Von Stephanie Kern
Hüffenhardt. Es ist ein Ausbruch, der Schlagzeilen macht, der dramatisch ist. Im Pflegezentrum Hüffenhardt haben sich 85 Bewohner und 22 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert, neun Testergebnisse von Bewohnern standen am Dienstag noch aus. Im gesamten Kreis waren schon acht Seniorenheime, die der Heimaufsicht unterliegen, betroffen. Infiziert haben sich dort 165 Bewohner und 77 Mitarbeiter. Im RNZ-Interview berichtet der Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Domus Cura, Christian Ersing, wie die Situation aktuell ist und was man sich von der Politik wünschen würde.
Christian Ersing. Foto: zgWelche Maßnahmen haben Sie zum Schutz der Bewohner und Mitarbeiter im Vorfeld getroffen?
Schon in der ersten Pandemiewelle haben wir uns umgehend mit allen behördlichen Vorgaben und Empfehlungen zur Pandemiebekämpfung befasst und diese umgesetzt. Zu den wichtigsten gehören Quarantäne bei positiv Getesteten und bei Krankenhausrückkehrern sowie bei Verdachtsfällen und Bewohnern mit ungeschützten Außenkontakten, Isolierung der Bewohner auf ihre Zimmer und Schließung aller Gemeinschaftsräume, sobald ein positiver Fall in der Einrichtung bekannt wird. Außerdem gab und gibt es Besuchskonzepte und ein Besuchsverbot bei einem Ausbruch von Corona.
Zudem arbeitet das Personal unter erhöhten Hygienestandards, nutzt schon seit Wochen FFP-2-Masken. Bei einem Ausbruch ist Arbeiten mit Vollschutz vorgesehen. Diese Maßnahmen haben wir von Anfang an konsequent umgesetzt. Jetzt, in der zweiten Welle, haben wir dieses Vorgehen selbstredend beibehalten. Unser Vorgehen wurde von der Heimaufsicht überprüft und für sehr gut befunden. Darüber hinaus standen wir jederzeit in engem Kontakt mit dem Gesundheitsamt.
Haben Sie auch Schnelltests eingesetzt?
Schnelltests stehen uns seit Anfang Dezember zur Verfügung und sind seit der Freigabe unseres Testkonzeptes im Einsatz. Die Einweisung erfolgte durch einen Arzt, vorgenommen wurden die Tests von unserem Personal. Dabei mussten wir aber feststellen, dass viele Testergebnisse, die zu Anfang oder Ende einer Corona-Infektion auftreten, von unseren Schnelltests als negativ ausgewiesen wurden – von den PCR-Tests jedoch als positiv. Diese Problematik hat sich erst durch wiederholten Einsatz der Tests in Kombination mit den PCR-Tests seit dem Ausbruch gezeigt. Es besteht also die Möglichkeit, dass das Virus bereits im Haus zirkulierte, bevor wir es eindeutig feststellen konnten.
Die Tests wurden ja auch angeschafft, um das Virus draußen zu halten, oder?
Mit den Schnelltests verbanden wir die Hoffnung, Corona schneller zu erkennen. Es wird sich noch zeigen, ob diese Strategie aufgeht. Problematisch ist der hohe Zeitaufwand, der mit den Schnelltests einhergeht – bei ohnehin sehr knappen Personalressourcen.
Fragt man sich nun, nach den Ausbrüchen in Michelbach und Hüffenhardt, warum diese Maßnahmen nicht gegriffen haben? Was hätten Sie vielleicht besser machen können?
Das ist eine berechtigte Frage, die wir uns seit dem neuerlichen Ausbruch in Hüffenhardt immer wieder stellen. Neben unseren Bewohnern und Mitarbeitern belastet diese Situation sicherlich niemanden mehr als uns selbst, also die Leitungsteams in den Häusern und die Domus-Cura-Unternehmensführung. Leider können wir diese Frage (noch) nicht beantworten. Auch bei dem Ausbruch in Michelbach glaubten wir uns gut vorbereitet und dachten, die Infektion schnell unter Kontrolle bringen zu können.
Der Verlauf in beiden Häusern hat uns eines Besseren belehrt. Der Erreger ist und bleibt hoch infektiös. Ein gravierendes Problem ist, dass das Virus auch übertragen wird, bevor die Krankheit zum Ausbruch kommt. Sie kann also längst im Haus sein, bevor sie irgendwie bemerkt wird. Und generell gilt: Wo Menschen zusammentreffen, wird auch das Virus übertragen – je nach Schutzmaßnahmen und der Konstitution der Menschen in unterschiedlichem Maße.
Welche Schwachstellen gibt es?
