Wo fünf Anlagen stehen, könnten es auch mehr werden, befürchteten die Verwaltungschefs. Wie etwa am "Greiner Eck". Foto: Alex
Neckarsteinach. (zg/cab) "Wir sind stolz darauf, dass wir im Dreiländereck leben", sagte Claudia Felden: "Aber von einer Gemeinsamkeit in Sachen Windenergie kann keine Rede sein", so die Bürgermeisterin von Leimen. Sprich: Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz machen jeweils ihr eigenes Ding.
Rathauschefs an der badisch-hessischen Landesgrenze wollen das ändern und setzen gerade in Bezug auf Windkraftstandorte im Odenwald auf eine länderübergreifende Zusammenarbeit. Das wurde bei einem Treffen in Neckarsteinach deutlich, zu dem der FDP-Kreisvorsitzende, Alexander Kohl, eingeladen hatte. Eine Befürchtung der Runde: Die Gemeinden im Steinachtal könnten künftig von Windrädern geradezu umzingelt werden, wenn sich nichts ändert.
Werner Fischer vom Gemeindeverwaltungsverband Schönau (GVV) erinnerte daran, dass die badischen Gemeinden vom Bau des Greiner Ecks aus der Zeitung erfahren hätten. Niemand habe sie im Vorfeld informiert. Das Problem der Umzingelung sei auf hessischer Seite überhaupt nicht beachtet worden. Vier Flächen an der Landesgrenze, darunter knapp 300 Hektar am "Stillfüssel" und 130 Hektar im "Flockenbusch", seien entschieden zu viel.
Heilgkreuzsteinachs Bürgermeisterin Sieglinde Pfahl und ihr Wilhelmsfelder Kollege, Christoph Oeldorf, verwiesen auf die Resolution der Bürgermeister des Gemeindeverwaltungsverbandes in dieser Sache: "Die Bürgermeister im GVV stehen hier sehr eng zusammen - mit gleicher Argumentation." Schon anhand von Karten war zu sehen, wie sich der Bau weiterer Windkraftanlagen auf die Orte auswirken würde.
"Bis zu bis 2600 Anlagen sollen in Hessen errichtet werden", sagte René Rock. Der FDP-Fraktionschef im hessischen Landtag und Fraktionsvorsitzende der Liberalen in der Regionalversammlung Süd ergänzte: "Bis 2006 galt in Hessen klarer Konsens, dass vor allem im Wald kein Windrad errichtet werden soll. Nach Fukushima im Jahr 2011 wurde dies aufgebrochen. Es gibt kein naturschutzrechtliches Argument mehr, das in Hessen greift. Auch Denkmalschutz spielt keine Rolle mehr."
Die hessische Landesregierung messe ihren Erfolg in der Anzahl der erbauten Windräder, kritisierte Rock: "In Hessen gilt: ’Freie Fahrt für Windenergie’. Gegen alle Bedenken des Naturschutzes und der Wirtschaftlichkeit." Nicht mal die engsten Voraussetzungen würden eingehalten.
In der hessischen Regionalversammlung Süd seien die Verfahren zur Errichtung der Windparks mit dem Argument beschleunigt worden, dass die Investoren nun endlich die Projekte umsetzen können müssen, so Rock. Es sei zu befürchten, dass das langfristige wirtschaftliche Risiko die Gesellschaft tragen müsse.
In Hessen gefällt, im Ländle geschützt
Rathauschefs aus der Region trafen sich mit FDP-Fraktionschef im hessischen Landtag, René Rock (4. v. r.), in Neckarsteinach. Foto: zg
"Der Schwachwindbonus bringt hier noch einen zusätzlichen Anreiz", ergänzte der Bürgermeister von Heddesbach, Hermann Roth: "Unsere Sorge ist, dass große Flächen noch verbleiben, die bebaut werden können. Im ’Greiner Eck’ und im ’Stillfüssel’ können so noch sehr viele Anlagen zugebaut werden", befürchtete er. "Aus den 15 Anlagen können 50 werden", nickte Fischer.
Außerdem gab Felden zu bedenken, dass es 700 Einwender in der dritten Offenlage des Teilregionalplans "Windenergie" gegeben habe. Rund 2000 Einzelargumente haben sie vorgebracht, eine Verdoppelung zur ersten Offenlage. Sie fand es einfach frustrierend, dass es keine länderübergreifende Zusammenarbeit mit Hessen gibt.
"Man fühlt sich vernachlässigt, wenn kein Zeichen einer Zusammenarbeit kommt. Stellungnahmen wurden bestenfalls vom Regierungspräsidium Darmstadt nur zur Kenntnis genommen", kritisierte Oeldorf diesbezüglich. Immerhin kennen die Bürgerproteste keine Ländergrenzen, wie die Gegenwind-Initiativen zeigen. Diese unterstützen sich auch gegenseitig. Pfahl bewertete es als positiv, dass sich die Bürger wehren und für ihre Interessen klar Position beziehen.
Die Runde diskutierte auch die unterschiedlichen Modelle zur Windkraft-Planung in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg: "Das hessische Modell ist das schlechteste", meinte Rock. Denn Ausschlussgebiete seien nichts wert, wenn Abweichungsverfahren sie schnell aushebeln könnten.
Naturschutzgebiete oder Waldbiotope würden ebenfalls keine Rolle spielen. Der Baum auf hessischer Seite werde gefällt, der Baum ein Meter weiter auf badischer Seite sei geschützt. Ein weiteres Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Länder im Naturschutz agieren.
Felden schlug daher gemeinsame Treffen der Planungsausschüsse der Metropolregion Rhein-Neckar und der Regionalversammlung Hessen Süd vor - nicht nur zum Thema Windkraft. Rock unterstützte diese Idee. Er werde sich dafür einsetzen, dass Stellungnahmen auch auf baden-württembergischer Seite berücksichtigt werden: "Ein paar Windräder sind es nicht wert, dass die Zusammenarbeit gefährdet wird."
Fischer und seine Verbandskollegin, Marion Sebastian, betonten schließlich nochmals, nicht generell gegen Windkraft zu sein. Gegen den massiven Ausbau in der Region werde man sich aber wehren. Darin waren sie sich auch mit den Bürgermeistern einig. Länderübergreifend.