Von Marco Partner
Mannheim. Die Aussicht ist grandios. In der obersten Etage im Haus "Oberrhein" schweift der Blick über ganz Mannheim. Auf den Wasserturm, das Schloss, die Konrad-Adenauer-Brücke. Vor allem aber hat Roland Hörner den Rhein, den Verbindungskanal, ja den ganzen Hafen im Blick. Frachter fahren ein und aus, Container aus aller Welt stapeln sich und werden verladen. Seit 1998 ist Roland Hörner Mannheims Hafendirektor. Zum Jahreswechsel geht der 66-Jährige in den Ruhestand. Im Interview spricht er über die Entwicklung des Hafens, über die Auswirkungen der Corona-Pandemie und er erinnert sich an manche tierischen Entdeckungen im Wasser wie an Land.
Herr Hörner, 22 Jahre hielten Sie den Hafen auf Kurs. Was ist für Sie das Reizvolle an der Arbeit des Hafendirektors?
Hafendirektor Roland Hörner nimmt am Jahresende Abschied. In seiner Verantwortung wurde nicht nur der Containerterminal zukunftssicher ausgebaut. Sogar die Beziehung zu Ludwigshafen wurde viel besser als noch Ende der 90er Jahre. Fotos: GeroldKurz gesagt, das Wasser. Schon Carl Zuckmayer hat gesagt: Es ist eine große Gnade, an einem Fluss zu leben. Und Mannheim hat ja gleich zwei Flüsse (lacht)! Eine Stadt am Fluss steht für Weltoffenheit. Dieser Austausch, diese direkte Verbindung mit der Welt, das ist für mich das Reizvolle. Schon bei der Stadtgründung Mannheims 1607 wurden die Verträge auch auf Holländisch verfasst. Das zeigt: Am Rhein gab es immer Kontakte. Ob man sich geprügelt oder umarmt hat, man hat zumindest andere Mentalitäten kennengelernt.
Was kommt Ihnen bei einer Rückschau auf zwei Dekaden Hafenarbeit als Erstes in den Sinn?
Seltsamerweise ein sehr kalter Winter vor fünf, sechs Jahren. Da sind wir mit dem Eisbrecher durch den Altrheinhafen gefahren und haben Enten und Schwäne gerettet, die festgefroren waren. Für gewöhnlich frieren Rhein und Neckar ja nicht zu, in den Hafenbecken aber kann das schon mal vorkommen. Auch könnte es in Zukunft häufiger passieren, denn ein Nebeneffekt der abgeschalteten Kernkraftwerke ist die niedrigere Wassertemperatur.
Gab es auch kuriose Ereignisse? Eine Vogelspinne, die aus einem Container krabbelte, oder ein verirrter Wal wie in Duisburg?
Wir hatten mal eine Schlange auf einem Baum, hier vor unserem Büro. Da war die Aufregung groß. Sie kam aber nicht aus einem Container oder dem Wasser, irgendjemand hatte sie vermutlich ausgesetzt. 2004 wurde zudem das gesamte Verwaltungsgebäude evakuiert.
Was war passiert?
Ein Gutachter stellte fest, dass die Standfestigkeit des Gebäudes nicht mehr gewährleistet war. Mit der Folge, dass das 13-stöckige Gebäude innerhalb von 24 Stunden zu räumen war. In Windeseile mussten Möbelpacker anrücken. So etwas vergisst man nicht.
Welche wichtigen Entwicklungen nahm der Hafen unter Ihrer Verantwortung?
Da wäre zum einen der Ausbau des Containerterminals. Er ist jetzt ein Umschlagplatz, der für die Zukunft gerüstet ist. Und die Vergrößerung der Roll-on-Roll-off-Anlage im Rheinauhafen. Sie dient hiesigen Unternehmen, die rollende Güter, wie zum Beispiel Traktoren herstellen. Auch Feuerwehrfahrzeuge und kleine Lastwagen gehen von dort aufs Schiff und direkt in die Seehäfen.
Zu Ihrem Beginn, Ende der 90er Jahre, war auch die Beziehung zu Ludwigshafen eine andere.
Ja, damals war die Situation zur anderen Rheinseite eher angespannt. Dann wurde ein Kooperationsvertrag geschlossen. Jetzt gibt es eine enge Bindung und keine Konkurrenz. Man hilft sich mit Personal oder Geräten.
Inwieweit konnte Ihr Team auch bei der BASF-Katastrophe 2014 zur Seite stehen?
Das Boot der Berufsfeuerwehr Mannheim, das bei uns im Hafen liegt, rückte sofort aus. Zwei Jahre lang wurden Güter für Ludwigshafen in Mannheim abgenommen, um die Versorgung des Werks und den Warenfluss aufrechtzuerhalten. Da war es gut, dass zuvor schon diese engen Verbindungen geknüpft wurden.
Auf Begehrlichkeiten wie "Wohnen am Hafen" reagieren Sie weniger kompromissbereit. Warum?
Viele Initiativen haben wir unterstützt. Meine Aufgabe ist es aber, den Hafen als Hafen zu erhalten. Wohnen und Arbeiten am Hafen passt für mich nicht zusammen, da sind die Konflikte vorprogrammiert. Die Rechtssicherheit der Hafenanlieger muss gewährleistet sein, sie müssen morgen noch ihren Betrieb ohne besondere Auflagen ausführen können. Der Hafen dient der Prosperität für Stadt und Region. Seine Wertschöpfung als Handels- und Industriestandort ist sicherlich höher als eine Wohnbebauung.
Ausgerechnet Ihr Abschlussjahr war kein Jahr wie jedes andere. Wie stark haben sich die Corona-Maßnahmen am Hafen bemerkbar gemacht?
Der Umschlag im Containerbereich ist deutlich zurückgegangen, denn das betrifft den weltweiten Im- und Export von Waren. Wenn in China in großen Mengen und über einige Wochen nichts ausgeladen wird, macht sich das auch hier bemerkbar. Auch bei der Kohle gab es Einbußen. Andere Gütermengen wie Schrott, Stahl oder Baustoffe wie Zement sind hingegen gestiegen. Die Baubranche boomt, das sieht man auch hier am Hafen. Im Kreuzfahrtgeschäft dagegen ist natürlich über Monate gar nichts gelaufen.
Welche Rolle spielen die Häfen und Wasserstraßen in der Zukunft?
Auch wenn badische Ingenieure die Welt vor 200 Jahren auf Räder gestellt haben und die Wasserstraßen nicht mehr die Transportwege Nummer eins sind, könnte die Binnenschifffahrt in Zukunft wieder wichtiger werden. Hier gibt es noch Kapazitäten, im Gegensatz zur Straße oder den Zuggleisen. Durch die großen Gütermengen, die ein einzelnes Binnenschiff aufnehmen kann, ist es auch eine umweltfreundliche und nachhaltige Sache.
Ihr letzter offizieller Arbeitstag fällt auf Silvester. Wie werden Sie die Übergabe gestalten?
Da wir ohnehin nicht groß feiern können, kamen ich und mein Nachfolger auf die Idee, in der Neujahrsnacht gemeinsam zu arbeiten und anzustoßen. Ich schließe das Büro ein letztes Mal auf, Herr Köhn dann schon ab. Das wäre eine schöne Vorstellung. Wir müssen noch mit unseren Frauen darüber sprechen. Mal sehen, ob es gelingt.