Alexander Rechner
Mosbach/Buchen. Der Landkreis hat nach wie vor eine Großbaustelle: die wirtschaftliche Lage der Neckar-Odenwald-Kliniken. Die Krankenhäuser rutschen tiefer in die roten Zahlen als ursprünglich angenommen.
"Das Defizit für das Jahr 2018 wird bei Weitem höher ausfallen als die im Haushalt veranschlagten 4,5 Millionen Euro", erklärt Dr. Achim Brötel, Landrat und Aufsichtsratsvorsitzender der Neckar-Odenwald-Kliniken, der aber im gleichen Atemzug auch wieder Entwarnung gibt: "Unsere Kliniken sind definitiv in keiner existenziellen Krise."
Der Landrat möchte zwar derzeit keine konkreten Zahlen nennen und auf das Ergebnis der Wirtschaftsprüfer im Juni warten. Im Landkreis kursieren aber Spekulationen über einen Klinikverlust von sechs bis über sieben Millionen Euro. "Deutlich entfernt" sei man allerdings auf jeden Fall von dem Defizit aus dem Jahr 2013 - damals rund 9,5 Millionen Euro.
Einst hatte der Fehlbetrag zur fristlosen Kündigung des damaligen Geschäftsführers geführt, und die Kliniken wurden zum Sanierungsfall. Anfang des Jahres trennte man sich jedoch just auch vom Sanierer und Geschäftsführer.
Die neuerliche wirtschaftliche Entwicklung ist für den Landrat alles andere als erfreulich, aber eigenen Angaben zufolge auch nicht wirklich beunruhigend. "Die aktuelle wirtschaftliche Situation lässt es zu, dass wir als Landkreis den Fehlbetrag problemlos stemmen können", bekräftigt Dr. Brötel. Dagegen hat er sich von der "schwarzen Null" verabschiedet, sein lang gehegter Traum sei ausgeträumt.
Der Landkreis müsse für den Erhalt der Krankenhäuser in Mosbach und Buchen wohl auf Dauer ein Defizit tragen. Zumindest solange der Bund als Gesetzgeber an der Krankenhausfinanzierung nicht endlich grundlegend etwas ändere.
Für den Aufsichtsratsvorsitzenden hat Berlin eindeutig eine Mitschuld an der finanziellen Misere. Denn insbesondere die Krankenhäuser im ländlichen Raum müssten solide finanziert werden.
"In den ersten drei Monaten des Jahres 2019 sind unsere Krankenhäuser in Buchen und Mosbach nahezu durchweg zu hundert Prozent belegt und teilweise sogar an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt gewesen, und trotzdem fahren wir sogar in diesen Monaten ein hohes Defizit ein", betont Brötel und ergänzt: "Dann stimmt doch etwas am Finanzierungssystem nicht." Zumal die Krankenhäuser nicht mehr nach Verweildauer, sondern nach Fallpauschalen entlohnt werden.
Allerdings ist im vergangenen Jahr an den Kliniken intern auch nicht alles rund gelaufen, worüber sich der Landrat ärgert. "Denn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter malochen regelrecht, damit es den Patienten hoffentlich schnell besser geht", hebt der Landrat hervor, "und werden dann auch noch mit hoch negativen Jahresergebnissen bestraft".
So habe der Aufsichtsrat erst im Oktober vergangenen Jahres erfahren, dass an den Kliniken deutlich mehr Überstunden angefallen waren, als die Geschäftsführung berichtet hätte. "Das ist an sich kein Problem, zumal die Überstunden von unseren Mitarbeitern tatsächlich geleistet wurden, aber bis Oktober ging man von einem Überstundenabbau aus", so Landrat Brötel. "Deshalb wurden durch die Geschäftsführung Rückstellungen aufgelöst, das wirtschaftliche Ergebnis sah so besser aus als es tatsächlich war."
Allerdings: Der Berg an Überstunden wuchs über das Jahr hinweg in Wirklichkeit deutlich an. Nach Aussage von Achim Brötel ist dadurch nun ein Millionenbetrag angefallen, der das Ergebnis negativ belastet. Darüber hinaus seien am Aufsichtsrat vorbei Zusatzabreden über variable Vergütungsbestandteile mit Klinikmitarbeitern geschlossen worden. Dieser Bereich wurde jedoch laut Brötel in den vergangenen Monaten kritisch aufgearbeitet. Damit solche "interne Überraschungen" nicht mehr auftreten, habe man schon Konsequenzen gezogen und Neuerungen eingeführt.
