Die Gehwege in der Schulstraße sind häufig von Autos zugeparkt, obwohl dort eigentlich Kinder mit ihren Fahrrädern entlangfahren müssten. Fotos: zg
Von Stefan Kern
Ketsch. Grünen-Sprecher Nikolaus Eberhardt stellt der Gemeinde Ketsch in Sachen Bemühungen rund um den Ausbau der Infrastruktur für Fahrräder ein mieses Zeugnis aus. Seit fünf Jahren gebe es ein Fahrradwegekonzept. "Passiert ist aber gar nichts", sagt er. Mit dem Fahrrad in der Enderle-Gemeinde unterwegs zu sein, fühlt sich laut Eberhardt an, als würde man an einem Hindernisparcours teilnehmen. Schlimmer noch: "Es ist an vielen Stellen auch gefährlich." Deshalb haben die Grünen nun ein Arbeitspapier auf den Weg gebracht, das detailliert aufzeigt, was geschehen muss, damit Fahrradfahren in und um Ketsch endlich sicherer und bequemer wird.
Die Grünen wollen, dass dem Fahrrad einen größeren Stellenwert eingeräumt wird. Ein Ansinnen, das kaum konträrer zur allgemeinen Mobilitätsentwicklung stehen könnte. Zum 1. Januar verzeichnete das Statistische Bundesamt mit 47,7 Millionen zugelassenen Fahrzeugen einen Rekordstand. Im Vergleich zu 2008 mit etwas mehr als 41 Millionen Fahrzeugen bedeutet das ein Plus von über 15 Prozent. Die höchste Steigerungsrate erreichten wie zum 1. Januar 2019 die SUVs mit einem Plus von fast 20 Prozent. Und es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Fahrzeuge in Deutschland im Corona-Jahr 2020 erneut deutlich ansteigt; darauf deuten zumindest die Zahlen des Kraftfahrtbundesamts bereits hin.
Es sind Zahlen, die Eberhardt sichtlich zusetzen, aber zugleich die Dringlichkeit des Umsteuerns unterstreichen. Auf lange Sicht müsse sich die Kommune bewegen und sich neu aufstellen, wenn sie Mobilität auch in Zukunft gewährleisten wolle. Dabei betonte er, dass es nicht darum gehe, das Auto zu verbieten: "Alles was wir wollen ist, dass die Alternativen attraktiver werden." Das fängt bei den Abstellmöglichkeiten und der Beschilderung an, führt zu einer durchdachten Wegeführung vor Ort und endet bei Sicherheitsmaßnahmen.
Auf beiden Seiten der Schulstraße parken zahlreiche Autos.Das Arbeitspapier listet in Ketsch mindestens elf Gefahrenstellen auf. Nicht mitgezählt ist dabei die Situation in der Schulstraße. Der Weg zur Schule sei dort für Kinder unmöglich. "Die Schulstraße ist so zugeparkt, dass dort kein Kind fahren kann." Dabei erinnert Eberhardt daran, dass Kinder bis acht Jahren verpflichtet sind, auf dem Gehweg zu fahren. "Dort ist das aber ausgeschlossen."
Weitere Gefahrenherde finden sich im Tunnel unter der Autobahn am Ortsrand. "Die Strecke ist häufig befahren, dafür aber zu dunkel und zu eng", so sein Urteil. Riskant seien auch die Querung aus dem Gebiet Fünfvierteläcker über die Mannheimer Straße in Richtung Schule, der unbeleuchtete Radweg zur Realschule und die Kreuzung Mannheimer-, Schwetzinger- und Karlsruher Straße, wo Radfahrer auf der Dossenheimer Straße allzu oft übersehen werden. Besonders kritisch ist in seinen Augen das Teilstück Hockenheimer Straße zwischen Karlsruher Straße und Am Bruchgraben.
Als ersten Schritt empfiehlt das Arbeitspapier eine Unterscheidung der verschiedenen Nutzergruppen. Eberhardt will differenzieren zwischen Pendlern, Schülern, Freizeitsportlern und dem Senior, der vor Ort mit dem Fahrrad einkauft. Diese hätten verschiedene Bedürfnisse, die man beim Ausbau der Infrastruktur berücksichtigen müsse. Im Endeffekt folgt daraus vor allem mehr Platz für Radfahrer, um auch bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten sicheres Fahren gewährleisten zu können.
Im Ort denkt Eberhardt beispielsweise über mehr Einbahnstraßen nach, um auch in beengten Verhältnissen mehr Platz für die Radfahrer schaffen zu können. Eberhardt ist klar, dass das für Empörung sorgen wird. Aber: "Keinem Verkehrsträger wird so viel Platz eingeräumt wie dem Auto." Es stehe einer Gesellschaft aber gut an, sämtliche Mobilitätsfaktoren im Blick zu haben. Darüber hinaus sollten auch Klimawandel und Ressourcenverbrauch nicht vergessen werden. Mobilität müsse diverser werden. Das heißt für Eberhardt neben mehr öffentlichem Nah- und Fernverkehr derzeit vor allem mehr Infrastruktur für das Fahrrad. Ein guter und kostengünstiger Anfang wären Schutzstreifen, die man problemlos mit einem Eimer Farbe und einem Pinsel auf die Asphaltdecke auftragen könnte.