Von Harald Berlinghof
Oberzent-Finkenbach. Rob Tognoni gibt am Freitagabend auf der Finkenbach-Bühne musikalisch Gas, aber Petrus steht auf der Spaßbremse. Er lässt es tröpfeln. Noch ist es schwülwarm, aber - das kennt man von der Finkenbacher Nacht - es wird nicht so bleiben. Einen Pullover oder eine warme Jacke sollte man als Finki-Fan für die späteren Stunden stets im Gepäck haben.
Am Eingang zum Sportplatz des Finkenballer Fußballclubs, wo alljährlich das Krautrock-Festival stattfindet, hat sich bereits eine lange Schlange gebildet. Viele jungen Leute in bunten Klamotten und dazwischen ein paar Althippies, wie es sich für das Finki gehört, wollen vor allem die Woodstock-Legende Leo Lyons sehen, die für 21 Uhr angekündigt ist.
Das Finkenbach-Festival 2019 - Die FotogalerieDer Mitbegründer der Band "Ten Years After" stand vor 50 Jahren neben Musikgrößen wie Jimi Hendrix, Jefferson Airplane oder The Who auf der Bühne in Woodstock. Und er hat versprochen, mit seiner neuen Band "Hundred Seventy Split" dieselben Songs der nicht mehr existierenden Gruppe zu spielen, an denen er sich als Bassist damals beim Woodstock-Auftritt abgearbeitet hat. Darunter sind einige Rock-Klassiker, die es in sich haben. Das Publikum steht vor der Bühne und ist gespannt, was da auf sie zukommen mag.
Derweil tanzen Großmütter mit ihren Enkelinnen zur Musik des "Tasmanischen Teufels" Rob Tognoni. Sonnenbrillen entwickeln sich an den Verkaufsständen zu Ladenhütern. Dünne Regencapes mit Kapuzen sind der Renner. Dann kündigt Finki-Miterfinder Mani Neumeier, der mit seiner Band "Guru Guru" erst am Samstagnacht an der Reihe ist, den Woodstock Veteranen an. Nach zwei Stücken zum Warmspielen folgen Songs aus der Woodstock-Ära. TYA-Songs "aus der Zeit, als ich noch jung war. Ja, ich war auch mal jung", kokettiert die lebende Legende mit seinem Alter.
Diese alten Männer, die auf der Bühne nicht zu bremsen sind, haben die Rockmusik mitgeprägt. Leo Lyons ist inzwischen 76 Jahre alt, Mani Neumeier 79 Jahre und Arthur Brown, der in diesem Jahr beim Finki nicht dabei ist, 77 Jahre.
Leo Lyons hat seine Bassgitarre fest im Griff und zerrt energisch an den Seiten. Seine silbernen Haare umrahmen sein konzentriertes Gesicht, der weiße Schnurrbart zittert. Daneben geraten seine beiden musikalischen Begleiter eher in den Hintergrund. Zunächst. Joe Gooch, der junge Gitarrist, der Alvin Lees Part gibt, wird sich im Verlauf des etwa eineinhalbstündigen Auftritts warm spielen, bis er beim Abschlusssong "I’m going home" beweist, dass er es in Bezug auf die Geschwindigkeit mit "Mr. Speedfinger" Lee aufnehmen kann.
Ein bisschen kühl kommt sein Spiel rüber, der Gesang ist für eingefleischte TYA-Fans ein wenig gewöhnungsbedürftig. "Love lika a man", das spacige "50.000 miles beneath my brain" , "I would love to change the world": Es geht Schlag auf Schlag mit Titeln, die einen hohen Wiedererkennungswert bei den Fans haben.
Inzwischen hat es sich eingeregnet. Das ist mehr als ein Nieselregen, der da während des Auftritts von Leo Lyons runter kommt, eher ein üppiger Landregen. Pudelnass feuern die Fans die Band auf, ihr Versprechen wahr zu machen und das Set von Woodstock zu spielen. "Spoonful", "Help me babe" und: "I can’t keep from crying sometimes", ein intensives bluesiges Stück, das jeder Fan von TYA verinnerlicht hat. Und dann ist es soweit. Die ersten Gitarrenriffs von "I’m going home", dem einzigen Song des TYA-Auftritts in Woodstock, der auf der Schallplatte und im Film enthalten ist.
Als Gooch jene Riffs anstimmt, die Millionen von Hobby-Luftgitarristen vor der heimischen Stereoanlage nachgeahmt haben, kommt spontaner Beifall auf. Darauf hatte man gewartet. Auf das vielleicht schnellste Musikstück seit Korsakows Hummelflug.
Danach verlässt die Band die Bühne. Eine Zugabe folgt, und prompt lässt der Regen nach. Trotzdem machen sich viele, obwohl an diesem Freitagabend noch zwei Bands auf dem Programm stehen, erschöpft auf in Richtung Zelt, Wohnmobil oder nach Hause.
Am Samstag bleibt es dagegen trocken, und das Finki ist laut Aussage der Veranstalter ausverkauft. Um 21 Uhr stehen "Guru Guru" und der leibhaftige Elektrolurch auf der Bühne und lassen es krachen. Wie jedes Jahr wieder zur Freude der Finki-Fans. Eine halbe Stunde nach drei Uhr ist dann Schluss.