"Wir sollten achtsam bleiben"
Neckar-Odenwald-Kreis. (rüb/schat) Sind wir über den Berg? Nur vier Neuinfektionen in den letzten 14 Tagen lassen einen durchaus optimistisch nach vorn blicken. Zu optimistisch? Wir haben bei der Leiterin des Gesundheitsamts im Landratsamt in Mosbach, Dr. Martina Teinert, nachgefragt und eine deutliche Botschaft erhalten: "Achtsam bleiben!"
Es gibt erfreulicherweise kaum noch Neuinfektionen im Landkreis: Haben wir es geschafft, oder ist es zu früh für eine Entwarnung?
Um dazu eine Aussage zu machen, ist es noch zu früh. Wir wissen einfach noch zu wenig über das Virus, zum Beispiel welchen Anteil an den fallenden Zahlen die getroffenen Maßnahmen und das Verantwortungsbewusstsein der Menschen haben und was jahreszeitlich bedingt ist. Oder es gibt Gründe, die wir jetzt noch nicht kennen. Wir sollten achtsam bleiben.
Dr. Martina Teinert. Foto: privatAngesichts der vielen Lockerungen ist zu beobachten, dass es viele Menschen mit den Verhaltensregeln wie Abstand halten nicht mehr so genau nehmen. Wie ist Ihre Einschätzung?
Covid-19 breitet sich in den Regionen langsamer aus, in denen ein höheres gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein herrscht, als in Gegenden, in denen das Gemeinwohl weniger wichtig ist. Dieser Zusammenhang zwischen sozial verantwortlichem Handeln und der Ausbreitung des Virus zeigt sich nicht nur in Deutschland, sondern etwa auch in Italien oder Schweden. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie eines Teams von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) in Kooperation mit den Universitäten Mannheim und Bonn. Die neuen Ausbrüche in Deutschland, wie zuletzt in Göttingen, scheinen dies auch im negativen Sinne zu bestätigen. Diese Verantwortung, die wir alle tragen, um das Virus einzudämmen, müssen wir uns immer wieder bewusst machen. Bisher ist uns das in unserem Kreis sehr gut gelungen.
Ist es angesichts zurückgehender Zahlen und offenbar existenter Kapazitäten angebracht, Tests bedarfsorientiert durchzuführen? Also etwa für die in der Pflege Beschäftigten?
Regierung und Krankenkassen diskutieren dies gerade. Wir waren sehr dankbar, dass das Land die Kosten für eine einmalige flächendeckende Testung aller Bewohner und Mitarbeiter von Heimen in unserem Kreis übernommen hat.
Laut der Studie der Heidelberger Uniklinik spielen Kinder unter zehn Jahren bei der Verbreitung der Infektion keine große Rolle. Deckt sich dies mit den Erfahrungen bei uns im Landkreis? Wie viele der Infizierten waren Kinder?
Die Heidelberger Uniklinik arbeitet weiter daran, die Verbreitungsrate durch Kinder und Jugendliche zu erforschen. Für diesen Zweck haben wir auch unsere Daten, natürlich anonymisiert, weitergegeben und sind gespannt auf die Ergebnisse. In unserem Kreis waren insgesamt fünf Kinder unter zehn Jahren an Covid-19 erkrankt.
Haben Sie angesichts der anstehenden Lockerungen im Bereich der Kindergärten und Schulen ein gutes Gefühl, oder überwiegt die Sorge vor einer zweiten Welle?
Die Kindergärten und Schulen langsam wieder zu öffnen, ist eine politische Entscheidung, in die die bisher gewonnenen Erkenntnisse aus der Wissenschaft mit einbezogen werden. Es ist aber sicherlich richtig, diese Öffnungen nur Schritt für Schritt zu vollziehen. Unsere bisher gemachten Erfahrungen mit den Verantwortlichen von Schulen und vorschulischen Einrichtungen zeigen, dass hier mit großer Umsicht und hohem Verantwortungsbewusstsein vorgegangen wird. Dies stimmt mich zurzeit eher optimistisch.
Letzte Frage: Die Bundesregierung hat die Reisewarnungen aufgehoben. Was raten Sie den Bürgern: Urlaub in Deutschland, oder kommt auch eine Auslandsreise in Frage?
Als europäisch denkender Mensch würde ich eine Reise an einen Ort mit vergleichbaren Infektionszahlen wie in meinem Heimatkreis und vergleichbarer Medizin vom Risiko für vertretbar halten, natürlich unter Einhaltung der am Urlaubsort und im Urlaubsland geltenden Regeln. Aber gerade hatte ich ein paar freie Tage und bin mit der Familie einige Etappen des Neckarsteigs gewandert. Wir sind noch immer begeistert, wie man auch hier tolle Ferien, sogar in nächster Nähe verbringen kann.