Von Stephanie Kern
Mosbach. Marco Schirk ist geschäftsführender Schulleiter der Mosbacher Schulen und Leiter der Pestalozzi-Realschule in Mosbach. Zum Schulstart am kommenden Montag sprach er mit der Rhein-Neckar-Zeitung über die Corona-Regeln, einen möglichen zweiten Lockdown bei einer neuen Welle und die Leistung der Lehrkräfte in der Krise.
Am Montag ist der erste "normale" Schultag seit Anfang März. Wie geht es Ihnen, wenn Sie daran denken?
Ich habe gemischte Gefühle. Natürlich freut man sich, dass wieder vieles im Regelbetrieb laufen wird. Andererseits habe ich schon auch Befürchtungen bezüglich der Neuinfektionen an Schulen. Diese Angst ist natürlich größer als bei der Wiederaufnahme nach den Schulschließungen. In den relativ kleinen Lerngruppen war das Infektionsrisiko einfach überschaubarer.
Das neue Schuljahr startet "unter Pandemiebedingungen". Was bedeutet das? Gibt es Landesvorgaben, an denen sich die Schulen orientieren können?
An die eindeutigen Vorgaben des Kultusministeriums müssen sich alle halten. Der Unterricht findet im Klassenverband statt, es muss aber eine strikte Trennung zwischen den Jahrgangsstufen geben. Das kann zum Beispiel an kleinen Grundschulen zu einem Problem werden. Auch klassenübergreifender Unterricht soll die absolute Ausnahme sein, das geht jedoch bei uns an der Schule zum Teil gar nicht anders. Auch in puncto Klassenzimmer haben wir klare Vorgaben: Die Zimmer sollen möglichst nur von einer Klasse genutzt werden. Bei den Fachräumen ist das schwierig, deshalb werden diese Räume in den Pausen gereinigt. Wir brauchen vor allem in den Naturwissenschaften endlich wieder Unterricht im Fachraum.
Marco Schirk. Foto: KernHatten die Vorgaben auch Einfluss auf die Erstellung des Stundenplans?
Definitiv. Wir haben darauf geachtet, dass Fachräume für Doppelstunden genutzt werden. Außerdem behalten viele Klassen in vielen Fächern ihre Lehrer aus dem letzten Schuljahr. Das hat die Planung natürlich auch erschwert.
Auf was muss noch geachtet werden? Gibt es eigentlich eine Maskenpflicht?
Die Schüler der jeweiligen Klassen müssen untereinander keinen Abstand halten, die Lehrer sollen aber die Abstände einhalten. Diese Regelung ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Die Maskenpflicht gilt für alle Schüler und Lehrer, sobald sie das Schulgelände betreten. Während des Unterrichts muss aber keine Maske getragen werden. Ich finde es gut, dass es in Baden-Württemberg diese einheitliche Regelung gibt. Zum Thema Masken gab es im vergangenen Schuljahr Diskussionen zwischen Schulen und Eltern, nun ist es durch die landesweite Vorgabe geregelt. Kontrolliert wird die Maskenpflicht durch die Schulleitung und die Lehrer. Auch das Ordnungsamt der Stadt soll laut Kultusministerium wohl kontrollieren. Da bin ich auf die Umsetzung gespannt, denn es gibt ja zahlreiche Schulen im Stadtgebiet.
Dass Klassenzimmer schlecht belüftet sind, ist kein Geheimnis. Das Coronavirus wird wohl zu einem großen Prozentsatz durch Aerosole, die sich in der Raumluft sammeln, übertragen. Was ist hier Ihr Konzept?
Das Lüften übernehmen bei uns die Lehrkräfte. Durch die großen Schiebefenster können wir einen angemessenen Luftaustausch auch gewährleisten. Bereits im vergangenen Schuljahr haben wir bei offenen Türen unterrichtet und so immer wieder für Durchzug gesorgt. Im neuen Chemiebereich gibt es eine leistungsfähige Lüftungsanlage, da müssen wir uns über die Raumluft keine Gedanken machen.
Das neue Schuljahr wird ja in vielerlei Hinsicht wieder normaler. Es gibt ja wohl auch wieder Sport- und Musikunterricht?
Ja, unter Berücksichtigung der besonderen Regelungen. Besonders der Musikunterricht war für uns ein großer Verlust: Wir sind eine Schule mit musischem Profil. Musik ist ein fester Bestandteil in unserer Schule, es gibt eigentlich immer eine jährliche Musicalaufführung, aber auch die musste abgesagt werden.
Gibt es eigentlich bezüglich der Corona-Regeln Abstimmungen zwischen den Schulleitern?
