Carolin Ott betreibt seit fünf Jahren die „Disco zwei“ in der Innenstadt. Foto: Gerold
Von Marco Partner
Mannheim. Schwitzen, feiern, lachen: Zu elektronischer Musik eng auf eng im Dunkeln mit Freunden und Fremden tanzen. Wild und ausgelassen sein, all das ist zur Zeit nicht möglich. Seit Mitte März macht das Nachtleben in Mannheim eine große Pause. Wann die Clubs und Diskotheken wieder öffnen können, steht noch in den Sternen. In der Clubszene hilft man sich mit digitalen Live-Auftritten, übt sich in Zusammenhalt – und sehnt sich nach klaren, politischen Vorgaben. Doch auch die Angst vor einer Insolvenz geistert durch die still gewordene Nacht.
Am Rand der Quadrate ist sie gelegen, die von außen unscheinbare "Disco Zwei". Ein kleiner Elektro-Schuppen für Liebhaber von House und Minimal, beliebter Treffpunkt der Lesben- und Schwulenszene, bekannt für seine lokalen DJs und seine günstigen Bierpreise. Auch am helllichten Tag ist es unten im Kellerclub so dunkel wie die Nacht. "Die Leute wollen das: einen engen, etwas stickigen Raum, in dem sie sich einfach mal gehen lassen können", erklärt Carolin Ott lachend.
Seit fünf Jahren ist sie Inhaberin des kleinen Clubs, der in diesem Jahr eigentlich ausgelassen seinen zehnten Geburtstag feiern wollte. Doch seit nun genau drei Monaten ist Schicht im Schacht. Wurde nach der Schließung im März zunächst der 20. April als Wiedereröffnungstermin auserkoren, stand als nächstes der 15. Juni im Raum. "Jetzt ist völlig offen, wie und wann es weitergeht. Es zeichnet sich kein Ende ab", übt sich Ott mittlerweile in Gelassenheit.
Zumindest die Corona-Soforthilfe konnte sie beantragen, und eine anstehende Mieterhöhung aussetzen. In Kurzarbeit konnte sie ihre zwölf Mini-Jobber jedoch nicht schicken. Nun hält sich der Club gerade so über Wasser, wird das mittlerweile aufs Mindesthaltbarkeitsdatum zusteuernde Bier kistenweise an Stammgäste verkauft. Designer, die sonst die Plakate entwerfen, fertigen Support-Poster zur Unterstützung der 250 Besucher fassenden Disco an.
Auch Gutscheine werden immer wieder angefragt. "Aber ich habe davon abgesehen", betont Ott. Denn im Fall einer Insolvenz wäre es eine Geste ohne Gegenwert. Zweimal bereits war die "Disco Zwei" Drehort der United-We-Stream-Aktionen. Eine Online-Plattform von Arte, bei welchen aus den leeren Clubs und Konzertsälen gesendet wird. "Das war eine kleine Aufbruchstimmung, man konnte auf etwas hinarbeiten - und die DJs konnten sich endlich mal wieder austoben", erinnert Ott. Wirklich etwas eingenommen habe man durch den Live-Mitschnitt aber nicht.
Während sich in anderen Branchen das Rad wieder dreht, fühlt sich die Clubbetreiberin vor allem von der Politik im Regen stehen gelassen. Die angebotene Alternative, Gäste mit Speis und Trank, aber mit Abstand und ohne laute Musik zu empfangen, würde sich kaum rentieren. "Ich müsste Tische und Stühle leihen, die Miete würde wieder nach oben gehen. Das Günstige ist derzeit leider das Nichtstun", erklärt Ott.
Das Zimmer, Hafen 49 oder das Rude-7: Aktuell stecken Mannheims Nachtclubs allesamt im selben Dilemma. So richtig darüber sprechen wollen nur wenige. "Eine wirkliche Perspektive gibt es derzeit nicht", sagt Florian Antonetty, der sowohl das "Genesis" wie das "Soho" (ehemals Galerie) betreibt. Zwei Clubs, die seit den 1970er- und 1980er-Jahren für Mannheims heterogenes Nachtleben stehen. "Wir könnten inzwischen als reiner Barbetrieb öffnen, aber das macht für uns keinen Sinn. Wir sind darauf nicht ausgelegt, es wäre völlig unwirtschaftlich für uns", zeigt er auf.
Eine längere Schließzeit könne eigentlich nur durch eine "großzügige Fortführung der Soforthilfe" gedeckt werden. Carolin Ott würde derzeit schon ein fixes Datum genügen, auf das man hinarbeiten könnte. "Dann würde es Sinn machen, kleine Investitionen zu tätigen, vielleicht etwas umzuräumen und überhaupt zu planen. Momentan fühlt es sich an, als würde ich einen Friedhof besuchen", empfindet sie den aktuellen, ungewissen Schwebemoment als tote Zeit. Und doch wird sie euphorisch, wenn sie über die Daseinsberechtigung der ohnehin krisengebeutelten Nachtclubs zu sprechen kommt.
"Man kann so sein, wie man ist. Man löst sich einmal vom gesellschaftlichen Druck, es wird etwas freigesetzt", erklärt die Disco-Betreiberin Es finden Leute zusammen, die sich auf der Straße vielleicht nicht viel zu sagen hätten. Das fehlt jetzt." > Metropolregion