Von Julia Giertz
Stuttgart/Osterburken. Sie sind bei schweren Autounfällen zur Stelle, bringen Notfallpatienten nach der Erstversorgung zu einer Spezialklinik oder verlegen Covid-19-Kranke: Notärzte in der Luftrettung sind zunehmend unverzichtbar und in der Corona-Krise besonders gefragt. Anästhesistin Gerhild Gruner ist drei bis vier Mal im Monat mit Christoph 111 vom Baden-Airport aus unterwegs.
Im Frühjahr transportierten sie und ihr Team im Helikopter der DRF-Luftrettung viele schwer kranke Corona-Patienten aus Frankreich zu deutschen Kliniken und nach erfolgreicher Versorgung wieder zurück. "Seit zwei Wochen nehmen Covid-Transporte wieder zu", hat die Intensiv- und Notfallmedizinerin beobachtet.
Nach Einschätzung des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM) lässt die Organisation der Luftrettung durch das Land zu wünschen übrig. Es hat auf Grundlage einer vom Innenministerium in Auftrag gegebenen Analyse Vorschläge geliefert, damit Notfallpatienten in allen Regionen des Landes rasch und gut versorgt werden.
Das Ministerium von Thomas Strobl (CDU) will die Empfehlungen umsetzen und hat dafür bereits grünes Licht von den Krankenkassen, den Kostenträgern im Rettungswesen, bekommen. "Wir gehen derzeit davon aus, dass abhängig vom jeweiligen Standort die Umsetzung der Vorschläge einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren in Anspruch nehmen wird", erläutert ein Sprecher Strobls.
Helikopter haben den Vorteil, dass sie längere Strecken schnell überwinden können. Bei Notfallpatienten können Minuten über Leben und Tod entscheiden. Ziel der Neuordnung ist, dass alle potenziellen Notfallorte tagsüber innerhalb von 20 Minuten und nachts innerhalb von 30 Minuten nach Alarmierung via Luft erreicht werden können.
Für die Diagnosen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Schädel-Hirn-Trauma, wird eine Frist von bis zu 60 Minuten bis zum Erreichen einer geeigneten Versorgungseinrichtung empfohlen. Schwächen der Luftrettung sehen die Wissenschaftler unter anderem im Neckar-Odenwald-Kreis. Für diese Region soll ein neuer Standort bei Osterburken gefunden werden. Notarzt Harald Genzwürker von der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Neckar-Odenwald-Kliniken würde sich darüber sehr freuen. "Wir haben weiße Flecken, wo alle gleich weit entfernt sind", sagt er.
Er gibt mit Blick auf die Neuordnung aber zu bedenken, dass Verlagerungen an neue Standorte nicht immer Begeisterung bei der Bevölkerung auslösen. "Es gibt Kritik, wenn für den Landeplatz Bäume gefällt oder Tankstationen installiert werden." Auch Beschwerden über Lärm seien nicht selten. "Die Akzeptanz für die Luftrettung ist groß, aber die Leute regen sich auf über den Einsatz des Hubschraubers nebenan – anstatt sich zu freuen, dass sie nicht selber drin liegen."