Generell sind unsere Bewohner oft gesundheitlich erheblich vorbelastet und gehören daher zur Hochrisikogruppe. Ihre Vorerkrankungen machen oft Krankenhausaufenthalte nötig, wo ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Es kam mehrfach vor, dass Bewohner positiv von einem Krankenhausaufenthalt zurückkamen.
Wie bedeutsam ist der Faktor "Mensch"?
Als Pflegeeinrichtungen haben wir es mit Menschen und ihren sozialen Bedürfnissen zu tun. Für unser Personal ist die Corona-Pandemie eine tägliche Gratwanderung zwischen Sicherheit und den sozialen Bedürfnissen der Bewohner sowie deren Angehörigen. Auch wenn ein Großteil der Angehörigen sich kooperativ verhält, haben wir in Einzelfällen doch immer wieder mit absolutem Unverständnis für unsere restriktiven Besuchsregelungen zu kämpfen. Teilweise setzen sich Angehörige über das Versuchsverbot hinweg – auch das haben wir schon erlebt. Und schließlich: Wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler. Im Moment überprüfen wir zum Beispiel, ob die Tests immer fachgerecht ausgeführt wurden. Außerdem werden wir im Zuge der Aufarbeitung des Ausbruchs in Hüffenhardt auch das Hygienekonzept nochmals auf den Prüfstand stellen.
Was würden Sie sich von der Politik wünschen; was hätten Sie sich im Vorfeld der zweiten Welle gewünscht?
Aus unserer Sicht sind die durch Corona bedingten finanziellen Hilfen im Großen und Ganzen ausgewogen und relativ unkompliziert. Wünschenswert wäre noch eine Art Bürgschaft für die Rückerstattung von Kosten für relevante Ausstattung, wie zum Beispiel der Corona-Schnelltests. Ein Heim mit 100 Plätzen benötigt – grob überschlagen – 2150 Tests pro Monat. Bei mindestens acht Euro pro Stück ergibt sich daraus ein zusätzlicher Liquiditätsbedarf von rund 17.000 Euro. Das ist für ein Pflegeheim eine nicht unerhebliche Summe.
Und was wäre verbesserungsfähig?
Was aus unserer Sicht ein viel größerer Wunsch wäre: Eindeutige Zuständigkeiten, klare Ansagen und ein gut strukturiertes Krisenmanagement. Die gegenwärtige Situation ist genau das Gegenteil. Kleinteilige und teilweise konkurrierende Zuständigkeiten, "Empfehlungen" seitens Behörden, welche im Tagesgeschäft völlig unbrauchbar sind und lediglich dazu nützen, die Verantwortung an die Heime abzuwälzen. Hinzu kommt, dass es keine zentrale Kontaktstelle gibt, sodass man die notwendigen Informationen oder Kontakte mühsamst recherchieren muss.
Teilweise bekommen wir Antworten auf wirklich drängende Fragen erst mit mehreren Tagen Verzögerung. Wichtige Anweisungen von den Ämtern werden nur am Telefon kommuniziert. Wenn man eine schriftliche Bestätigung einfordert, erhält man diese nicht – man will sich wohl schadlos halten. Stattdessen Bürokratie-Wahnsinn und Auflagen ohne Ende. Wir brauchen im Moment schnelles, stringentes Handeln und vor allem Personal. Jede Hand zählt. Stattdessen sind wir mit einem Berg an bürokratischen Vorschriften konfrontiert. Das allgemeine Krisenmanagement kann man aus unserer Sicht nur mit "ungenügend" benoten.
Wie ist die Lage vor Ort?
Die Lage ist äußerst angespannt. Unsere Senioren müssen Weihnachten allein im Zimmer verbringen. Die Bewohner, die die Lage noch voll erfassen, reagieren vielfach besorgt und verängstigt. Für das Personal ist die Lage ebenfalls enorm belastend. Der Personalbestand ist weiter ausgedünnt. Wir haben die Situation schon letzte Woche der Heimaufsicht und dem Gesundheitsamt Mosbach mitgeteilt. Die Reaktionen kamen schleppend oder teilweise gar nicht. Erst die Krisensitzung des Gesundheitsamts am vergangenen Samstag hat diesbezüglich eine Änderung gebracht. Uns wurden fünf Helfer aus der Bundeswehr zugestanden, die jedoch über keine pflegerische Ausbildung verfügen. Sie sollen nun in der Hauswirtschaft und für organisatorische Belange zum Einsatz kommen. Pflegerisch fangen wir die Situation im Moment durch Austausch von Personal auf.
Wie kann man helfen?
Wir brauchen vor allem ganz dringend Menschen mit einer pflegerischen Ausbildung. Wer über eine solche verfügt und helfen möchte, möge sich bitte an uns wenden. Schutzausrüstungen stellen wir selbstverständlich zur Verfügung.