Symbolfoto: Wolfgang Thieme/dpa
Von Alexander Albrecht
Rhein-Neckar. Zwar werden bis zum ersten Spatenstich noch einige Jahre ins Land ziehen – doch nimmt die Neubaustrecke Mannheim-Frankfurt immer mehr Fahrt auf. Führende Bahnmitarbeiter haben Vertretern von Kommunen, Landkreisen, Ministerien, Verbänden und Bürgerinitiativen am Freitag ihre Pläne vorgestellt, wie die Züge auf dem Abschnitt zwischen Lorsch und der Quadratestadt fahren sollen.
Der Konzern hat acht Varianten geprüft und sich für eine direkte Verbindung durch den Lampertheimer Wald entschieden. Auf etwas mehr als zehn der knapp 15 Kilometer langen neuen Teilstrecke sollen die Züge in einem Tunnel "abtauchen". Dafür muss die Bahn 320 Millionen Euro mehr investieren als bei einer oberirdischen Lösung. Die in 15 bis 20 Metern Tiefe verlaufenden Tunnel werden in sogenannter offener Bauweise errichtet, also nicht "bergmännisch".
"Die Züge werden über Tröge nach unten geführt. Dann kommt der ,Deckel’ drauf, rechts und links schützen sie Wände vor dem Erdreich", erklärte Jörg Ritzert, Projektleiter der DB Netz AG, das technische Vorgehen. Die Strecke unterquert zunächst bei Lorsch die A 67 in einem Tunnel. Anschließend geht es oberirdisch weiter bis auf Höhe des Lampertheimer Walds und eines Vogelschutzgebiets. Hier geht es erneut in die Tiefe, bis die Strecke schließlich im Mannheimer Norden wieder auftaucht und an die Riedbahn anschließt.
Ritzert zählte gleich mehrere Vorteile für die "Vorzugsvariante" auf. In der Region um Lorsch, Lampertheim, Viernheim und Mannheim-Waldhof werde es merklich leiser. Seien aktuell mehr als 6000 Wohneinheiten entlang der hochbelasteten Riedbahn über Gebühr vom Krach der Züge betroffen – als Grenzwert gilt ein Schallpegel von 49 Dezibel zwischen 22 und 6 Uhr – seien es künftig "nur" noch knapp über 1000, vor allem im nördlichen Mannheim.
Zweiter Vorteil: Es werde bei dieser Lösung weniger Wald gerodet als bei anderen. Die Route sei zudem die schnellste Variante, führe zu keinen Verlusten oder "Zerschneidungen" landwirtschaftlicher Flächen und "sie ist rechtlich genehmigungsfähig", so Ritzert weiter.
Ganz wichtig aus Mannheimer Sicht: Im weiteren Streckenverlauf sei ein Tunnel unter der Quadratestadt möglich. Dieser wird aktuell vom Bundesverkehrsministerium geprüft. Denn der sogenannte Knoten Mannheim ist ein eigenes Projekt. Wie berichtet, wollen die Bahn und das Bundesverkehrsministerium ein vor 30 Jahren stillgelegtes, zweites Gleis auf der östlichen Riedbahn reaktivieren.
Ohne Tunnel wären Anwohner in sechs Mannheimer Stadtteilen vom Lärm der Güterzüge betroffen, die nachts rollen sollen. Statt 90 pro Tag könnten es nach Bahn-Berechnungen künftig bis zu 250 sein. Oberbürgermeister Peter Kurz lässt nicht locker: "Wir fordern, dass die Weiterführung dieses Tunnels im Stadtgebiet Mannheim mit geprüft wird", sagte er laut einer Mitteilung.
Im Interview mit der RNZ hatte sich der OB vor einigen Monaten zuversichtlich gezeigt. Schließlich habe die Bahn zugesagt, dass die "Vorzugsvariante" für die Neubaustrecke, die weiteren Trassenverläufe und der Ausbau des Knotens Mannheim mit Anbindung an Haupt- und Rangierbahnhof aufeinander abgestimmt würden.
Eine Planung aus einem Guss fordern auch die vier Industrie- und Handelskammern in der Metropolregion: für die gesamte Strecke von Frankfurt in die Quadratestadt und weiter nach Karlsruhe. In einer gemeinsamen Stellungnahme sprechen sich die Kammern dafür aus, die Verkehrsprognosen deutlich über 2030 hinaus zu berücksichtigen. Nur mit zusätzlichen Gleisen könnten die erforderlichen Kapazitäten für den Personen- und Güterverkehr sowie Fahrzeitverkürzungen und höhere Pünktlichkeit erzielt werden, hieß es in einer Erklärung.
Erst mit einer Gesamtbetrachtung der Strecke, die auch die Knoten Darmstadt und Mannheim umfasse, sei eine abschließende Bewertung der Varianten durch die Wirtschaft möglich. Das Ziel der Neubaustrecke, die Engpässe im europäischen ICE- und Güterverkehrsnetz zu beseitigen, müsste im Fokus bleiben. Nach Bahnangaben soll der gesamte Trassenverlauf zwischen Mannheim und Frankfurt Mitte nächsten Jahres feststehen. Es geht um eine neue zweigleisige, rund 60 Kilometer lange Strecke. Die Fahrzeit mit dem bis zu 300 km/h schnellen ICE könnte sich von derzeit 36 auf 27 Minuten verkürzen.
Wenn die Planfeststellungsunterlagen eingereicht sind und die Gesamtstrecke genehmigt ist, kann der Bau beginnen. Das dürfte allerdings ein paar Jahre dauern. Die Bahn legt sich nicht auf einen konkreten Termin fest. Die bestehenden Trassen zwischen Mannheim und Frankfurt wie die Ried- und die Main-Neckar-Bahn sind ausgelastet, laut Prognosen wird der Schienenverkehr weiterhin stark zunehmen.