Von Jürgen Hofherr
Waldbrunn. (hof) Nach der Kernschmelze in Fukushima und dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg hat sich die grün-rote Landesregierung den Ausbau dieser Erneuerbaren Energie auf die Fahnen geschrieben und das Landesplanungsgesetz geändert, sodass der Bau einer Windkraftanlage enorm erleichtert wird. Bis 2020 sollen demnach mindestens zehn Prozent des Stroms durch solche Anlagen in Baden-Württemberg produziert werden.
Nachdem im Juli 2012 Pläne bekannt geworden waren, dass im Markgrafenwald bei Mülben mit 14 Anlagen einer der größten Windparks in Baden-Württemberg entstehen könnte, setzte in der Winterhauchsgemeinde die Diskussion ein. "Besorgte Bürger" aus dem Höllgrund, die gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Infraschall befürchten, sowie eine "Arbeitsgruppe Windkraft Waldbrunn" formierten sich, um Alternativen zu den aktuellen Planungen aufzuzeigen.
Eine teilweise hitzig geführte Infoveranstaltung im Höllgrund, bei der im Oktober neben Bürgermeister Klaus Schölch und Ingenieur Jürgen Glaser, der für die Ausweisung von Konzentrationszonen verantwortlich zeichnet, sorgte insofern für eine gewisse Versachlichung, dass der Abstand der Windkraftanlagen statt der gesetzlich zulässigen 700 auf 1000 Meter vergrößert wurde. Auch die Frage, warum Waldbrunn die Lasten für die Neckartalgemeinden tragen müsse, wurde mit dem Hinweis auf das St.-Florians-Prinzip entkräftet.
Nun fand am Donnerstag in der Winterhauch-Halle in Strümpfelbrunn eine Bürgerversammlung mit folgenden Podiumsteilnehmern statt: Bürgermeister Schölch, Jürgen Glaser vom Büro IFK, Walter Simon (Büro für Umweltplanung), Fachbereichsleiter Axel Krahl vom Landratsamt, Manfred Hopfauf und Axel Finger von der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) und Timo Basteck vom Planungsunternehmen Fichtner, das im Auftrag der "Windpark Markgrafenwald GbR" (Berthold Prinz von Baden und Leopold Prinz von Baden) agiert.
Zunächst gab Bürgermeister Klaus Schölch einen kurzen Abriss zur aktuellen Situation und kritisierte erneut die Änderung des Landesplanungsgesetzes und den Windkrafterlass, der die Gefahr in sich berge, dass überall Windkraftanlagen errichtet würden und somit eine "Verspargelung" der Landschaft die Folge sei. Man sei zwar grundsätzlich für diese nachhaltige Form der Energiegewinnung, fühle sich aber von der Landesregierung alleine gelassen. Erstmals wurde das Thema "Windkraft" im Jahr 1995 in Waldbrunn diskutiert, als ein Vorhaben an der Lindacher Straße letztlich nicht realisiert wurde, so Schölch zur Entwicklung. Durch den Staatsvertrag in der Metropolregion Rhein-Neckar habe man glücklicherweise etwas Luft, was die Ausweisung von Vorranggebieten bzw. Konzentrationszonen betrifft.
Auch der Ingenieur Jürgen Glaser hob hervor, dass es vonseiten der Gemeinde keinerlei Zeitdruck gebe, da die Gremien der Metropolregion die Frist für einen Regionalplan zur Windkraftnutzung verlängert habe. Anschließend stellte Glaser den Windatlas vor, der für Waldbrunn mehrere "windhöffige" (windreiche) Flächen ausweise. Bei Abwägung aller Argumente habe sich in zahlreichen Gesprächen der Markgrafenwald als sinnvollster Standort ergeben. Dort soll nun in Kooperation mit dem Gemeindeverwaltungsverband Binau-Neckargerach-Waldbrunn-Zwingenberg eine 180 Hektar große Fläche als Windkraft-Konzentrationszone in einem Flächennutzungsplan ausgewiesen werden.
