Ralf Walther sagt, Güner Balci diskreditiere Kunstprojekte wie hier in der Mittelstraße als „bunt bemalte Wände“. Foto: Gerold
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Die Neckarstadt-West, eine kritische ZDF-Reportage über den Stadtteil und ein Interview mit der TV-Journalistin Güner Balci in der RNZ bewegen die Gemüter. Nachdem die "37 Grad"-Autorin ihren Beitrag verteidigt hat, meldet sich nun Stadtsprecher Ralf Walther zu Wort. Die RNZ stellt die Positionen gegenüber.
> Die Kontakte: Balci sagte im Interview, ein Vertreter der Stadt sei nicht in der Lage gewesen, Kontakte zu engagierten Menschen im Stadtteil zu vermitteln. Das weist Ralf Walther zurück. Der Vertreter habe mehr als einen Kontakt zu Aktiven im Quartier geliefert. Balci habe die Angebote allerdings nicht wahrgenommen. Dass sie stattdessen behaupte, dass ein Schulleiter und ein Polizeisprecher, die sich in der Reportage äußerten, für die Stadt stünden, findet Walther "irritierend falsch", wenn man den demokratischen Aufbau einer Stadtverwaltung kenne. Abgesehen davon seien der Lehrer und der Ordnungshüter Landesbeamte.
> Die Interviews: Balci sagte, es sei nicht die Absicht der Dokumentation gewesen, beschönigende Interviews von Politikern einzuholen. Walther meint dazu, kein Politiker habe sich für ein Gespräch aufgedrängt. "Und keiner hat solche Interviews verlangt." Balcis Aussage zeuge von einer "Politikfeindlichkeit". Niemand beschönige etwas, ansonsten hätte die Stadt nicht das Projekt Lokale Stadterneuerung (LOS) in der Neckarstadt West initiiert.
> Der Wohnort: Eine "blanke Unterstellung" nennt Ralf Walther die Aussage der Autorin, wonach weder der Referent des OB noch eine Grünen-Stadträtin wegen der Armutsmigration selbst im Viertel leben wollten.
> Der Oberbürgermeister: Peter Kurz nannte den Beitrag ein "Zerrbild am Rande der Absurdität", was Balci verneinte. Walther sagt, die Einschätzung des OB habe sich darauf bezogen, dass die Filmemacherin unterstelle, dass es "nur drei einsame Engagierte" im Stadtteil gebe. "Dies könnte falscher nicht sein", so der Stadtsprecher. "Es gibt Dutzende Engagierte, die verständlicherweise von diesem Film enttäuscht sind."
> Die Tablets: In der Doku bringt ein Grundschulrektor während des Lockdowns die Geräte bei den Kindern zu Hause vorbei. Walther sagt: "Diese Tablets wurden von der Verwaltung bereitgestellt. Auch dass die Schulen alle Schüler, zu denen es keinen Kontakt in Zeiten der Schulschließung gab, zu Hause besucht haben, geht auf eine Bitte der Verwaltung an das Schulamt zurück."
> Die Problemimmobilien: Balci gestand der Stadt zu, viele dieser Gebäude aufgekauft zu haben. Sie sagte aber auch: "Wer diese Wohnungen am Ende bekommt, ist eine andere Frage." Walther kontert, dass die Immobilien im Besitz der Stadt oder der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBG blieben. Und in Richtung der Journalistin: "Das ist eine bemerkenswerte Wissenslücke bei jemandem, der recherchieren wollte." Tatsächlich hat unter anderem die RNZ mehrfach über die Aufkäufe berichtet.
> Die Kunst: "Als Schlag ins Gesicht für die Engagierten" wertet Walther die Aussage Balcis, wenn sie Kunstprojekte als "bunt bemalte Wände" diskreditiere.
> Das Fazit: Niemand leugne die im Film gezeigte Realität, die schon häufiger thematisiert worden sei, so Walther. Es hätte sich aber gelohnt, wenn Balci ihre "Berliner Brille" abgesetzt und Projekte wie LOS, "Campus West" oder "Alter" betrachtet hätte. "Dazu muss man kein Gespräch mit der Verwaltung führen, sondern einfach nur beobachten", sagt der Stadtsprecher.