Prozess um BASF-Unglück

Warum es jetzt in die Verlängerung geht

Tödliche Explosion: Frankenthaler Richter wollen einen weiteren Tüv-Gutachter laden - Befangenheitsantrag abgelehnt

01.07.2019 UPDATE: 02.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 14 Sekunden

Zwei weithin sichtbare Rauchsäulen zogen nach dem Unglück über Ludwigshafen und die Region. Foto: Gerold

Von Alexander Albrecht

Frankenthal/Ludwigshafen. Der Prozess um die Explosionskatastrophe bei der BASF vor dem Frankenthaler Landgericht zieht sich. Nicht wie erwartet in der vergangenen Woche, sondern frühestens im August wird das Urteil gegen den Angeklagten verkündet. Die RNZ erklärt die Hintergründe und beantwortet die wichtigsten Fragen.

> Warum dauert das Verfahren länger? Nebenklägervertreter Alexander Klein stellte vor Kurzem nachträglich einen Befangenheitsantrag gegen den Störfallexperten des Tüv Süd. Dieser hatte sein Gutachten bereits am 20. März der 3. Strafkammer präsentiert.

> Was wirft Klein dem Sachverständigen vor? Der Anwalt fand heraus, dass die BASF den Gutachter nach der Katastrophe für seine Analyse ihrer Maßnahmen zum Schutz vor Störfällen selbst bezahlt hat. Konkret sollte er untersuchen, ob die Leitungen im Rohrgraben und die Anlagen vor dem Unglück im Oktober 2016 dem üblichen Stand der Technik entsprachen und ob die Gefahrenabwehr des Konzerns funktioniert hat. Der angeklagte Mitarbeiter einer Fremdfirma hatte statt einer leeren Propylen-Pipeline eine mit leicht entzündlichem Butengemisch angeflext und damit das schwere Unglück mit fünf Toten ausgelöst. Das steht nach der Expertise eines anderen Sachverständigen für Brandursachen zweifelsfrei fest.

> Wie hatte sich der Tüv-Mann vor Gericht geäußert? Er vertrat die Ansicht, dass der Rohrleitungsgraben im Nordhafen damals "im Wesentlichen" den üblichen Sicherheitsstandards entsprochen habe. Und: Die Pipelines seien "sehr übersichtlich" angeordnet gewesen, die Gefahr einer Verwechslung der Rohre schätzte der Chemiker aufgrund "ausreichender Kennzeichnungen" durch Edding-Striche und Schilder als minimal ein. Erst auf hartnäckige Nachfragen der Anwälte, Ankläger und Richter empfahl der Gutachter, die Leitungen künftig mit Farbe zu markieren.

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Tatsächlich werden die Rohre inzwischen nicht mehr nur mit Filzstiften, sondern mit Banderolen gekennzeichnet. Der Sachverständige riet der BASF dazu, hitzeempfindliche Ethylen-Leitungen besser zu isolieren. Eine solche war bei der Katastrophe durch den Brand am Nebenrohr mit dem Butengemisch gerissen, herumgewirbelt und mit ihrem tonnenschweren Gewicht auf einen Einsatzwagen der Werkfeuerwehr gekracht. Vier Feuerwehrmänner und der Matrose eines Schiffs kamen in der Folge ums Leben.

> Was forderte Klein? Weil er den Tüv-Experten für einen parteiischen "Totalausfall" hält, der die Fehler der BASF zu beschönigen versucht habe, verlangte Klein, einen unabhängigen Gutachter mit der Aufarbeitung des Unglücks zu beauftragen. Das hätte Monate gedauert. Klein gibt dem Chemieriesen eine Mitschuld an der Katastrophe, vor Gericht vertritt er die Eltern eines getöteten Feuerwehrmanns.

> Wie hat das Gericht entschieden? Die Richter wiesen den Befangenheitsantrag ab. Dass die BASF das Honorar des Gutachters übernommen habe, sei im Gesetz vorgesehen. Abgesehen davon wählte nicht das Unternehmen, sondern die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd in Neustadt - teilweise vergleichbar mit den Regierungspräsidien in Baden-Württemberg - den Mann aus. Die von dem Tüv-Experten getroffenen Schlüsse seien "diskussionswürdig", räumte der Vorsitzende Richter Uwe Gau ein, was aber bei juristischen Auseinandersetzungen nicht ungewöhnlich sei.

Gab sich Klein damit zufrieden? Nein. Der Anwalt erinnerte an einen Großbrand in einem Kölner Petrochemiewerk 2008. Zuvor war dort bei Wartungsarbeiten Ethylen freigesetzt worden. Schon damals hätten - ausgerechnet - Tüv-Experten Konsequenzen gefordert. Dass ihr Kollege elf Jahre später in Frankenthal sagte, die Wucht der explodierenden Ethylen-Fernleitung habe ihn überrascht, konnte Alexander Klein nicht nachvollziehen.

Wie geht es weiter? Das Landgericht will auf Betreiben Kleins einen weiteren Tüv-Mitarbeiter laden, der Spezialist für Fernleitungen ist und die zerborstene Pipeline in Ludwigshafen untersucht hat. Gehört worden ist er bislang noch nicht. Das kann jedoch erst nach der Sommerpause im August nachgeholt werden. In Rheinland-Pfalz beginnen bereits am heutigen Montag die großen Ferien.

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