Symbolbild: Sebastian Gollnow/dpa
Von Stefan Kern
Brühl. Die Stimmung ist ziemlich mies unter den Einzelhändlern in Brühl und Rohrhof. Seit Mitte Dezember sind ihre Läden wegen des landesweiten Lockdowns dicht – eine Perspektive ist nach wie vor nicht zu erkennen. Manchem Betrieb steht das Wasser bis zum Hals. Helga Fassl etwa, die Inhaberin eines Kosmetik-, Nagel- und Damenbekleidungsgeschäfts, sagt, dass "nicht wenige Unternehmen" wohl nicht mehr allzu lange durchhalten werden.
Wenige Einnahmen bei laufenden Kosten – das schnüre den Selbstständigen zunehmend die Luft ab. Um auf ihre verzweifelte Situationen aufmerksam zu machen, haben sich jetzt einige Geschäftsleute für eine Plakataktion zusammengefunden. Viele Schaufenster sind mit Packpapier zugeklebt und vermitteln den Passanten einen Eindruck davon, wie es in Brühl aussehen könnte, wenn die Geschäfte dauerhaft zu machen. "Es ist kein schöner Anblick", sagt Bianca Mückenmüller, Erste Vorsitzende des Gewerbevereins Brühl/Rohrhof. "Ohne die vielen kleinen Geschäfte wäre Brühl ein einsamer, trauriger Ort."
Es gehe nicht nur um den Konsum, sondern auch um das Flanieren, die Begegnungen und das soziale Miteinander. Dabei hätten es die Brühler durchaus in der Hand, dass es besser wird. Die klare Ansage des Gewerbevereins: Bestellt nicht bei Amazon, sondern bei uns vor Ort. "Es gibt viele digitale Angebote, bitte nutzen Sie diese", appelliert Muckenmüller an die Bevölkerung.
Zugleich schickt sie eine deutliche Botschaft Richtung Stuttgart und Berlin. Die Politik scheue sich gerade sehr, den Unternehmen eine Perspektive aufzuzeigen. Die Firmen müssten aber planen, sagt die Inhaberin der Bücherinsel, Barbara Hennl-Goll. Doch aktuell ließe die Politik die Geschäftsleute "im Regen stehen". Niemand stelle die Lockdown-Maßnahmen per se in Frage. Dass soziale Kontakte reduziert und deshalb Geschäfte geschlossen werden müssten, sei nachvollziehbar. Es fehle so etwas wie eine Ausstiegsstrategie.
Für Anke Laier mit ihrem Wohnstudio geht es um die Existenz. Sie hat Angst vor der Pleite, und das wirkt sich mittlerweile auch auf ihre Gesundheit aus. Sie berichtet von Schlafstörungen, Herzstechen und Magenprobleme. Symptome, die sie bis dato nicht an sich kannte. Laier weiß, dass die Probleme vor allem von der psychischen Belastung kommen. "Die Ungewissheit zerrt ganz enorm an den Nerven", sagt sie.
Das sieht Katja Stade vom "Atelier Durchblick" ähnlich. Vor eineinhalb Jahren hat sie ihr Geschäft eröffnet, nun hat sie Angst vor dem Aus. Stade fühlt sich nach 30 Jahren Selbstständigkeit erstmals zum Nichtstun verdammt. "Das widerstrebt meiner Natur." Ihre Haupteinnahmequelle seien Veranstaltungen, "und da muss bald was geschehen". Vor der Pleite gerettet hat sie ihre Mutter, die ihr etwas Geld gegeben hat, um über die Runden zu kommen. Stade hat auch staatliche Unterstützung bekommen. Doch die könne die Verluste nicht ausgleichen.
Hennl-Goll will mit ihren beiden "Bücherinseln" in Brühl und Schwetzingen noch bis 1. März durchhalten. Dann müsse sie wohl entscheiden, ob sie einen der beiden Läden aufgebe. Dafür, dass sie nicht öffnen darf, hat sie mittlerweile kein Verständnis mehr. "Ich habe Luftfilter angeschafft, für alle Mitarbeiter FFP2–Masken besorgt und ein Abstandskonzept geschaffen", so Buchhändlerin Hennl-Goll. "Mehr Sicherheit geht nicht."