"Faschistoid"-Skandal

Konzert von Xavier Naidoo in Ladenburg "kaum vorstellbar"

Sänger beschimpfte Ladenburgs Bürgermeister als "faschistoid" - Widerstand in Ladenburg wächst

06.04.2020 UPDATE: 07.04.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 25 Sekunden
Xavier Naidoo bei einem Auftritt 2017. Foto: Gerold

Von Axel Sturm

Ladenburg. Vor knapp sieben Jahren war die Welt in Ladenburg noch in Ordnung – und die Beziehung zwischen der Stadt und dem im nahen Wallstadt aufgewachsenen Xavier Naidoo von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Der begnadete Soulsänger begeistert beim Konzert auf der Festwiese 15.000 Fans. Kurz vor dem Auftritt hat er sich hinter der Bühne im Goldenen Buch der Stadt Ladenburg verewigt. Und freut sich in den Zeilen sehr auf das "Fäscht dahäm".

Schon nach seiner Rede vor Reichsbürgern in Berlin sowie einer Reihe von rechtspopulistischen, verschwörungstheoretischen und homophoben Aussagen hatte das Verhältnis zu seiner Kurpfälzer Heimat Risse bekommen. Als die Söhne Mannheims 2017 den Song "Marionetten" veröffentlichten, in dessen von Naidoo verfasstem Text unverhohlen zur Gewalt gegen Politiker aufgerufen wird, "zitiert" Oberbürgermeister Peter Kurz das Musikerkollektiv zum Krisengipfel. Der Sänger zeigt sich von den mahnenden Worten des Mannheimer Stadtoberhaupts unbeeindruckt und geht weiter seinen eigenen (Irr)Weg. Zuletzt bugsierte er sich mit flüchtlingsfeindlichen Aussagen aus der Jury von "Deutschland sucht den Superstar".

All das hat man natürlich auch in Ladenburg verfolgt. Soll Naidoo doch am 15. August wieder auf der Festwiese auftreten. Es regt sich allerdings Widerstand: von großen Teilen des Gemeinderats, vor allem der Grünen und der SPD, und der Ladenburger Initiative "Wir gegen Rechts". Auch Bürgermeister Stefan Schmutz (SPD) zeigt sich skeptisch, verweist aber auf einen gültigen Vertrag zwischen der Stadt und dem Hirschberger Konzertveranstalter Demi Promotion.

Naidoos Reaktion: In einem weiteren Online-Clip wirft er den Sozialdemokraten vor, "in Richtung Faschismus" zu tendieren. Zu Schmutz meint er: "Isch weeß net, isch find des faschistoid, wenn man sagt, jemand darf net ufftrete irgendwo, oder?" Vielleicht fällt das Konzert wegen der Corona-Pandemie ohnehin aus, das Naidoo-Gastspiel ist aber auch aufgrund der politischen Einstellung des Sängers fast undenkbar.

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Der falsch beschuldigte Schmutz parierte den unsachlichen Angriff des Barden souverän und ließ sich zu keinerlei Provokationen hinreißen. Nur so viel gab er am Montag preis: Ein Auftritt Naidoos könne er sich kaum vorstellen. Ansonsten gelte weiterhin der Vertrag über die Nutzung der Neckarwiese für das Konzert.

Xavier Naidoo trug sich 2013 ins Goldene Buch der Stadt Ladenburg ein. Foto: Sturm

Überhaupt will sich Schmutz vielmehr auf "Corona" konzentrieren. "Wir befinden uns deutschlandweit derzeit in einer absoluten Ausnahmesituation. Meine volle Aufmerksamkeit gilt demzufolge der Wahrung der Gesundheit der Bürger in Ladenburg sowie der Arbeitsfähigkeit der Verwaltung – und nicht den jüngsten Entgleisungen von Herrn Xavier Naidoo", so der Bürgermeister gegenüber der RNZ.

"Der Kinnladen heruntergefallen" ist dagegen Demi-Promotion-Geschäftsführer Dennis Gissel. "Wie kann man sich nur so äußern, so etwas nenne ich unprofessionell", sagte Gissel dieser Zeitung. Zudem habe Naidoo offenbar etwas falsch verstanden. "Bürgermeister Schmutz hat nie gesagt, dass er Naidoo nicht auftreten lässt", betonte Gissel.

Das Konzert sei bislang aber noch nicht abgesagt. Gissel hat allerdings auch nicht verstanden, was Naidoo in dem Clip mit der Aussage meint "Macht euren Sch... doch alleine und gebt mir mein Geld zurück". Auch der Veranstalter verweist auf den Vertrag, der müsse "eigentlich eingehalten" werden. Gissel sagt aber, dass er sich bereits mit einem "Plan B" beschäftigt. Schließlich gehe es auch um die Zukunft der Agentur und um die Arbeitsplätze der Mitarbeiter. Dem Landtagsabgeordneten und Ladenburger SPD-Chef Gerhard Kleinböck sind die "kruden Verschwörungstheorien à la Naidoo" nicht neu.

Die Rhetorik des Künstlers erinnere ihn an Redebeiträge von AfD-Abgeordneten im Landtag. Kleinböck gibt die Losung "Wehret den Anfängen" aus. Die Genossen in eine faschistische Ecke zu stellen, zeuge von wenig Geschichtskenntnissen. "Nicht alle haben in der Schule gut aufgepasst – daher muss man gelegentlich Nachhilfeunterricht mehrfach erteilen", meint der ehemalige Rektor einer kaufmännischen Berufsschule in Hessen.

Die Ladenburger SPD vertrete eine klare Position. "Kein Auftritt auf der Festwiese". Falls man das Konzert aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nicht verhindern könne, müsse es die Aufgabe aller demokratischen Kräfte sein, gegen Naidoo zu demonstrieren. Kleinböck rechnet dafür mit einem "breiten Bündnis".

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