An den hiesigen Krankenhäusern sieht er jedenfalls keinen Spielraum mehr, Kosten einzusparen: "Die Zitrone ist längst ausgepresst." Das Personal könne auch nicht weiter reduziert werden, die Küche sei schon in Mosbach zentralisiert, die Zusammenführung der Sterilgutaufbereitung in Buchen geplant.
Zudem sehe er auch keine nennenswerten Möglichkeiten mehr, die Einnahmen signifikant zu steigern. Und trotzdem will er auf keinem Fall einen Klinik-Standort aufgeben. "Unsere Häuser in Mosbach und Buchen sind beide unverzichtbar", bekräftigt Brötel. Solange er Landrat sei, werde es mit ihm keine Schließung geben. Es gebe diesbezüglich auch keine Pläne in der Schublade.
Im Gegenteil: Er will an der Struktur festhalten und zieht eine Parallele: "Wir geben jedes Jahr für unsere Kreisschulen auch einen Betrag von sechs Millionen Euro aus". Daher müsse man wohl die bittere Pille schlucken, und einen jährlichen Fehlbetrag tragen.
Höchste Priorität hat für ihn der Erhalt der Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung, auch deren Spezialisierungsgrad werde nicht infrage gestellt. Beide Standorte werden gleichmäßig weiterentwickelt. "Weder Mosbach noch Buchen werden bevorteilt", betont Achim Brötel. Die Chefärzte seien standortübergreifend tätig. Auch ein Verkauf der Kliniken sei kein Thema.
Apropos Verkauf: Die vom Kreistag in nichtöffentlicher Sitzung beschlossene Veräußerung des Wohn- und Pflegezentrums (WPZ) Hüffenhardt sei erforderlich gewesen, weil dieses seit Jahren ein zuletzt wieder stark wachsendes Defizit eingefahren habe und anders als die Trägerschaft für die Kliniken keine Pflichtaufgabe des Landkreises sei. Man stehe vielmehr im Wettbewerb mit privaten Anbietern und könne es auf Dauer nicht vermitteln, ein Defizit über Kreisumlagemittel auszugleichen. Das sei ein entscheidender Unterschied zu den Kliniken.
Bereits 2014 war ein erster Versuch, das WPZ Hüffenhardt zu verkaufen, gescheitert. Auch nach dem Verkauf des Altersheims wird das WPZ dem Landkreis allerdings noch auf der Tasche liegen. Denn: Damit die Mitarbeiter ihre bei der ZVK erworbenen Anwartschaften auf eine Zusatzversorgung in der Rente nicht verlieren, hat der Landkreis nochmals Geld in die Hand nehmen müssen - einen Millionenbetrag. "Wir als Landkreis sehen in uns da in der Verantwortung und wollten uns anständig gegenüber den Mitarbeitern verhalten", erläutert der Landrat.
Diese Zahlung belaste allerdings zusätzlich den Haushalt 2019. "Angesichts dieses Einmaleffekts werden mit Sicherheit die im Haushalt eingeplanten 4,5 Mio. Euro nicht ausreichen", unterstreicht Achim Brötel, der den Kaufpreis auch auf Nachfrage nicht nennen wollte. Die Vertragsparteien hätten Stillschweigen vereinbart.
In Zukunft soll Frank Hehn, der bereits seit Januar als Geschäftsführer das Ruder an den Neckar-Odenwald-Kliniken übernommen hat, dem Patienten "Neckar-Odenwald-Kliniken" die richtige Medizin reichen. Darüber hinaus hat es weitere personelle Veränderungen an der Spitze der Kliniken gegeben. Der ehemalige Kreisentwickler Harald Löffler hat dort den Tätigkeitsbereich Finanzen und Controlling übernommen. Darüber hinaus wurde entschieden, dass Geschäftsführer Hehn auch den Personalbereich übernimmt.
Laut Brötel habe man sich im Einvernehmen von dem ehemaligen Geschäftsführer Norbert Ahrens getrennt. "Herr Ahrens hat durchaus gute Strukturen aufgebaut. Zuletzt hat es allerdings auch verstärkt kritische Nachfragen an ihn gegeben", erklärt Dr. Brötel, der jedoch klar unterstreicht, dass man den ehemaligen Geschäftsführer nicht gekündigt habe.
Man habe den Krankenhausbetriebsführungsvertrag mit der Oberender AG, die den Geschäftsführer extern stellten, vielmehr einvernehmlich vorzeitig aufgelöst. Mit anderen Worten: Der Landkreis hat wohl einen Geldbetrag zahlen müssen, um aus dem Vertrag herauszukommen. Ziel ist laut Brötel gewesen, wieder auf den früheren Pfad zurückzukehren und die Kliniken in Eigenregie zu leiten. Ein weiteres Ziel bleibt, die Kliniken in ruhigeres Fahrwasser zu führen.