Disponenten erkennen anhand der vielen Monitore in der Einsatzzentrale, welche Rettungs- und Notarztwagen verfügbar sind. Foto: Gerold
Von Gerhard Bühler
Mannheim. Im April hat die neue Integrierte Leitstelle (ILS) für Notfallrettung in Mannheim in der Hauptfeuerwache ihren Betrieb aufgenommen. Von dort aus werden seither nicht nur die Notrufe für die Feuerwehr, sondern auch für den Rettungsdienst in der Stadt angenommen. Die "Disponenten" der Leitstelle, bei der alle Notrufe eingehen, erledigen einen ebenso anspruchsvollen wie wichtigen Job. Sie müssen in Sekunden entscheiden, ob ein Einsatz notwendig ist und welches Rettungsfahrzeug den Auftrag erhält.
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An diesem Montagmorgen geht es in der Rettungsleitstelle ruhig zu. Etwa die Hälfte der acht technisch hochgerüsteten Arbeitsplätze sind mit Mitarbeitern besetzt. Vor jedem der Rettungs-Disponenten befinden sich einige Monitore, die die aktuelle Lage zeigen. Sie geben Auskunft über die Situation von zwölf Rettungs- und vier Notarztwagen an diesem Tag.
Wie Disponent Daniel Bollack beim Blick auf die Bildschirme erläutert, sind gerade mehrere Rettungswagen gleichzeitig in der Stadt im Einsatz. Dank ihrem GPS-Signal ist ihre genaue Position ständig sichtbar – auch wenn sie sich gerade in der Notaufnahme einer der drei Mannheimer Kliniken befinden, um Patienten oder Verletzte einzuliefern.
Drei Rettungswagen warten noch einsatzbereit in ihren Stützpunkten. Bei einem neu eingehenden Notruf wird immer der nächstgelegene Rettungswagen alarmiert. "Wenn ein Notruf eingeht, ist die wichtigste Frage nach der Adresse. Was ist passiert? Ist der Patient ansprechbar? Das entscheidet darüber, welches Rettungsmittel geschickt wird”, erklärt Bollack.
Vor seiner Weiterbildung zum Einsatzsachbearbeiter ist der 37-Jährige jahrelang selbst als Rettungssanitäter im Rettungswagen mitgefahren. Ein Mann aus der Praxis. Die verfügbaren Daten mit der Notfall-Adresse schickt er den Rettungswagen direkt aufs "Navi”. Nach dem Eintreffen am Notfallort – in Mannheim gelang dies zuletzt in rund 75 Prozent der Fälle innerhalb von zehn Minuten – entscheiden Notarzt und Rettungssanitäter über weitere Maßnahmen und melden den Patienten selbst in einer Klinik an.
Bei der Arbeit in der Leitstelle hat Bollack schon einiges erlebt. Manchmal geht es in den Notrufen um Leben und Tod. "Hilfe, mein Mann erbricht Blut ohne Ende”, habe eine Frau verzweifelt ins Telefon gerufen.
Das sei ihm unter die Haut gegangen. Wie es mit den Betroffenen nach der Notfallrettung weitergeht, erfährt er meist nicht. Er habe schon erlebt, dass ein Anrufer während dem Telefonat verstorben sei, sagt Bollack.
Oft gehe es bei einem Notruf um mehr, als nur den Alarm auszulösen. "Ich muss den Leuten am Telefon beistehen und sie bei der Stange halten, bis die Rettung kommt. Da können die Minuten lang werden”, weiß er. "Wir geben dem Anrufer auch konkrete Hinweise, was er tun soll. Wir erklären zum Beispiel eine Herzdruckmassage bei einem Kreislaufstillstand oder andere Erste-Hilfe-Maßnahmen”, fügt Leitstellen-Kollege Michael Müller hinzu.
Um zu klären, was passiert ist oder wie der Zustand eines Hilfebedürftigen ist, könne die Sprachbarriere ein Problem sein, wenn der Anrufer schlecht Deutsch spreche oder betrunken sei, betonen die Disponenten. "Es ist eine schwierige Aufgabe, am Telefon die Dramatik einer Situation einzuschätzen.
Die Kollegen in der Leitstelle leisten eine hervorragende Arbeit”, lobt Leitstellen-Leiter Markus Eitzer seine Mitarbeiter. Seinen Angaben nach gehen derzeit täglich etwa 300 bis 400 Anrufe ein. Nicht alles seien Notrufe, einige Anrufer seien einfach auf der Suche nach Hilfe. Somit führe nicht jeder Fall zu einem Rettungseinsatz.
Als die neue Leitstelle am 1. April ihren Betrieb aufgenommen habe, sei sie gleich in die Corona-Zeit geraten. Wegen der Arbeit im Homeoffice und einem geringeren Verkehrsaufkommen sei die Auslastung der Leitstelle bisher wohl eher etwas geringer als zu normalen Zeiten, vermutet Eitzer.
Trotzdem sind seit dem Start bereits 19.000 Einsätze gezählt worden. Bei jedem Notruf sei Corona natürlich ein Thema. Bei Fieber- oder Verdachtsfällen müsse die Besatzung Schutzkleidung anlegen und der Rettungswagen nach dem Einsatz aufwendig desinfiziert werden.