Über die „Grenze“ mit einem Ticket: Die S 3 nach Karlsruhe fährt in Bad Schönborn aus dem Tarifgebiet des Verkehrverbunds Rhein-Neckar (VRN) hinein in den Bereich des Karlsruher Verkehrsverbunds (KVV). Foto: Dorn
Von Carsten Blaue
Heidelberg/Karlsruhe. Bahn-Pendler waren bislang zwischen Heidelberg und seinem Umland einerseits sowie dem Raum Karlsruhe andererseits mit dem "AboPlus VRN/KVV" am günstigsten dran. Mit dem Ticket gilt ein Übergangstarif zwischen dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) und dem Karlsruher Verkehrsverbund (KVV), der kommunal bezuschusst wird. Jetzt steht die Zukunft des Tarifs zumindest in Frage, weil das Land zum 13. Dezember landesweit die neuen "bwtarif"-Zeitkarten einführt – ohne Zuschuss. Heidelberger Pendler sind in Sorge.
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Claudia Schäfer und ihre Mitpendler traf das Schreiben ohne jede Vorwarnung. "Wir ahnten nichts", sagt sie. Mit Datum vom 6. November verschickte die DB einen Brief an die Kunden, in dem sie das Ende des "AboPlus" ankündigt. Dieser liegt der RNZ vor. Aufgrund der neuen "bwtarif"-Zeitkarten, heißt es da, entfalle künftig der bisherige Zuschuss. Ab 1. Januar 2021 werde das Abo automatisch umgestellt und der reguläre Fahrpreis ohne Nachlass abgebucht – wenn man nicht bis 30. November kündigt. Weil sich der Preis für das neue Ticket nach der Fahrstrecke richtet, verweist die Bahn noch auf die Homepage www.bwegt.de, auf der man seinen neuen Tarif berechnen lassen kann.
"Verkehrswende rückwärts", sagt Schäfer. Der Tarif verteuere sich bei schlechterer Leistung, oder man müsse eben für beide Verkehrsverbünde komplett bezahlen. Das wollte die Pendlerin nicht so auf sich sitzen lassen und schloss sich mit Bekannten kurz, die ebenfalls täglich auf der Strecke zwischen Karlsruhe und Heidelberg unterwegs sind. Die Gruppe wurde aktiv – und bekam schnell heraus, dass an dem DB-Brief gar nichts dran ist. Zumindest nicht so.
Das bestätigt auf RNZ-Anfrage auch der Abteilungsleiter Marketing und Vertrieb des VRN, Thomas Schweizer, und spricht von einem "Missverständnis" zwischen dem Verkehrsverbund und der Bahn. Das "AboPlus" habe "weiterhin Bestand". Und auch an der kommunalen Bezuschussung ändere sich erst mal nichts. Alle Abonnenten würden von der DB Vertrieb GmbH in einem zweiten Schreiben darüber informiert. Diese vertreibt das Abo im Auftrag der beiden Verkehrsverbünde. Schäfer nennt die Panne "übelste Fehlkommunikation".
Jahrelang hatten VRN, KVV und DB um das verbundübergreifende Kombiticket gerungen. Bis der KVV zum 1. Januar 2012 Nägel mit Köpfen machte und das "AboPlus" einseitig einführte. Preisvorteil für die KVV-Kunden: Stadt und Landkreis Karlsruhe übernahmen für sie die Hälfte der Kosten für die VRN-Anschlusskarte, die mit dem KVV-Ticket in der "AboPlus"-Karte zusammengefasst wurde. Die Kunden auf VRN-Seite mussten mit der Einführung noch bis 1. April 2013 warten. Dann zog ihr Verkehrsverbund nach, und der Rhein-Neckar-Kreis sowie die Stadt Heidelberg trugen den Zuschuss für Kunden, die in der Uni-Stadt oder im südlichen Kreisgebiet wohnen. So gilt es noch immer und sei "keineswegs eine Selbstverständlichkeit, sondern eine freiwillige Leistung der Kommunen", betont Schweizer.
