Eine Frau steht am Stuttgarter Hauptbahnhof vor der Abfahrts-Anzeige. Der einzige Schnellzug von Stuttgart ins Rhein-Neckar-Gebiet mit Halt in Walldorf-Wiesloch fährt für Arbeitnehmer zu früh. „Damit ist kein voller Arbeitstag zu gestalten“, sagt Pendler Robert D. Foto: dpa
Von Harald Berlinghof
Heidelberg. Berufspendler haben es schwer. Mit dem Auto stehen sie oft genug im Stau. Das ist nicht spaßig. Aber mit der Bahn sind sie auf direkte Zugverbindungen angewiesen, weil Umsteigen oft viel Zeit kostet und bei Verspätungen die Anschlusszüge nicht warten. Dann steht man auf dem Bahnsteig und wartet auf den nächsten Zug. Die Zeit verrinnt, man kommt zu spät zur Arbeit, der Stress ist vorprogrammiert, der persönliche Frust der Betroffenen schlägt in Ärger um. In der Folge werden Bürgerinitiativen und Aktionsgemeinschaften gegründet, um auf die Probleme aufmerksam zu machen. Man wendet sich an die politischen Vertreter, wie etwa die Bundestagsabgeordneten und Landtagsabgeordneten der Region. Oder an die Bahn. Oder an die RNZ.
Allerdings steckt auch die Bahn in einem Dilemma. Unverzichtbare Baumaßnahmen wirbeln oft genug die Fahrpläne durcheinander. Aber, so stellen Betroffene immer wieder fest, die Planungen im Bahnkonzern könnten besser und kundenfreundlicher sein, wenn man Vorschläge der Betroffenen zur Optimierung der Abläufe doch nur offener aufnehmen würde. Robert D. ist so ein Fall.
"Was hier passiert, ist Betrug"
Er pendelt täglich von Hockenheim zur Arbeit nach Stuttgart. Dazu nutzt er den IC ab Wiesloch-Walldorf um 6.24 Uhr. Um 7 Uhr ist er am Stuttgarter Hauptbahnhof. Eine tolle Sache, in 36 Minuten in der Landeshauptstadt zu sein. Mit dem Auto ist das im Berufsverkehr nicht zu schaffen. Doch ab dem 10. April ist vorerst einmal Schluss damit. Die Bahn baut. Und das wirft die Fahrzeiten für mehr als ein halbes Jahr durcheinander.
"Eine Fahrzeitverlängerung um 30 Minuten nehmen wir Pendler ja klaglos in Kauf. Wir sehen ein, dass die Baustellen Auswirkungen auf die Fahrzeit haben müssen", so der Hockenheimer. Was den Pendlern viel mehr ungut aufstößt, ist die Terminierung der Zugverbindungen zwischen der Rhein-Neckar-Region und Stuttgart.
Morgens gibt es ab Wiesloch nur noch eine Schnellverbindung nach Stuttgart, mit der man um 7.29 Uhr ankommt. Der einzige Zug am Nachmittag zurück ins Rhein-Neckar-Gebiet mit Halt in Wiesloch fährt um 16.03 Uhr. "Rechnet man die Fahrzeit innerhalb Stuttgarts zum Arbeitsplatz dazu, kann man damit keinen vollen Arbeitstag gestalten", kritisiert Robert D.
Es bleibt also nur, den ICE um 17.10 Uhr zu nehmen. Der aber hält nicht in Wiesloch. "Und mit einer Fahrt bis Heidelberg und einem Umstieg in einen Zug Richtung Wiesloch verdreifacht sich meine Fahrzeit auf 1,5 Stunden", sagt er resigniert. Dabei könnte ein zusätzlicher Halt des ICE auf dem Weg von Stuttgart nach Heidelberg in Wiesloch-Walldorf das Problem lösen. "Das haben wir der Bahn auch vorgeschlagen."
Wenigstens zeigt die Bahn während der Bauzeit bei der Nutzung des ICE mit einem IC-Zeitkartenticket Kulanz. Allerdings betont man bei der Bahn, dass eine Fahrplangestaltung ein komplexer Prozess sei, der auf viele Faktoren wie Verfügbarkeit der Strecke, der Züge selbst und des nötigen Personals Rücksicht nehmen müsse. Es sei unmöglich, jedem individuellen Tagesablauf gerecht zu werden.
Ein anderes Problem hat Ximena S., die in Richtung Norden von Heidelberg nach Frankfurt/Main pendelt.
Auf der Strecke zwischen Heidelberg und Frankfurt verkehren die Schnellzüge der Bahn seit mehr als einem Jahr zwar noch im Stundentakt. Aber nur noch im Wechsel als ICE oder IC. Das war zuvor anders. Eine Übergangsfrist, in der man mit IC-Ticket auch den ICE nutzen durfte, ist inzwischen abgelaufen. Will man also nicht eine Stunde später fahren, bis ein IC rollt, oder eine Stunde früher, dann muss man ICE-Aufschlag zahlen.
Die Heidelbergerin moniert allerdings, dass sie trotz bezahltem ICE-Aufschlag nur bei 33 Prozent ihrer Fahrten in den Genuss des ICE-Komforts gekommen ist. "Ansonsten durften wir Pendler in 66 Prozent der Fahrten mit dem IC Vorlieb nehmen, weil der vorgesehene ICE ausgefallen ist", so die Ärztin.
Sie hat es genau ausgerechnet: Von 368 Fahrten zwischen Frankfurt und Heidelberg konnte sie bei 243 Fahrten nur einen IC am frühen Morgen nutzen, weil die planmäßigen ICE-Züge ausgefallen sind. Obwohl sie den Aufpreis für den ICE bezahlt hat. Sie hat sich mit ihrer Beschwerde deshalb an den Abo-Service der Deutschen Bahn gewandt und dort penibel aufgelistet, wann sie nicht in den Genuss der vollen versprochenen Leistung gekommen ist. "Es geht hier nicht um den ein oder anderen Zugausfall. Das kann immer mal vorkommen. Aber was hier passiert, ist Betrug am Kunden", fährt sie schweres verbales Geschütz auf.
Ihre Beschwerde ging allerdings erst vor wenigen Tagen an die Bahn. Dort verweist man auf eine gewisse Bearbeitungszeit und bittet, die Antwort der zuständigen Stelle abzuwarten. Ob eine teilweise Rückerstattung der bezahlten ICE-Jahreskarte zum Preis von 3363 Euro erfolgen kann, müsse die zuständige Abteilung beantworten.