Von Andreas Hanel
Neckar-Odenwald-Kreis. Wer hat die geheimnisvollen Spuren im Schnee hinterlassen? War es das Christkind? Oder vielleicht doch eher die "nette Frau, die ganz, ganz früh, tagaus, tagein bei jedem wirft die Zeitung ein"? Das fragt sich unsere Leserin Claire Baumann aus Mudau im Neckar-Odenwald-Kreis in ihrem Weihnachtsgedicht "Tannenduft", das sie uns geschickt hat.
"Ich bin sicher kein Christkind", sagt Diana Edens lachend, die in Mudau tagaus, tagein die Rhein-Neckar-Zeitung austrägt. Doch nett ist sie auf jeden Fall und Geschenke – zwar nicht kostenlos, aber dafür umso wertvoller – in Schrift und Bild bringt sie auch. Und zwar nicht nur an Weihnachten, sondern das ganze Jahr über, sechsmal in der Woche.
Sie ist eine der 750 Austrägerinnen und Austräger, die die verschiedenen Ausgaben der Rhein-Neckar-Zeitung in über 70.000 Haushalte bringen. Und das bei Wind und Wetter und zu jeder Jahreszeit. Hinzu kommt, dass "die Zeitungen bis 6 Uhr raus sein müssen", wie Edens berichtet. Und in einige Haushalte liefert sie auf Wunsch die Zeitung sogar noch früher. "Manche, die früher zur Arbeit fahren müssen, wollen die Zeitung schon um 5 Uhr haben."
Eine Nachteule darf man in diesem Job also nicht sein – für die gibt es ja auch das E-Paper am Vorabend ab 21 Uhr. Eher gilt das Motto: "Der frühe Vogel fängt den Wurm." Denn für die alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen geht es morgens um 4 Uhr los, nachdem gegen 2 Uhr der Nachtfahrer die druckfrischen Zeitungen aus Heidelberg in ihre Garage gestellt hat. "Dann drehe ich meine Runde, wobei ich knapp 100 Zeitungen einwerfen muss", informiert Edens.
"Die Runde drehen" heißt: Sie steigt in ihr Auto und fährt die einzelnen Haushalte ab. "Gerade im Winter ist es mir zu dunkel, um zu Fuß zu laufen", erklärt sie. "Manchmal ist es nämlich schon etwas unheimlich, zum Beispiel wenn etwas im Gebüsch raschelt." Zur Sicherheit hat sie immer eine Taschenlampe dabei.
Doch größere Vorkommnisse habe es zum Glück noch nicht gegeben. "Dem Wolf, der ja bekanntlich wieder im Raum Mudau ist, bin ich noch nicht begegnet", meint die Austrägerin mit einem Schmunzeln. "Allerdings habe ich schon viele Füchse gesehen." Da sind es dann schon eher die Probleme des Alltags, die sie beschäftigen – gerade im Winter. "Es kam auch schon mal vor, dass ich bei Eisregen und Schneefall den Berg mit dem Auto nicht mehr hochgekommen bin", sagt die gelernte Schreinerin. Dann heißt es: zu Fuß gehen. Doch "wenn hoher Schnee liegt, merkt man das schon ganz schön in den Beinen." Gegen Glätte helfen ihr Spikes, die man über die Schuhe ziehen kann.
Einmal allerdings wurde der Mudauerin das Glatteis zum Verhängnis, als sie ausrutschte. Das war jedoch nicht beim Zeitungsaustragen, wie sie berichtet, dennoch war die Folge davon, dass sie sieben Monate keine Rhein-Neckar-Zeitung austragen konnte. Und natürlich konnte sie in dieser Zeit auch nicht ihren Hauptjob als Putzhilfe im Schloss Waldleiningen ausüben. Dort arbeitet Edens nämlich von 7 bis 12 Uhr, nachdem sie die Zeitungen ausgetragen hat.
Muss man sich bei so viel Action am Morgen nachmittags dann nicht einmal für ein kleines Nickerchen hinlegen? "Das habe ich früher manchmal gemacht", sagt die zweifache Mutter. "Aber früher bin ich auch zum Beispiel direkt vom Sportfest zum Zeitungsaustragen gegangen."
Heute unvorstellbar. Heutzutage schläft Diana Edens auch nicht mehr nachmittags. "Wenn du dich hinlegst, kann es sein, dass du hinterher noch kaputter bist", erklärt sie. "Außerdem muss ich mich ja um meine Kids kümmern." Und an das frühe Aufstehen gewöhne man sich auch mit der Zeit. "Klar, es gibt Tage, an denen möchte man noch im Bett bleiben. Aber verschlafen habe ich noch nie!" Trotz allem sei es ihr lieber, morgens als abends zu arbeiten.
"Ganz früh ist die Luft noch rein. Ich merke, dass sie viel besser ist als ab 7 Uhr, wenn die ganzen Autos fahren." Und außerdem habe sie dann abends Zeit für sich, um sich zu entspannen.
Zeit nimmt sich die bekennende Bayern-Anhängerin auch, um ab und zu zu einem Fußballspiel nach München in die Allianz-Arena zu fahren – entspannend war das beim letzten Mal allerdings nicht. "Ich habe morgens die Zeitung ausgetragen, dann sind wir um 12 Uhr nach München gefahren. Gegen 3 Uhr in der Nacht waren wir dann wieder daheim, und ich habe dann gleich die Zeitung wieder an den Mann gebracht."
Die Arbeit sei zwar manchmal hart, "aber es ist ein Job wie jeder andere auch", meint Edens lapidar. Was wohl für viele unvorstellbar ist, erledigt sie, ohne großes Aufheben zu machen. Dafür haben sie und ihre Kollegen nicht nur den Dank der Redakteure sicher, sondern auch den vieler Leser, wie etwa das Schreiben von Traudel Stätzler aus Sindolsheim zeigt, das sie uns geschickt hat: "Ein Dankeschön aus tiefstem Herzen an alle Mitarbeiter für die Tageszeitung, die jeden Tag pünktlich und aktuell morgens auf dem Tisch liegt."
Und – man kommt in diesen Tagen nicht um dieses Thema umhin – welchen Einfluss hat Corona auf den Job von Diana Edens? "Im Grunde gar keinen. Morgens ist ja noch niemand unterwegs, da treffe ich so gut wie niemanden. Die Polizei hat mich jetzt im zweiten Lockdown auch noch nicht kontrolliert." Falls doch noch, hat sie ja als Arbeitsausweis auch ihre Zeitungen auf dem Arm, die sie tagaus, tagein bei jedem einwirft. Über die Weihnachtsfeiertage hat Diana Edens verdientermaßen frei – anders als eben das Christkind, für das an Weihnachten ja bekanntlich Hauptsaison ist.