Von Stefan Kern
Schwetzingen. Es ist vollbracht: Monatelang wurde der Auftakt der 350. Schwetzinger Spargelsaison vorbereitet. Vom jetzt schon legendären Spargel-Bananen-Fassadenbild des berühmten Sprayers Thomas Baumgärtel über diverse Kunstausstellungen rund um das königliche Gemüse bis hin zum feierlichen ersten Spargelstich, unter anderem mit Spargelkönigin Janine I., Drei-Sterne-Koch Joachim Wissler und dem baden-württembergischen Landwirtschaftsminister Peter Hauk: Die Schwetzinger ließen nichts aus, um ihr königliches Gemüse auf den Thron zu heben. Das vergangene Wochenende war ein riesiges Fest, das selbst dem römischen Schlemmer-Senator Lucullus zu großer Ehre gereicht hätte.
Direkt vor dem Spargelanstich weihte der Minister gemeinsam mit Oberbürgermeister René Pöltl einen Spargellehrpfad ein. Im Norden der Stadt, parallel zur ehemaligen B 36 auf Höhe des Friedhofs, finden sich nun 14 Tafeln, auf denen die Spargel-Geschichte seit 1668 - Anbau, Vermarktung, die sieben Spargelhöfe, die Spargelhoheiten sowie die zahlreichen Aktivitäten rund um den Spargel - anschaulich thematisiert werden. Es ist eine kleine aber informative Reise durch den Werdegang des Spargels, ausgehend vom Ende des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648) und die dabei entstandene Kultur und Wirtschaft.
Bei Letzterem offenbaren sich sehr eindrücklich auch die Anfänge der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtungen: Die Eisenbahn ab 1870 und die fünf Jahre später gegründete Konservenfabrik Max Bassermann machten aus dem regional angebauten Spargel einen Exportschlager.
Bei dem kleinen Spaziergang entlang dieses Lehrpfads entsteht ein facettenreiches Bild des Spargels, der seit genau 350 Jahren untrennbar mit der Geschichte der kurfürstlichen Residenz verwoben ist. Der Spargel ist hier, das wird sehr deutlich, weit mehr als nur ein Lebens- und Genussmittel. Für Schwetzingen und seine Menschen ist er offenbar ein fundamentaler Teil der Identität.
Oberbürgermeister und Landwirtschaftsminister betonten darüber hinaus, wie wichtig es ist, dass die Bevölkerung über die regionalen Spezialitäten Bescheid weiß. Der heimische Anbau habe nur dann eine Perspektive, wenn auch die Menschen von diesen Produkten Kenntnis hätten: "Wissen schafft Identität, und Identität schafft Akzeptanz und dann auch Umsatz", so Hauk. Denn am Ende gehe es darum, die landwirtschaftliche Struktur im Land zu erhalten. In Schwetzingen erfuhr diese Struktur in den vergangenen Jahrzehnten einige Umbrüche. Von den ehemals 16 Spargelhöfen in der Stadt sind mittlerweile nur noch sieben übrig.
Aber diese sieben verbliebenen Höfe bauen seit Jahrzehnten auf der rund 25 Hektar großen Anbaufläche einen über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Spargel an. "Dieser Spargel", so Hauk, "das weiß man landesweit, ist die Nummer eins in Deutschland." Und: "Schwetzinger Spargel ist ein Symbol für den Genuss." Hier könne man förmlich spüren und schmecken, dass Baden-Württemberg mehr sei als ein Land der Tüftler und Erfinder. "Unser Ländle ist auch das Land des kurfürstlichen Spargels und des badischen Savoir-vivre."
Hauks Worte wurden beim feierlichen Spargelanstich auf dem Spargelhof Renkert mit Leben gefüllt: Im Beisein der beiden Sterneköche Joachim Wissler und Tommy R. Möbius, der Mediterranen Kochgesellschaft, der Bäckerei Utz, der Metzgerei Back und den Tischmacher-Weinen erhielt der frisch geerntete Spargel auch seinen kulinarischen Glanz.
Wer Spargel liebt, wähnte sich hier in seinem persönlichen Paradies. Und dieses Paradies währt noch bis zum Johannistag am Sonntag, 24. Juni, dem offiziellen Ende der 350. Schwetzinger Spargelsaison.