Die Pünktlichkeit im Regionalverkehr ist in den letzten Wochen gesunken. Auch nach eigenen Maßstäben sind Pünktlichkeitswerte unter 90 Prozent nicht akzeptabel. Ab Mitte Dezember übernimmt die Abellio GmbH auf der Strecke. Das Unternehmen wirbt mit Service und Pünktlichkeit. Foto: Tim Müller
Von Tim Müller
Neckar-Odenwald-Kreis. Morgens 6.52 Uhr auf dem Bahnsteig Richtung Heilbronn. Das Wochenende ist schon wieder vorbei. Es ist früh am Morgen, und der Kaffee im Thermobecher fast leer. Ein Seufzer erklingt auf dem Bahnsteig. Der Lautsprecher surrt, eine Durchsage: "Regionalbahn 19105 nach Stuttgart Hauptbahnhof heute fünf Minuten später." Kollektives Stöhnen auf dem Bahnsteig. Ein genervter Blick auf das Smartphone. Dann erschallt die metallische Stimme ein weiteres Mal: "Regionalbahn 19105 nach Stuttgart Hauptbahnhof entfällt heute ersatzlos. Wir bitten Sie, dies zu entschuldigen." Ärger, gemischt mit Resignation macht sich breit. Schon wieder ein peinlicher Anruf beim Arbeitgeber. Tagtäglich ergeht es Tausenden Pendlern so. In letzter Zeit auch vermehrt auf den Bahnstrecken in der Region, wie mehrere RNZ-Leser berichteten. Die RNZ nahm dies zum Anlass, um nachzufragen.
Die aktuelle Pünktlichkeitsauswertung der Deutschen Bahn gibt dem Gefühl vieler Reisender Recht: So sank der Wert laut des Berichts der DB Regio Baden-Württemberg in den letzten drei Kalenderwochen von rund 94 auf exakt 87 Prozent. Nach dem Bewertungsmaßstab der Bahn liegt dieser Wert im roten Bereich. Das bedeutet eigentlich, dass die Bahn mit der Pünktlichkeit ihrer Regionalbahnen nicht zufrieden sein kann. Auf Anfrage der RNZ konstatierte ein Bahnsprecher allerdings nur, dass man auf der Strecke einen "sehr zuverlässigen Verkehr" gewährleiste. Bei Pünktlichkeitswerten unter 90 Prozent klingt das seltsam. Schließlich widersprechen sich der Bahnsprecher und die offiziellen Vorgaben des Unternehmens.
Auf die Gründe für die höhere Unpünktlichkeit auf der Strecke angesprochen, erklärt der Sprecher: "Es treten immer wieder Zugausfälle und Verspätungen aufgrund von externen Einflüssen wie Unwetter auf, welche wir nicht beeinflussen können." Allerdings seien auch Zugausfälle wegen Fahrzeugstörungen oder kurzfristiger Krankmeldungen zu verzeichnen. Die Personaldecke bei den Lokführern sei dünn, der Fachkräftemangel zeige auch hier seine Auswirkungen. Laut Deutscher Bahn habe die gesamte Branche mit einem akuten Lokführermangel zu kämpfen. Bei der Bahn selbst sehe es aber nicht so schlimm aus wie bei anderen Wettbewerbern: "Wir konnten unseren Personalbestand zumindest stabil halten. Aktuell unterstützen wir deshalb auch unsere Wettbewerber mit Lokführern."
Verspätungsmeldungen lesen Bahnfahrer in letzter Zeit häufiger. Foto: Tim Müller
Apropos Wettbewerber: Am 15. Dezember dieses Jahres übernimmt die Abellio Rail Baden-Württemberg GmbH den Personennahverkehr auf der Strecke zwischen Heidelberg und Heilbronn. Das Unternehmen erhielt den Zuschlag für das Stuttgarter Netz / Neckartal, zu dessen Gebiet auch der Streckenabschnitt im Neckartal gehört. Die Betriebsaufnahme ist dabei in drei Stufen gegliedert.
Bereits im Juni ist die Strecke zwischen Stuttgart und Pforzheim in Betrieb genommen worden. Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember soll dann die Linien RE 10a und 10b von Stuttgart über Heilbronn und Heidelberg nach Mannheim dazukommen. Hierzu gehört auch die Verbindung zwischen Heidelberg und Heilbronn. Als letzte Stufe werden ab dem Fahrplanwechsel im Juni 2020 die Linien bis Tübingen weitergeführt. Das teilte das Unternehmen auf RNZ-Anfrage mit.
Eine Unternehmenssprecherin versprach, die Kunden mit Service und Pünktlichkeit begeistern zu wollen. Die Züge seien neu und modern und verfügten über Klimaanlage, Steckdosen und WLan in der ersten und zweiten Klasse. Auch die verbesserte Mitnahmemöglichkeit für Fahrräder hob sie hervor. Außerdem sollen die Züge im baden-württembergischen Landesdesign schon optisch was hermachen. Beim Thema Preisanpassung und Ermäßigungen stellte sie zudem klar: "Alle gültigen Tarife werden von Abellio ohne Einschränkungen anerkannt, dazu zählen auch die Bahncard-Ermäßigungen. Es wird keine Preiserhöhungen geben."
Jüngst gerieten das Unternehmen und sein Zulieferer Bombardier in den Fokus der Öffentlichkeit: Die von Abellio bestellten und von Bombardier gebauten Züge konnten nicht rechtzeitig zum Start der ersten Inbetriebnahme geliefert werden. Der Grund sollen Probleme mit der neuen Software sein, die in den Zügen zum Einsatz kommt. Laut Bombardier sei es nicht rechtzeitig gelungen, alle Softwareanforderungen für die Zulassung durch das Eisenbahnbundesamt zu integrieren. Außerdem kam es zu Verzögerungen im Produktionsablauf bei den Wagenkästen. Abellio hatte jedoch einen Notfallplan vorbereitet: Vorläufig werden Leihfahrzeuge von Wettbewerbern eingesetzt, die Lokführer der DB Regio steuern.
Wie es mit der Bahnstrecke zwischen Heidelberg und Heilbronn weitergeht, wird sich zeigen. Einens steht fest: In puncto Pünktlichkeit gibt es viel zu tun.