Das Plangebiet erstreckt sich von Philippsburg bis nördlich von Mannheim. Auch der Hockenheimer Rheinbogen und das Vogelschutzgebiet gehören dazu. Plan: LUBW/Foto: Lenhardt
Von Carsten Blaue
Karlsruhe. Einige Tier- und Pflanzenarten haben es schwer am Rhein zwischen Philippsburg und Mannheims Norden. "Viele sind in ungünstigem bis schlechtem Erhaltungszustand", sagt Geertje Binder vom Referat Naturschutz und Landschaftspflege des Regierungspräsidiums Karlsruhe (RP). Das soll nicht so bleiben. Deshalb wurde im Auftrag der Behörde und in einem langen, aufwändigen Verfahren ein Managementplan für das über 6000 Hektar große "Natura 2000"-Gebiet "Rheinniederung von Philippsburg bis Mannheim" aufgestellt. Dieser ist jetzt fertig und kann ab 1. April eingesehen werden. Er geht bis ins Detail jedes einzelnen Flurstücks, formuliert zugunsten des Art- und Gebietsschutzes Entwicklungsziele und vor allem auch konkret, wie diese erreicht werden können.
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"Natura 2000" nennt sich ein europäisches Netz von Schutzgebieten. Der Managementplan umfasst hier das Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Gebiet "Rheinniederung von Philippsburg bis Mannheim" und die Vogelschutzgebiete "Rheinniederung Altlußheim-Mannheim" und "Wagbachniederung". Das Gebiet liegt in den Landkreisen Rhein-Neckar und Karlsruhe sowie im Stadtkreis Mannheim und wird vor allem durch den Rhein mit seinen angrenzenden Stillgewässern, Grünländern und Wäldern geprägt. Hier gibt es elf europaweit geschützte Lebensräume und 21 europäisch geschützte Arten. Lebensstätten von Fischen, Fledermäusen, Amphibien, Käfern, Schnecken, Schmetterlingen bis hin zum Biber sind zu finden. Dazu kommen 48 Vogelarten der Vogelschutzrichtlinie, beispielsweise Grauammer, Kiebitz, Purpurreiher und Schwarzhalstaucher, die das Gebiet als Brut-, Rast- oder Überwinterungsplatz regelmäßig aufsuchen.
Schon im Jahr 2012 hat das RP die Sache angestoßen. Zunächst wurden im Gebiet Lebensräume, sowie Tier- und Pflanzenarten von europäischer Bedeutung parzellengenau erfasst und ihr Erhaltungszustand bewertet, der in den vergangenen Jahrzehnten durch Folgen des Klimawandels, abgesenkte Grundwasserpegel, Begradigungen von Wasserläufen, hier und da aber auch durch die Landwirtschaft gelitten hat. "Vieles ist da schief gelaufen", sagt Binder. Aus dem Stand der Dinge wurden die Entwicklungsziele und passende Maßnahmen abgeleitet – und zwar in enger Abstimmung mit einem Beirat, dem unter anderen Vertreter von Land- und Forstwirtschaft, Kommunen und Naturschutzverbänden angehörten. Zuvor gab es auch eine Informationsveranstaltung. Als der Entwurf für den Managementplan fertig war, kam dem RP die Corona-Pandemie dazwischen.
Laut Binder hatte das Gremium von Mitte Mai bis Ende Juni Zeit, sich alles anzuschauen. Im Juli konnten Vorschläge dazu vorgebracht werden. Von Mitte Juli bis Mitte August war die öffentliche Auslegung – "sogar auch analog bei der Stadt Mannheim dank der Lockerungen", so Binder. Und jetzt also steht das 400 Seiten starke Text-Werk, das zudem 50 flächengenaue Karten umfasst. "Normalerweise braucht man etwa drei Jahre für so einen Plan, aber das Gebiet ist doch sehr komplex", erklärt sie. Der Raum längs des Rheins sei stark verdichtet, hier leben viele Menschen, und es gibt Interessenskonflikte. Der Managementplan, den es in seiner Form vorher noch nie gegeben hat, berücksichtigt diese und formuliert machbare Lösungen vor Ort. Dabei geht es auch um Augenmaß.
Bewirtschaftet beispielsweise ein Bauer ein Feld seit 20 Jahren, ohne dass Flora und Fauna dabei gelitten hätten, kann er so weitermachen. Es darf sich eben nur nichts verschlechtern. Hat sich auf dem Acker inzwischen aber ein geschütztes Tier angesiedelt oder gefährdet die jetzige Feldpflege eine Art oder einen schützenswerten Lebensraum, dann ist Handeln angesagt. Dann muss die Bewirtschaftung auf die Erhaltungsziele abgestimmt werden, die im Managementplan stehen. Binder erklärt: "Bei der Ackerbewirtschaftung muss dann zum Beispiel auf brütende Kiebitze Rücksicht genommen werden."
Anderes Beispiel: Ein Landwirt plant den Bau einer Scheune oder eine Kommune einen neuen Feldweg. In solchen Fällen muss die "Verträglichkeit" mit den Erhaltungszielen gegeben sein. Entscheidet sich ein Bauer überdies freiwillig dazu, ein Feld naturnah umzugestalten oder sich selbst in der Nutzung einzuschränken, dann winken ihm Förderungen von EU und Land als finanzieller Ausgleich. Die Jagd und die Fischerei kommen laut RP kaum mit den übergeordneten Erhaltungszielen der FFH-Gebiete in Konflikt. Auch die Naherholung, also die touristische Nutzung der Schutzzonen, ist weiterhin möglich – solange sie keine negativen Auswirkungen auf die Lebensräume hat oder diese gar zerstören würde. Und wie sieht es mit der Suche nach Erdwärme aus?
Wie berichtet, haben die Energiekonzerne MVV und EnBW jetzt das Recht, Geothermievorkommen in der Region zu ermitteln, und die "Rheinniederung von Philippsburg bis Mannheim" fällt in das Suchgebiet. Zwar dürfen die Unternehmen noch keine Geothermieanlage errichten und brauchen dafür später Genehmigungen. Das kann aber kommen. "Grundsätzlich ist das nicht unmöglich in einem FFH-Gebiet", sagt Binder. Doch auch hier muss die Verträglichkeit mit den Umweltbelangen gegeben sein. Dies muss vorab geprüft werden.
Der Managementplan ist in seiner jetzigen Formulierung laut Binder so lange einsehbar, bis er eines Tages aktualisiert wird. Das geschieht, wenn es Sinn macht – und wenn das Umweltministerium grünes Licht dafür gibt. Eventuell auch nur in Teilen für bestimmte Arten.
Info: Ab 1. April stehen die Unterlagen des Managementplans im Internet zum Download auf der Seite der Landesanstalt für Umwelt bereit unter https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/natur-und-landschaft/map-endfassungen. Nach Rücksprache und Terminvereinbarung kann man auch bei der Stadt Mannheim oder in den Landratsämtern Rhein-Neckar und Karlsruhe Einsicht nehmen.
Zum Schutz der Arten und Lebensräume