In das "AboPlus" ließen KVV und VRN jeweils drei Tarifangebote einfließen und kombinierten diese. So gibt es das "Abo-Plus" auf beiden Seiten für Schüler, Senioren und eben für Berufspendler. Für sie wurden das verbundweit gültige "Rhein-Neckar-Ticket" (VRN) und die "KombiCard" (KVV) zusammengelegt. VRN-Kunden zahlen dafür monatlich laut Schweizer 135,30 Euro. Ohne Zuschuss wären es 180,80 Euro. Im neuen "bwtarif" wären für die Strecke zwischen Heidelberg und Karlsruhe nach Auskunft des Verkehrsministeriums pro Monat im Abo 178,20 Euro fällig. Damit darf man zusätzlich auch in der Heidelberger Innenstadtwabe 125 (samt Eppelheim, Peterstal sowie Schlierbach/Ziegelhausen) weiterfahren, in Karlsruhe in der Stadtwabe 100.
Dieser Tarif wird zwar im Dezember eingeführt, das bisherige "Abo-Plus" aber erhalten. Doch wie lange, ist ungewiss. Das sagt auch Schweizer: "Das Land Baden-Württemberg wird sicherlich abwarten, wie erfolgreich die Zeitkartenangebote nach dem ’bwtarif’ am Markt angenommen werden, bevor es zu einer abschließenden Entscheidung zwischen allen Beteiligten kommen wird." Schweizer rechnet mit "einigen Gesprächen". Seine Haltung in der Sache ist aber eindeutig.
"Das bezuschusste ’AboPlus’ wurde bewusst eingeführt, um der Sache einen Schub zu geben. Der ’bwtarif’ ist teurer. Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein." In beiden Verkehrsverbünden zusammen gibt es 1921 "Abo-Plus"-Nutzer, davon sind 984 Kunden des VRN. Ihnen dürfe man jetzt nicht vor den Kopf stoßen. Die Pendler hätten ein berechtigtes Interesse, dass alles so bleibt, wie es ist, sagt Schweizer.
"Wir können nicht einfach etwas Adäquates abschaffen, sondern müssen uns zusammensetzen und uns fragen, wie es weitergehen kann." Kunden, die man jetzt verliere, würden auch nicht wiederkommen. Darüber hinaus könnten Pendler ihre Abos in Zeiten von Corona und Homeoffice gar nicht richtig nutzen. Auch deshalb sei ein neuer Tarif ein "fatales Signal" im Kampf um die Kunden im öffentlichen Nahverkehr, so Schweizer.
KVV-Pressesprecher Michael Krauth sagt auf RNZ-Anfrage, dass auch die Karlsruher Seite am "AboPlus" festhält. Mit dem VRN sei man diesbezüglich in Kontakt. Der KVV befinde sich aber auch in engem Austausch mit der Baden-Württemberg-Tarif GmbH darüber, wie diese Form des Abonnements künftig in den "bwtarif" überführt werden könnte.
Aus dem Stuttgarter Verkehrsministerium klingt das alles etwas anders. Hier sieht man die Entscheidung alleine bei den Verkehrsverbünden, zumal das "Abo-Plus" kein DB-Produkt sei. Über die DB Vertrieb GmbH würden lediglich eine Zeitkarte des VRN und eine Zeitkarte des KVV zusammen verkauft, betont eine Sprecherin.
Die neuen "bwtarif"-Zeitkarten würden also nichts daran ändern, dass das "AboPlus" auch weiterhin von den Verkehrsverbünden angeboten werden kann – beide Tarife konkurrieren dann quasi. Andererseits habe das Land nichts unternommen, was einer kommunalen Bezuschussung des "bwtarifs" entgegenstehen würde. Sprich: Die Landkreise und Städte könnten auch gerne für das neue Angebot zahlen. Entsprechende Anfragen der RNZ in den Verwaltungen laufen.
Fest steht: Durch die bisherige kommunale Bezuschussung ist das "AboPlus" unschlagbar im Preis. Das gibt auch das Verkehrsministerium zu. Im Normalfall sei die "bwtarif"-Zeitkarte ja günstiger. Doch selbst wenn das Land hierfür alle Rabatte auf Basis der Preisbildungsregel ausreize, blieben die Kosten der Kunden im "bwtarif" höher als beim "AboPlus".