Sein fast unmenschlicher Kampfgeist beim olympischen Ringerfinale 1984 in Los Angeles machte Pasquale Passarelli einst zur Legende. Doch der Erfolg brachte ihm offenbar kein Glück. Foto: dpa-Archiv
Von Alexander Albrecht
Frankenthal. Die Justizwachtmeister reißen in Saal 20 die Vorhänge auf, Kameraleute und Fotografen bringen sich in Position. Und dann kommt er, der Mann von kleinem Wuchs und mit der großen sportlichen Vergangenheit: Pasquale Passarelli, 1984 Olympiasieger im Ringen. Der damals Geschichte schrieb, weil er im Finale sage und schreibe 85 Sekunden lang mit einer Brücke den Versuchen seines japanischen Gegners standhielt, geschultert zu werden. "Es war ein Kampf um Leben und Tod", hat der heute 61-Jährige einmal über das spektakuläre Duell gesagt.
Inzwischen sind die olympischen Ruhmestaten verblasst, der einstige Held ist tief gefallen. Und steht seit Freitagmorgen als mutmaßlicher Drogendealer vor dem Frankenthaler Landgericht. Passarelli - Brille, graues Haar, roter Pulli - lächelt milde und grüßt freundlich, als ihn das Justizpersonal in Handschellen in den Saal führt.
Auf der Anklagebank nehmen noch zwei weitere Herren gesetzteren Alters Platz: der Italiener Stefano I. (63) und der Kroate Mile R. (70). Die drei könnten genauso im Café nebenan sitzen, wo Pfälzer Senioren die Sonne und ihren Cappuccino genießen.
Stattdessen müssen die Männer Staatsanwältin Gabriele Werner lauschen, die für das Verlesen der Anklage knapp eine halbe Stunde benötigt. "Spätestens Ende 2017" hätten die drei damit begonnen, eine "professionell gemachte" Indoor-Plantage mit Cannabis-Pflanzen in einem Haus in Östringen aufzuziehen. Mile R. soll zu diesem Zweck dort eingezogen sein und habe als "Gärtner" fungiert. Passarelli und Stefano I. halfen laut Staatsanwaltschaft bei der Pflanzenaufzucht und übernahmen den "Vertrieb".
Die beiden Angeklagten sollen im Januar dieses Jahres einem von der Justiz gesondert verfolgten Mann im pfälzischen Mutterstadt 1,3 Kilogramm Marihuana verkauft haben - zum Preis von "mindestens sieben Euro pro Gramm", wie Gabriele Werner ausführt. Ehe das Trio am 17. April festgenommen wurde, sei Passarelli von der Polizei observiert und dabei auch immer wieder beobachtet worden, wie er in dem Östringer "Drogenhaus" verkehrte. Weit hatte es der einstige Weltklasseringer dorthin nicht, wohnte er doch zu dieser Zeit im lediglich 20 Auto-Minuten entfernten Hambrücken.
Die Ermittler fanden dort später auf allen Etagen und in mehreren Zimmern insgesamt 850 Cannabis-Pflanzen unterschiedlicher Größe: Stecklinge, 60 bis 80 Zentimeter hohe sowie bereits erntereife. Das Haus gehört der Lebensgefährtin von Stefano I., gegen die ebenfalls ein Verfahren läuft. Die Frau ist wesentlich jünger als ihr Partner, beide haben zwei kleine Kinder.
Sie besitzt zudem zwei weitere Häuser in Weisenheim am Sand bei Bad Dürkheim. In einem wohnte das Paar, bis Stefano I. ins Gefängnis wanderte, in dem anderen hätte laut Staatsanwaltschaft eine zweite Drogenplantage entstehen können. Zumindest waren entsprechende Gegenstände entdeckt worden.
Dort, in der Östringer Immobilie sowie in der von Stefano I. in Weisenheim am Sand betriebenen Pizzeria stellte die Polizei darüber hinaus insgesamt 17 Kilo abgeerntetes und verkaufsbereites Cannabis sicher. Staatsanwältin Werner wirft den drei in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor. Das Mindeststrafmaß beträgt hier bei einer Verurteilung fünf Jahre.
Die drei Angeklagten wollen beim nächsten Verhandlungstermin am 31. Oktober aussagen. Werner geht davon aus, dass sie dann versuchen werden, die Kammer davon zu überzeugen, wenn überhaupt als Einzeltäter gehandelt zu haben.
Denn fällt der Anklagepunkt "bandenmäßig" weg, sinkt die Mindeststrafe auf jeweils ein Jahr. Nach Angaben eines Gerichtssprechers streitet Passarelli bislang die Vorwürfe ab. Nahezu ausgeschlossen ist, dass die mutmaßlichen Drogenhändler mit einer Bewährungsstrafe wieder auf freien Fuß kommen.
Den Stein ins Rollen gebracht hat offenbar ein Mann, der bei Stefano I. vor der Bandengründung mehrfach Marihuana erworben hat. Auch in schlechter Qualität, weshalb er irgendwann der Polizei einen Tipp gegeben haben soll.
Nicht dem Gericht vorgreifen wollte Staatsanwältin Werner auf die Frage, ob die Angeklagten bereits vorbestraft sind. "Keine Hinweise" hätten die Ermittler darauf, dass die drei selbst Drogen zu sich genommen haben.
Deshalb sei auch nicht - wie in solchen Fällen üblich - ein Gutachter geladen worden. In dem Prozess sind weitere fünf Verhandlungstage angesetzt, das Urteil könnte frühestens am 19. Dezember verkündet werden.
Am Freitag wurde der inzwischen 61-Jährige Pasquale Passarelli mit Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Die Kammer ordnete an, dass die Gesichter der Angeklagten für den Abdruck in den Zeitungen unkenntlich gemacht werden müssen. Foto: Venus