Der Fingerabdruckvergleich brachte Gewissheit: Von bislang 18 überprüften straffälligen Flüchtlingen aus Mannheim hatten 17 beim Alter gelogen. Foto: Mirgele
Von Antonia Lange und Olivia Kaiser
Mannheim/Stuttgart. Innenminister Thomas Strobl (CDU) will die Ausländerbehörden in Baden-Württemberg stärker in die Pflicht nehmen, um das Alter junger Flüchtlinge zu ermitteln. "Das bisherige System der Altersfeststellung funktioniert nicht zuverlässig", sagte Strobl am vergangenen Samstag. Der Weg müsse auch über die Ausländerbehörden gehen, die eine Rechtsgrundlage für medizinische Untersuchungen hätten. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart forderte, die Altersbestimmung komplett den Ausländerbehörden zu übertragen.
Dieser Vorschlag dürfte in der grün-schwarzen Koalition für Ärger sorgen. Im Südwesten schätzen die Jugendämter das Alter bislang vor allem auf Basis ausführlicher Befragungen und eigener Beobachtungen ein. Radiologische Untersuchungen etwa des Handgelenks gibt es eher selten. Die Landtagsgrünen forderten am Sonntag einheitliche Standards bei der Altersfeststellung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern. "Es muss verlässlich festgelegt werden, wann gründliche Gespräche sowie Identitäts- und Altersüberprüfungen durch das zuständige Jugendamt ausreichen", betonte Innenexperte Uli Sckerl. "Verbindlich geregelt werden muss, wann zum Beispiel ärztliche Untersuchungen stattfinden müssen. Letztere gelten vor allem dann, wenn wegen Straftaten die Strafmündigkeit von Verdächtigen ermittelt werden muss."
Am Freitag war bekannt geworden, dass etliche der vermeintlich minderjährige Männer aus Nordafrika, die seit Monaten in Mannheim Straftaten begehen, in Wahrheit gar nicht minderjährig sind. Alle der 17 bislang überprüften Intensivtäter aus den Maghrebstaaten hätten ihr Alter falsch angegeben, hieß es vom Landeskriminalamt. "Solche und ähnliche Fälle sind nach Erkenntnissen der Deutschen Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg keine Seltenheit", erklärte der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg (DPolG), Ralf Kusterer, gestern mit Blick auf Mannheim. "Straftäter sollen sich nicht mehr hinter ihrem Alter verstecken können."
Das Polizeipräsidium Mannheim hat bei insgesamt 53 Nordafrikanern ein sogenanntes Personenfeststellverfahren angestrengt. Dabei werden Fingerabdrücke an das Herkunftsland zum Abgleich geschickt. Personenfeststellungsverfahren durch die Polizei sind allerdings nur möglich, wenn eine Person strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, und sind komplexe Verfahren. Bis ein Ergebnis kommt, kann es mehrere Wochen oder sogar Monate dauern. 36 Ergebnisse stehen in Mannheim noch aus. Die Polizei-Gewerkschaft forderte, schnelle und einfach durchführbare Methoden zur Altersbestimmung einzuführen.
Die Mannheimer Stadtverwaltung setzt allerdings auf das Personenfeststellungsverfahren: "Weder durch die qualifizierte Inaugenscheinnahme, noch eine medizinische Altersfeststellung kann letztlich das exakte Alter eines Menschen festgestellt werden," gab Ulrike Freundlieb (SPD), Bürgermeisterin für Bildung, Kinder, Jugend und Gesundheit zu bedenken. Auch die medizinische Altersfeststellung habe in den Fällen, in denen sie durchgeführt worden ist, bei weitem nicht die entsprechende Klarheit wie sie jetzt über die derzeit funktionierende Kooperation mit den Heimatländern erzielt wird, erbracht. "Die bisherigen Verfahren zur Altersfeststellung werfen Fragen auf, die jetzt zu diskutieren sind", so Freundlieb.
Strobl will möglichen Lügen beim Alter einen Riegel vorschieben. "Am Ende müssen wir dahin kommen, dass gilt: Wer keine Dokumente hat, wer bei der Altersfeststellung nicht mitwirkt oder sich gar verweigert, dem lassen wir die Behauptung der Minderjährigkeit nicht durchgehen, sondern der gilt bis zum Beweis des Gegenteils als volljährig."