Von Stefan Kern
Schwetzingen.Auch Joerg Steve Mohr leidet unter den Folgen der Corona-Pandemie für die Kultur und sein "Theater am Puls". Doch der Intendant ist auch kämpferisch. Sein Haus werde eine Zukunft haben, sagt er. Und er ist froh über die Unterstützung der Stadt.
Wie geht es Ihnen?
Mir geht es ganz okay. Solange ich arbeiten, das heißt in meinem Fall proben kann, ist für mich alles im grünen Bereich. Aber natürlich fühlt es sich nicht schön an, das eigene Theater im Pausenmodus erleben zu müssen. Das macht mir vor allem nachts, wenn ich zur Ruhe komme, zu schaffen. Aber, und das meine ich gar nicht so positiv, man gewöhnt sich dran.
Die meisten Menschen sind jetzt von der Kultur abgeschnitten. Was macht das mit uns?
Also erst einmal sind die Menschen nicht komplett von der Kultur abgeschnitten. Ein Buch lesen, Musik hören, eine Theateraufführung streamen oder einfach nur einen guten Film im Fernseher sehen, ist für mich Kultur erleben. Was fehlt, ist das gemeinsame Erleben. Es macht schon einen Unterschied, ob man ein Konzert, ein Theaterstück oder einen Film alleine oder mit anderen zusammen sieht. Denn es können soziale Dynamiken entstehen, die dem Theaterstück oder der Musik eine Tiefe verleihen, die im Digitalen unmöglich ist. Gelingende Kultur braucht auf Dauer die Präsenz in Raum und Zeit. Ohne diese Präsenz, das stimmt schon, würde die Kultur in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft wohl verkümmern.
Sie sind auch an Schulen tätig. Wie wichtig ist Kulturarbeit für Schüler?
Theaterpädagogik bewegt sich mit den Schülern in ihren sozialen Netzwerken und offenbart ihre Dynamiken. Auf eine gewisse Art wird das Ich im Klassenverband verortet und reflektiert. Es hilft den Schülern zum Beispiel, ihren Anteil an Dynamiken in der Klasse zu erkennen. Gerade sozial schwierige Phänomene wie Ausgrenzung und Mobbing bekommen hier einen Rahmen, der es den Schülern erlaubt, einen konstruktiven Umgang damit zu finden. Aber ich befürchte jetzt auch nicht, dass in diesen Wochen alles zusammenbricht. Der Lockdown wird ja nicht ewig gehen. Wichtiger wäre, dass die Schule ihre grundsätzlichen Probleme angeht. Wirklich im 21. Jahrhundert angekommen ist sie noch nicht. Und das hat mit Corona nichts zu tun.
Welchen Stellenwert hat Kultur, hat das Theater für Gesellschaften?
Kultur ist eine Instanz der Selbstvergewisserung, Reflexion und Empathie. Im Grunde ist sie das, was Gesellschaften ausmacht. Gerade das Theater ermöglicht einen tiefen und auch sehr wuchtig wirkenden Blick auf das Leben anderer und stellt Fragen an das eigene Ich. Dass eigene Ich wird ja vor allem im Kontext des Gegenübers sichtbar. Da sind Theater für mich magische Orte, die Türen in andere Welten und andere Sichtweisen eröffnen. Und nur wenig ist für Gesellschaften, die den Anspruch haben, anständig zu sein, so wichtig wie der offene Blick auf das Leben der anderen und die andere Sicht.
Finden Sie, dass die Kultur seitens der Politik genug unterstützt wird?
Es gibt in allen Parteien Menschen, denen die Bedeutung von Kultur klar ist. Aber sie sind wenige und auch nicht besonders laut. Auf jeden Fall schaffen sie es nicht, sich ausreichend Gehör zu verschaffen. Bedeutung erlangt Kultur bei den meisten Politikern nur in Sonntagsreden. Und so bleibt es dabei, dass die Belange der Kultur in der Bundeshauptstadt wie in den Landeshauptstädten meist zu kurz kommen. Das gilt, das ist mir wichtig, nicht für Schwetzingen. Oberbürgermeister René Pöltl und dem Gemeinderat liegt Kultur am Herzen, und sie wissen auch, was sie für die Stadt bedeutet. Um es so auszudrücken: Ohne Kultur wäre Schwetzingen keine kurfürstliche Residenz. Oder um es in Zahlen auszudrücken: Das Land unterstützte das "Theater am Puls" mit 15.000 Euro im Jahr. Die Stadt Schwetzingen gibt 131.000 Euro. Dabei müsste das Land, wenn es die eigenen Förderrichtlinien ernst nehmen würde, mehr geben.
Was planen Sie gerade?
Wir können fast jederzeit mit mehreren Stücken, wie "Judas", "Goldener Topf", "Oskar und die Dame in Rosa", Hamlet" und "Fettes Schwein" an den Start gehen. Mein Traum wäre als Starttermin übrigens der März.
Sind Sie zuversichtlich, dass das Bühnenherz des "Theater am Puls" bald wieder zu schlagen anfängt?
Absolut! Das "Theater am Puls" wird eine Zukunft haben.
Wie wichtig ist der Freundeskreis?
Der Freundeskreis ist für das Theater superwichtig. Jedes Jahr überweist er zwischen 13.000 bis 15.000 Euro. Das hilft enorm. Auch ideell ist es wichtig, diesen Freundeskreis an seiner Seite zu wissen.
Wird die Welt der Kultur nach der Pandemie eine andere sein?
Auf lange Sicht glaube ich nicht wirklich an nachhaltige Veränderungen. Die Kultur in ihrer ganzen Breite wird wieder Fahrt aufnehmen. Anfangs werden sich nicht alle in Theater oder Konzertsäle trauen. Doch mit der Zeit werden sie sich wieder füllen. Auch wird das Programm in den Theatern zu Beginn nicht ganz aktuell sein. Viele Theater proben gerade auf Halde und kommen dann mit Stücken auf die Bühne, die schon ein paar Monate alt sind. Doch das wird nur ein kurzfristiges Phänomen sein. Schon bald werden die Theater wieder die Spiegel unseres Ich und unserer Gesellschaft sein.