Grundsätzlich gibt es die Mosbacher Schulleitungskonferenz, da werden aber eigentlich andere Themen besprochen. Natürlich stehen wir Schulleitungen im Kontakt und orientieren uns aneinander. Gerade mit der Schulleitung des Nicolaus-Kistner-Gymnasiums als direkte Nachbarn sind wir natürlich in enger Absprache. Und tatsächlich erreichen mich auch immer wieder Anrufe von Kollegen, die wissen wollen, wie wir manches handhaben. Ein einheitliches Vorgehen ist aber schwierig, weil die örtlichen Gegebenheiten überall anders sind.
In den Sommerferien gab es auch die Möglichkeit, für die Schüler Lernbrücken einzurichten. Wie wurde das Angebot angenommen?
Da kann ich nur für die PRS sprechen: Zwei Kollegen erklärten sich bereit, die Lernbrücken zu gestalten. Wir haben etwa 40 Empfehlungen ausgesprochen, ein Großteil dieser Schüler besuchte die Lernbrücken auch. Es lief gut, die Schüler machten auch mehr oder weniger gut mit.
Das hört sich an, als hätten Sie auch Kritikpunkte?
Die Motivation mancher Schüler war teilweise so gering, dass zusätzliche Förderstunden für das Schuljahr wahrscheinlich sinnvoller gewesen wären. Das Land hat Aufgaben erstellen lassen, Anfang Juli gab es in dieser Sache eine Rundmail an alle Schulen. Unter einem angegeben Link wurde darauf hingewiesen, dass die Materialien in entsprechender Anzahl bestellt werden müssen. Doch im Juli ist das bei vielen Schulen schlichtweg untergegangen. Wir haben die Aufgaben dann nachträglich digital bekommen und mussten Hunderte Kopien machen. Ich frage mich schon, warum die Aufgabenhefte nicht automatisch in entsprechender Anzahl an die Schulen gingen, denn die Anmeldezahlen für die Lernbrücken mussten wir melden und waren dem Land also bekannt. Da muss ich das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) deutlich kritisieren. Zudem waren einige der Aufgaben ungeeignet.
Wie geht es jetzt im Unterricht weiter?
Unser Ziel ist, alle Schüler bis zum Ende des nächsten Schuljahres auf den Stand zu bringen, den sie dann auch haben sollten. Um Lücken aus dem vergangenen Schuljahr schließen zu können, haben wir unter anderem die Lehrbücher nicht eingesammelt. Die Lehrkräfte mussten zum Schuljahresende dokumentieren, wo die Schüler stehen, sodass auch neue Lehrkräfte nun daran anknüpfen können. Wir hoffen, dass wir nach zwei bis drei Wochen die Lehrbücher austauschen können.
Wie haben die Schulen die Sommerferien genutzt, um sich auf einen möglichen weiteren Lockdown bzw. eine weitere Homeschooling-Phase vorzubereiten?
Auch da kann ich nur für uns sprechen. Man muss bedenken: Der Lockdown im März hat uns alle kalt erwischt. Freitags wurde es entschieden, dienstags war Schluss. Bei uns lief das Homeschooling komplett über E-Mail-Verteiler. Inzwischen hat ein Kollege eine Moodle-Plattform für jeden Schüler und Lehrer eingerichtet. In den ersten Schulwochen wird er die Kollegen und auch die Schüler in die Nutzung der Plattform einweisen. Außerdem hat der Schulträger, also die Stadt, einiges an Ausstattung bestellt, das hoffentlich bald auch an Schüler verliehen werden kann, wenn Bedarf herrscht. Darüber hinaus sind die Kollegen angehalten, immer Aufgaben in petto zu haben, die für das Homeschooling geeignet sind. Aber da kommt es auch wieder auf das Fach an. Es gibt einfach Lerninhalte, die man sich als Schüler nicht selbst erarbeiten kann. Was Lernvideos und Online-Unterricht angeht, haben sicher noch viele Schulen Nachholbedarf.
Es gab und gibt immer wieder Stimmen, die die Leistung der Lehrer in der Krise als "ungenügend" empfanden. Was sagen Sie dazu?
Das Urteil "ungenügend" kann ich absolut nicht teilen. Viele unserer Lehrkräfte haben mit großer Kreativität und enormem zeitlichem Engagement Aufgaben erstellt, verteilt, korrigiert und den Schülern eine Rückmeldung gegeben. Natürlich gibt es unter Lehrern – wie auch in jedem anderen Beruf – Kollegen, die mehr oder weniger Einsatz gezeigt haben. Man hat manchmal das Gefühl, dass die Arbeit eines Lehrers wohl von jedem Außenstehenden beurteilt werden kann – ohne aber tatsächlich Einblicke zu haben Ich würde mir deshalb wünschen, dass man bei einer Verurteilung vorsichtiger ist und auch bedenkt: Wir alle wurden ins kalte Wasser geworfen. Es ist den Lehrern gegenüber deshalb nicht fair, ihre Leistung als ungenügend abzutun. Wie gesagt: Ich habe viel Kreativität und großes Engagement erlebt.