Momentan fragen viele im Tierheim Dallau an, weil sie mit den Hunden Gassi gehen möchten. Das dürfen coronabedingt aber nur die Ehrenamtlichen, die schon länger mitwirken. Foto: Tierheim Dallau
Von Noemi Girgla
Dallau. Das Telefon steht im Tierheim Dallau nicht mehr still. Während der Lockdowns sehnen sich viele Menschen nach tierischer Gesellschaft. Dabei machen Leiterin Miriam Zimmermann und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch nicht nur positive Erfahrungen. "Bis zu 20 Anrufe erhalten wir täglich", erzählt Zimmermann. "Während im ersten Lockdown alle Hunde wollten, sind jetzt Katzen unheimlich gefragt."
Über die Weihnachtsfeiertage wurden keine Tiere zur Adoption freigegeben. "Das machen wir grundsätzlich nicht", erklärt die Tierheimleiterin. "Ein Tier gehört nicht unter den Weihnachtsbaum. Es ist kein Geschenk. Eine Adoption will gut überlegt sein, und wir prüfen jede Bewerbung auf Herz und Nieren." Das stößt aber nicht immer auf Verständnis. "Wenn wir einer Adoption nicht zustimmen, sind wir auch schon am Telefon beschimpft worden. Das ging sogar hin bis zu Drohungen. Oft wird uns vorgeworfen, wir würden gar nicht vermitteln wollen. Das ist natürlich Quatsch."
"Wir sind kein Warenhandel"
Seit fast sechs Jahren leitet Zimmermann das Tierheim in Dallau. "In den letzten Jahren ist die Einstellung vieler Leute schlimmer geworden", berichtet sie. Vermeintliche Interessenten riefen mit sehr konkreten Vorstellungen an, was für ein Tier sie sich denn gerne ins Haus holen würden. Das gehe hin bis zu Fellfarben und -mustern sowie klar definierten Charaktereigenschaften der Tiere. "Wir haben hier doch keine Tiere nach Katalog", empört sich Zimmermann. "Wir sind kein Warenhandel."
Seit Beginn der Pandemie wurde in Tierheimen in ganz Deutschland ein neues System eingeführt. Da sie nicht regulär für Interessenten geöffnet werden können, werden diese nun zu Einzelterminen eingeladen. "Das ist viel entspannter für die Tiere, und wir können mit den Bewerbern auch längere Einzelgespräche führen", bewertet Zimmermann die Neuerung positiv. Bis Ende Januar sind in Dallau schon alle Termine vergeben.
Derzeit wohnen sechs Hunde und ca. 30 Katzen im Dallauer Tierheim. "Normalerweise haben wir etwa 50 bis 60 Katzen, im Sommer waren es auch schon mal 100", erinnert sich die Leiterin. Das liegt in ihren Augen aber nicht nur daran, dass mehr adoptiert werde – auch wenn "die Wintervermittlung extrem angestiegen" ist. "Die Leute gehen weniger raus und finden so auch weniger Fundtiere, die dann bei uns abgegeben werden", sagt Zimmermann.
Besonders das Bedürfnis nach einer "schmusigen Katze" scheint derweil groß zu sein. "Aber jedes Tier hat nun mal seinen eigenen Charakter, und viele Katzen brauchen erst mal Zeit, sich im neues Zuhause zurecht zu finden", stellt Zimmermann klar. Man müsse den Tieren Zeit geben und könne nicht erwarten, dass sie sich sofort auf den Schoß legten und streicheln ließen.
Auch die Nachfrage nach Gassi-Gängen sei angestiegen. "Wir haben deshalb viele Anfragen, coronabedingt geht es aber nicht", erklärt die Leiterin des Tierheims. "Wir arbeiten derzeit nur mit Ehrenamtlichen, die schon lange bei uns mitwirken. Sie kennen die Tiere, haben ihre eigenen Schlüssel und Leinen. Es kommt zu keinem Kontakt, der nicht zwingend nötig ist." Schließlich könne man ja nicht Wildfremden einfach so die Leine eines Tieres in die Hand drücken, das sie noch nie getroffen haben.
Das stößt nicht immer auf Verständnis. "Wir erklären den Leuten, warum wir das nicht machen. Viele verstehen es, aber manche beschimpfen uns auch deswegen. Auf die Bitte, sich doch nach der Pandemie noch einmal zu melden und uns zu unterstützen, kam mehrfach die Antwort, da habe man dann keine Zeit mehr."
Den Faktor Zeit beäugt Zimmerman sowieso kritisch. "Ich bin gespannt, wie viele Hunde abgegeben werden, wenn die Leute wieder in den Urlaub fahren können. Bei uns ist es ein langer Prozess, einen Hund zu adoptieren. Wir machen auch immer sechs Wochen ,Probewohnen’, bevor ein Tier ganz in sein neues Zuhause einzieht. Nicht immer sind Tier und Mensch kompatibel." Das macht sich aber nicht jeder bewusst, bevor er sich einen Vierbeiner ins Haus holt.
Zimmermann und ihr Team mussten schon die Erfahrung machen, dass morgens ein Anrufer nach einem Hund fragte und sich das Anliegen mittags bereits erledigt hatte – der Hund war spontan über eBay-Kleinanzeigen gekauft worden. "Da gibt es viele unseriöse Inserate", weiß Zimmermann. Nicht selten seien die Tiere krank und das ein oder andere würde früher oder später im Tierheim auftauchen.
Was Zimmermann bewegt hat, war die hohe Spendenbereitschaft zu Weihnachten. "Noch im Oktober standen wir finanziell sehr schlecht da. Die Spendengelder waren eingebrochen, wir konnten keine Einnahmen über Feste generieren. Vor den Feiertagen und über die Weihnachtszeit erhielten wir dann so viel Post wie noch nie. Vielen Karten war auch Geld beigelegt." Die Spendenbereitschaft sei riesengroß gewesen. Zudem hatte das Tierheim eine Wunschliste auf seine Homepage gestellt, mit Artikeln, die dringend benötigt wurden. "Was wir alles bekommen haben – es war unglaublich", zeigt sich Zimmermann dankbar.
Und nicht nur von Privatleuten und dem Motorradclub "Fire Hawks", der 6000 Euro spendete, kam Hilfe: "Auf Weihnachtskarten oder Geschenke haben wir verzichtet und den entsprechenden Betrag stattdessen dem Tierheim Dallau für seine wichtige Arbeit zur Verfügung gestellt. Tiere leiden nämlich genau wie wir unter der Pandemie. Auch sie dürfen wir deshalb gerade jetzt nicht vergessen", teilte Landrat Dr. Achim Brötel in seinem Weihnachtsbrief mit. 800 Euro kamen so zusammen. Geld, das besonders für den Bau des neuen Kaninchenhauses benötigt wird – die scheint in Gegensatz zu den Katzen nämlich gerade keiner haben zu wollen ...