Die Adler-Apotheke in Remscheid wurde in den 1960er-Jahren nach Kergs Entwürfen gestaltet. Foto: Fotostudio Ute Klein Solingen
Von Carsten Blaue
Heidelberg.Der aus Luxemburg stammende Künstler Théo Kerg (1909-1993) hat in der Region Spuren hinterlassen. In der Schriesheimer Innenstadt ist einem Teil seiner Werke seit 1989 ein eigenes Museum in einer alten Scheune gewidmet, das der örtliche Kulturkreis kuratiert. In der katholischen St. Andreas-Kirche in Edingen-Neckarhausen hat Kerg den Tabernakel, den Kreuzweg, den Taufstein und das Kreuz in der Kuppel gestaltet. Und in Mannheim hat Kerg die Betonglasfenster der Bestattungshalle des Hauptfriedhofs kreiert. Weniger bekannt dagegen ist, dass der Taktilist in den Sechzigerjahren eine komplette Apotheke im nordrhein-westfälischen Remscheid gestaltet hat – außen, innen, bis hin zum Inventar. Das Ensemble existiert heute noch unverändert. Das Deutsche Apotheken-Museum im Heidelberger Schloss führt in seinem Bestand drei Standgefäße der Remscheider Adler-Apotheke im Kerg-Design. Zudem sind Packungen hauseigener Naturarzneien im Museum inventarisiert, bedruckt in der Schrift, die Kerg eigens für die Adler-Apotheke entworfen hatte.
Von Werbeplakaten zum Taktilismus
Auch die Standgefäße zieren diese Schrift. Sie erinnert an den Grafiker Kerg, der in den Dreißigerjahren vor allem Werbeplakate gestaltete, für die er auch ausgezeichnet wurde. Erst in den Sechzigerjahren entwickelte der Schüler von Paul Klee seinen Stil, den Taktilismus. Kerg verwendete dafür Mittel jenseits der Malerei und nannte das Ergebnis die "Beseelung der Materie". Das Spiel mit Licht gibt den plastischen Prägearbeiten darüber hinaus aber auch teils "mauerhaften Charakter", wie es der Kulturkreis treffend beschreibt. Schon Ende der Fünfziger hatte sich Kerg zudem der Glasgestaltung, Skulpturen und der Kunst am Bau gewidmet. Die Arbeit mit verschiedenen Materialien und Kergs Techniken finden sich in der Gestaltung der 1734 gegründeten Adler-Apotheke wieder.
Er designte auch Standgefäße und Packungen hauseigener Arzneien mit eigens entworfener Schrift. Foto: Deutsches Apotheken-Museum (2)Deren altes Gebäude wurde in der Remscheider Bombennacht im Jahr 1943 komplett zerstört. Bis 1951 wurde sie als Notapotheke weitergeführt. In diesem Jahr pachtete sie Hans Ruepp, der die Apothekerstochter Gisela Bothe im Jahr 1944 geheiratet hatte. Unter Ruepps Leitung wurde die Apotheke auf ihren Fundamenten neu errichtet. Das Ehepaar hatte Théo Kerg, so die Direktorin des Deutschen Apotheken-Museums, Elisabeth Huwer, in den Sechzigerjahren bei einem Aufenthalt in Paris kennengelernt. Daraus erwuchs eine Freundschaft. Und die Idee, die Erweiterung der neuen Apotheke nach Kergs künsterlischen Entwürfen zu gestalten. Plastiken und Glasfenster bestehen aus Betonwaben und Baccaraglas. Zum einzigartigen architektonischen Charakter tragen der Fußboden aus Marmor und weißen Kieselsteinen sowie die geschwungene Theke bei. So sprechen die Kunden in der Stadt auch von der "Kieselapotheke".
Packungen hauseigener Naturarzneien im Museum, bedruckt in der Schrift, die Kerg eigens für die Adler-Apotheke entworfen hatte. Repro: Kreutzer
Das Design "aus einem Guss" setzt sich fort in den Standgefäßen. Huwer hebt in einem Artikel der Ausgabe des Deutschen Apotheken-Museums in der Pharmazeutischen Zeitung deren sachliche Form hervor und beschreibt sie als "schlanke, elegante, weiß glänzende Zylinder mit Stülpdeckel". Die Beschriftung in Kleinbuchstaben knüpfe nahtlos an die Bauhaus-Idee an. Für die Museumsleiterin sind die Standgefäße ein Beleg für nachhaltiges Produktdesign im 20. Jahrhundert. In den Bestand des Museums kamen die drei Exponate im Jahr 1979 als Schenkung des Apothekers Hans Ruepp. Anlass war das 245-jährige Jubiläum seiner Adler-Apotheke gewesen. Die drohende Gleichförmigkeit in Ausstattungen griff der 2008 verstorbene Ruepp damals im Begleitschreiben auf: "Im jetzigen tief greifenden Wandel werden sie wohl einmal zu den letzten individuell gestalteten Gefäßen gehören."
Die Gefäße sind noch heute im Gebrauch
Musealen Charakter haben die Behältnisse mit dem außergewöhnlichen Design in der Remscheider Adler-Apotheke übrigens nicht. Bis heute sind sie nicht nur Blickfang, sondern werden auch im Alltag benutzt. Das gilt auch für Kergs Schrifttype auf den Produkten der Aar pharma GmbH & Co. KG.
Théo Kerg. Foto: ArchivDiese gründete Ruepps Sohn, der heutige Eigentümer der Adler-Apotheke, Michel Ruepp, im Jahr 1998. Zu ihren Produkten zählen unter anderem Naturpräparate zur Stimulierung des Immunsystems oder etwa zur Behandlung von Husten und Osteoporose, wie das Medikament "aar os N". Ein Exemplar von dessen blauer Verpackung gehört ebenfalls zum Bestand des Deutschen Apotheken-Museums.
Info: Infos zum Kerg-Museum in Schriesheim unter www.kk-schriesheim.de. Mehr über das Deutsche Apotheken-Museum auf dem Heidelberger Schloss unter www.deutsches-apotheken-museum.de. Die Adler-Apotheke: www.adler-apotheke-remscheid.de.