Die Demonstranten setzten im Mannheimer Schlosshof ein klares Zeichen und sendeten ermutigende Signale der Solidarität aus. Foto: dpa
Von Katharina Schröder und Alexander Albrecht
Mannheim. "Black lives matter", "No justice, no peace" hallt es am Samstag auf dem Mannheimer Schlosshof. Rund 4000 Menschen schließen sich in der Quadratestadt den deutschlandweiten Protesten bei der "Silent Demo" an. Neben den Sprechchören wird es aber auch still. 8 Minuten und 46 Sekunden setzen und knien sich die Teilnehmer auf den Boden, heben die Faust und schweigen in Gedenken an George Floyd. Eine gefühlte Ewigkeit. Acht Minuten und 46 Sekunden: So lange hat ein Polizist in der US-Stadt Minneapolis bei einer Festnahme dem Afroamerikaner die Luft abgedrückt. Der 46-Jährige starb kurze Zeit später in einer Klinik.
George Floyds mutmaßlich letzter Satz "I can’t breathe" hat die Welt verändert. Auf dem Schlosshof ist es so still, dass selbst das Quietschen der Straßenbahn deutlich zu hören ist. "Das ist eine ganz schön lange Zeit, wenn man überlegt, dass da jemand auf deinem Rücken saß", sagt eine Demonstrantin beim Aufstehen. Die beiden Organisatorinnen Ifrah Hanad und Sima Aysu Öztürk waren im Vorfeld gegenüber der RNZ von maximal 1000 Teilnehmern ausgegangen.
Sie und ihre Mitstreiter wollten zeigen, dass man "ohne Gewalt viel erreichen" kann. Das gelingt, ein Sprecher der Mannheimer Polizei spricht später sogar von einer "Vorzeige-Demonstration". Abstandsregeln werden mal mehr, mal weniger eingehalten. Die Veranstalter weisen immer wieder darauf und das Tragen eines Mundschutzs hin.
Es sind überwiegend junge Menschen gekommen. Das dürfte vor allem an der Organisation liegen. Informationen gab es hauptsächlich über das soziale Netzwerk Instagram und den Messengerdienst Telegram. Die meisten Teilnehmer tragen schwarz, dafür hatten Hanad und Öztürk geworben. Überall ragen Schilder in die Höhe, die meisten mit Botschaften in englischer Sprache: "Stop racism", "Racial injustice is a global pandemic" oder "Use your white privilege to end white privilege". Außerdem sind viele Fotos von George Floyd zu sehen.
Eingeladene Redner erzählen von Rassismus, dem globalen wie dem in Deutschland, und berichten von der Diskriminierung im Alltag. Darunter ist auch Toni Dreher. Der Auftritt der gebürtigen Stuttgarterin mit nigerianischen Wurzeln sorgt schon deshalb für viel Jubel, weil sie vor zwei Jahren die Castingshow "Germany’s Next Topmodel" gewonnen hat. Abgesehen davon teilen viele Demonstranten die Erfahrungen mit Rassismus. Wer nicht davon betroffen ist, muss sie aushalten und zuhören. Was schmerzt. "Ich schäme mich, weiß zu sein", sagt die Teilnehmerin Berin Abali. "Aber deswegen bin ich hier, hier kann ich was machen." Sie und ihre Freundin Egzona Kryeziu glauben, dass es so nicht weitergehen könne, deswegen sind sie auf den Ehrenhof gekommen.
"Wir leben im Jahr 2020, die Fälle in den USA tun weh", meint Demonstrant Nik Aisien. "Man kann sich die Hautfarbe nicht aussuchen, und gerade von Polizisten so behandelt zu werden, ist ein Skandal." Aisien und seine Freunde wissen, wovon sie sprechen. "Ich wurde schon mit dem N-Wort beleidigt. Und die Leute wollen immer wissen, woher ich ,wirklich’ komme", erzählt Aisien.
Besonders hart sind die Schilderungen seines Kumpels Lord Kühn. "Bei einem Fußballspiel hat mich ein älterer Mann beleidigt. Er sagte: ,Leute wie dich hab ich früher umgebracht’." Alima Jammeh ist mit ihren Töchtern zum Schloss gepilgert. "Ich bin sehr froh, dass die Leute jetzt mehr über Rassismus sprechen", sagt die Frau. Auch sie hat rassistische Erfahrungen im Alltag gemacht. "Ich saß im Zug und wurde als einzige in der Kabine nach dem Pass gefragt", erzählt sie. In Mannheim erlebte sie ebenfalls Diskriminierung: "Wir waren sieben Schwarze an der Haltestelle. Die Bahn kam, aber der Fahrer hat einfach die Tür nicht aufgemacht."
Jammeh wünscht sich, dass sich durch die Proteste etwas ändern wird. Das hofft auch der in Mannheim lebende Afroamerikaner Charles Shaw, Originalstimme der früheren Popband Milli Vanilli. Mit Tausenden Demonstranten singt er den Song "Stand by me". Zusammenhalten, einander beistehen – vom Schlosshof gehen am Samstag viele ermutigende Signale aus.