Kostenlos sollen künftig an Wochenenden die Straßenbahnen innerhalb des Heidelberger Stadtgebiets rollen. Foto: Rothe
Von Alexander Albrecht und Carsten Blaue
Rhein-Neckar. Mit Argusaugen verfolgen der Rhein-Neckar-Kreis und die RNV, wie Heidelberg mit seinem Klimaschutz-Aktionsplan die Verkehrswende schaffen will. So hat die Stadt vor, am Wochenende das kostenlose Fahren mit Bussen und Bahnen einzuführen. Drängt sich die Frage auf, wie es geregelt wird, wenn ein Fahrgast in Heidelberg einsteigt und beispielsweise mit der RNV-Linie 5 (früher: OEG) nach Weinheim fährt? Müsste er dann seine Fahrt am letzten Haltepunkt in der Uni-Stadt unterbrechen und ein neues Ticket lösen?
Oder geht es nach "Waben"? Sprich: Muss er schon in Heidelberg eine "normale" Fahrkarte lösen? RNV-Sprecher Moritz Feier verweist auf eine "laufende Prüfung" mit dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN). Denkbar sei, dass der Fahrgast in diesem Fall – wie bereits angeboten werde – schon vor Fahrtantritt ein Anschlussticket löst. "Entscheidend wird sein, wie die Tarifberechnung außerhalb Heidelbergs ansetzt", so Feier auf RNZ-Anfrage.
Ebenso unklar ist, was das Projekt kostet. "Wir stehen mit dem VRN in Kontakt, können allerdings noch keine seriösen Zahlen nennen", sagt Feier. Die Sache ist kompliziert, da gegebenenfalls nicht nur die RNV-Linien betroffen sind, sondern auch die S-Bahn und Regionalbusse. "Außerdem sind auch indirekte Einnahmenverluste zu berücksichtigen", erklärt der Sprecher und nennt mögliche Einbußen bei Zeitkarten oder Kombitickets für Veranstaltungen.
Der Rhein-Neckar-Kreis legt indes Wert darauf, dass Maßnahmen des Heidelberger Aktionsplans nicht einseitig auf die anderen Partner innerhalb des VRN umgelegt werden können. "Grundsätzlich sind solche Mehrkosten von der Stadt zu finanzieren", sagt Kreissprecherin Silke Hartmann. Gleichwohl gebe es seit Jahren gute Kooperationen, Gespräche und Kontakte zu Heidelberg.
Deshalb sei der Kreis zuversichtlich, dass diese in den nächsten Jahren noch intensiviert werden könnten. RNV-Sprecher Feier geht davon aus, dass die Fahrgastzahlen bei einem kostenlosen Nahverkehr am Wochenende nur um etwa zehn Prozent steigen und somit eher gering ausfallen würden. Neben Einnahmeausfällen befürchtet die Verkehrsgesellschaft, dass das Jobticket an Attraktivität verlöre, sieht es doch gerade an Samstagen und Sonntagen die Gratis-Mitnahme von bis zu vier Personen vor.
Die Skepsis des RNV, so Feier, rühre auch daher, dass der Investitionsbedarf im öffentlichen Nahverkehr in den nächsten Jahren sehr hoch sei. So würden neue Straßenbahnen und Busse mit alternativen Antrieben beschafft und Patrick Henry Village mit einer neuen Straßenbahnlinie an das Heidelberger Stadtgebiet angebunden, dazu komme der Neubau des Betriebshofs.
"Letzten Endes handelt es sich um eine politische Entscheidung", sagt Feier, "die wir, egal wie sie ausfällt, bestmöglich umsetzen werden". Der "Gratis-ÖPNV" könne durchaus sinnvoll sein, meint Silke Hartmann, um möglichst viele Menschen zu animieren, in kleinere oder größere Städte mit guten Einkaufsmöglichkeiten und Freizeitangeboten zu fahren – aber eben auch nur dort, weshalb diese Kommunen die Mehrausgaben dafür übernehmen müssten.
Nicht kostenlos, aber stark verbilligt werden seit Anfang 2019 in Mannheim und Ludwigshafen ÖPNV-Tickets angeboten. Der Bund finanziert zwei Jahre lang den Modellversuch. In den ersten zehn Monaten sind die Fahrgastzahlen in den beiden Städten lediglich um sechs Prozent gestiegen. Sehr viel höher, um etwa 25 Prozent, seien die Zuwächse auf Linien gewesen, in denen der Takt verdichtet wurde, betont Feier.
Daher fühlt sich die RNV in ihrer Strategie bestätigt, den Nahverkehr in der Region gemeinsam mit den Städten konsequent auszubauen. "Aus unserer Sicht kann die Verkehrswende nur dann gelingen, wenn wir auch das ÖPNV-Angebot durch neue Strecken und dichtere Taktungen verbessern", ist Feier überzeugt.
Ausbau und Qualität haben auch für den Rhein-Neckar-Kreis Vorrang. "Aufgrund der Pendlerströme sind die Kontakte zwischen dem Kreis und Heidelberg besonders eng", sagt Silke Hartmann. Dies betreffe insbesondere neue Buslinien und den Ausbau von Bahnstrecken im Rhein-Neckar-Kreis mit Anbindung an die Großstadt.
Wie Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner stehen auch der Kreis und die RNV einem 365-Euro-Ticket skeptisch gegenüber. Hartmann spricht von gravierenden Änderungen bei der Tarifstruktur und erheblichen Einnahmeverlusten. Das Ticket ließe sich nur durch Zuschüsse von Bund und Land finanzieren. Und es würde allein "eher nicht" zu einem ganz großen Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn führen.
Ob eine ebenfalls in Heidelberg diskutierte Nahverkehrsabgabe für alle Einwohner bei gleichzeitigem Erhalt einer Jahreskarte für den ÖPNV überhaupt rechtlich zulässig ist, sei umstritten, teilt Hartmann mit. Hier müsste das Land zunächst eine gesetzliche Grundlage schaffen. Weiter fördern will der Rhein-Neckar-Kreis das Jobticket. Unter anderem dafür hat er kürzlich eine Stabsstelle für Mobilität und Luftreinhaltung geschaffen, die Betriebe unterstützt. Für die Mitarbeiter im Landratsamt gibt es das Jobticket-Angebot bereits.