vorkomme.
Für Letztere sei prozentual kaum eine Steigerung nachzuweisen. Im Kreis könne man von einer "stabilen Situation auf niedrigem Niveau" sprechen. Allerdings hebe sich Mosbach von den vielen kleineren Gemeinden im Kreis ab - denn hier gäbe es unter anderem wachsende Probleme mit Jugendgruppen, die sich generell in dem infrastrukturell am ehesten "städtischen" Raum einer ländlichen Umgebung zusammenfinden.
"Die Übergriffe sind häufig verbal, selten körperlich", erklärte Waschitschek. Dabei zeigte er anhand von Merkmalen auf, dass die Gefahrenlage "in den allermeisten Fällen einschätzbar" sei und daher nicht, wie oft behauptet, ganz unvorhersehbar auf die Einsatzkräfte zukomme. Demnach ereignen sich etwa zwei Drittel der Einsätze, bei denen es zu Gewalt kommt, am späten Abend oder in der Nacht. 85 % der Täter sind Männer - zu über 70 % die Patienten selbst, nur selten Umstehende. In mehr als der Hälfte der Fälle ist Alkohol mit im Spiel, bei 20 Prozent andere Drogen. Anhand solcher Kriterien, die im Vorfeld bekannt sind, sollten die Notfallhelfer sich mental darauf einstellen, stringent nach Verhaltensregeln am Einsatzort vorzugehen, um sich selbst zu schützen.
"Ein Restrisiko bleibt", stellte der Referent heraus, aber "man kann es minimieren", so Henning Waschitschek. Dafür zeigte er auf, wie man sich "im Raum bewegt", um bei Eskalation das Geschehen im Griff zu behalten. Wichtig sei es immer, sich gegenseitig "den Rücken freizuhalten", um den Rückzugsweg zu sichern. Kritisch merkte er an, dass derzeit in Extremfällen wie etwa bei konkreten Selbstmordabsichten an die zwei Stunden vergehen, bis ein spezialisierter Psychologe aus Karlsruhe in Mosbach einträfe. So seien in der Vergangenheit bereits Eilfälle auf die PSNV zugekommen, die an sich nicht in deren Zuständigkeit fallen.
Nicht zuletzt über "Grenzfälle" der eigenen Möglichkeiten entstand im Anschluss eine ausgiebige Diskussion unter den Einsatzkräften. Dabei tauschten sie ihre Erfahrungen aus und schilderten hohe mentale Belastungen, wo man sich zunehmend zwischen "nichts tun" und "Risiko eingehen" entscheiden müsse.