Manfred Hopfauf (MRN) erläuterte, dass man die regionalen Planungsüberlegungen zur Steuerung der Windkraft (Regionalplan) mit den Flächennutzungsplanungen der Gemeinden rückkoppeln will. Für Einzelanlagen wie im Markgrafenwald könne man jedoch Zielabweichungsverfahren durchführen, durch die unabhängig von den Flächennutzungsplanungen Windparks realisiert werden können. Axel Krahl vom Landratsamt betonte, dass der Gemeinderat unabhängig von Zielabweichungsverfahren jederzeit Herr des Verfahrens bleibe. Daher solle man sich Zeit nehmen.
Timo Basteck stellte den konkret geplanten "Windpark Markgrafenwald" vor. Derzeit gehe man von 13 Anlagen aus, von denen zwei auf Eberbacher Gemarkung errichtet werden sollen. Durch den Einsatz spezieller Turbinen, die auf windschwache Standorte ausgelegt sind, könne man am Standort bei Mülben grünen Strom für 18.500 Vierpersonenhaushalte erzeugen und 50.000 Tonnen CO2 einsparen. Die Nabenhöhe liegt laut Basteck bei 140 bis 150 Meter, die Gesamthöhe jeder WKA bei bis zu 210 Meter. Durch diese Dimensionen könne man Strommengen produzieren, die bisher nur in Küstenregionen möglich waren, und man könne alle lärmschutzrechtlichen Grenzwerte einhalten. Der vielfach diskutierte Infraschall entstehe zwar auch, gab Basteck zu, liege aber deutlich unter der menschlichen Wahrnehmungsgrenze.
Im Zusammenhang mit möglichem Schattenwurf erläuterte der Planer den Einsatz von "Schattenmodulen" mit einer Abschaltautomatik, weshalb es keinen Schattenwurf geben werde. In Kooperation mit dem Büro für Umweltplanung von Walter Simon erstelle man derzeit diverse Gutachten, anhand derer man die Umweltverträglichkeit nachweisen könne. Darüber hinaus zahle man vonseiten der Investoren einen sechsstelligen Betrag für Ausgleichsmaßnahmen. Was die Wertschöpfung betreffe, würden 70 Prozent der Gewerbesteuer in in Waldbrunn, entrichtet. Darüber hinaus würden regionale Firmen und Banken mit der Realisierung der Windparks befasst. Nach Fertigstellung entstünden ein bis zwei Arbeitsplätze, so Basteck. Auch die gewünschte Beteiligung an einem Bürgerwindrad sei möglich, so der Planer abschließend.
Walter Simon stellte seine Erkenntnisse aus artenschutzrechtlicher Sicht vor. Demnach finden sich weder schützenswerte Vogel- noch Fledermausarten in bedenklicher Nähe zum geplanten Windpark. Was die Flächenversiegelung angehe, müsse man mit 6000 Quadratmeter kalkulieren. Da auch das Landschaftsbild enorme Veränderungen erfahre, müsse der Investor rund 150.000 Euro für Ausgleichsmaßnahmen aufbringen, ließ Walter Simon die Zuhörer wissen. Anhand diverser Visualisierungen konnte sich jeder einen ersten Eindruck vom geplanten Windpark machen.
Bevor die Experten für Fragen zur Verfügung standen, erläuterte Susanne Wirtz die Arbeit der Bürgerenergiegenossenschaft (BEG) Neckar-Odenwald, die sich dem Ausbau der regenerativen Energien in der Region unterer Neckar, Odenwald und Bauland verschrieben hat.
Im Rahmen der Bürgerfragen kamen einmal mehr Befürchtungen zur Sprache, dass der Windpark zu laut sein könnte. Außerdem wurde Kritik an den wenig aussagekräftigen Visualisierungen des Büros Simon laut. Viele Fragesteller sahen sich daher mit Bürgermeister Schölch einig, der eine nochmalige Reduzierung der Anlagenstandorte anregte.