Ausstellung in Mannheim

Wo sich Sepp Herberger seine Inspiration holte

Trainerlegende besaß viele historischen Schriften - Er setzte sein Wissen auf dem Fußballfeld um

11.06.2018 UPDATE: 12.06.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 53 Sekunden

Die Ausstellung "Herbergers Welt der Bücher" in der Mannheimer Universitätsbibliothek soll helfen, letzte Geheimnisse um den Trainer zu lüften. Insbesondere dessen NS-Vergangenheit wirft viele offene Fragen auf. Foto: Kreutzer

Von Wolf Goldschmitt

Mannheim. Was passt wohl besser in unrühmliche Fußball-Zeiten, als sich an glorreiche Spielen aus der Vergangenheit zu erinnern? Kurz vor der anstehenden WM mit ungewissem Ausgang kann die Rückbesinnung auf einen großen Sohn Mannheims, der Deutschland 1954 zum Titel geführt hat, nicht falsch sein.

"Herbergers Welt der Bücher - die unbekannten Seiten der Trainer-Legende" heißt die Sammlung von Büchern, Zeitungsausschnitten und anderen Dokumenten aus der Privatsammlung des Chefs in der Universitätsbibliothek A 3.

Rund 1500 Bücher aus dem Nachlass hat die Sepp-Herberger-Stiftung gesichtet. Sie gibt jetzt mit einer repräsentativen Auswahl Einblicke ins planerische Denken des Buben aus dem Arbeiterstadtteil Waldhof.

Seine Strategien hat Herberger bei preußischen Militärs wie Carl von Clausewitz abgekupfert. Das ständige Rochieren seiner Spieler auf dem Platz etwa sollte die Gegner verwirren. "Angriff ist die beste Verteidigung", frei nach Clausewitz, bringt den großen Erfolg.

In späteren Jahren liest er auch Schriften des chinesischen Revolutionsführers Mao. Dessen Taktik des Guerilla-Krieges fällt beim Bundestrainer auf fruchtbaren Boden. Auch wenn er weltanschaulich weder mit den Feldherren Napoleons noch mit Mao je etwas am Hut hatte.

Manch ausgestellte Nachdrucke und Originale belegen: Die schier unendlich vielen Aphorismen, die Herberger zugeschrieben werden, hat er wohl in ähnlicher Form beim amerikanischen Psychologen Dale Carnegie gelesen. Mit Füllfederhalter unterstreicht Herberger Sätze wie: "Ein Tropfen Honig fängt mehr Fliegen als ein Liter Galle."

Carnegie schreibt Weisheiten auf: "Über vergossene Milch soll man nicht jammern!" Oder: "Kümmere dich nicht um ungelegte Eier". Dass dem ehemaligen Bundestrainer Herberger dann unsterbliche Sprüche wie "Der Ball ist rund", "Das nächste Spiel ist immer das schwerste" oder "Der schnellste Spieler ist der Ball" zugeschrieben werden, kommt also nicht von ungefähr.

Ein ausgestelltes Foto steht fast symbolhaft für die 50er- und 60er-Jahre. Da sitzt der Hausherr im Wohnzimmer am Fernseher. Daneben eine Polstergarnitur mit strapazierter Armlehne. Man kann sich Ehefrau "Ev" gut vorstellen, wie sie den Lack der TV-Kommode mit einem Staubtuch poliert. Und gleich nebenan, in der guten Stube des Trainers in Hohensachsen, türmen sich die besagten 1500 Bücher und Hefte in einer völlig überfüllten Schrankwand.

Die Sonderausstellung eröffneten gestern die Direktorin der Bibliothek, Sabine Gehrlein, und Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz. Die Sammlung soll dabei helfen, letzte Geheimnisse des 1977 verstorbenen Taktikers zu lüften.

Eine große Frage allerdings bleibt offen: Wie stand Herberger zu den Nazis? Der Direktor des Deutschen Fußballmuseums, Manuel Neukircher, jedenfalls sieht Herberger als "unpolitischen Menschen".

Das hat ihm jedoch keinen Schutz davor geboten, von Machthabern vereinnahmt zu werden. Der Mannheimer bleibt in dieser Sache ein Rätsel. Einerseits tritt er schon früh in die NSDAP ein, andererseits spielt er während seines Sportstudiums ausgerechnet beim jüdischen Spitzenclub der Hauptstadt, Tennis Borussia Berlin.

"Mitläufer" nennen ihn die Besatzungstruppen nach dem Krieg. Und so wundert es kaum, dass in Herbergers gewaltigem Antiquariat kein Hinweis auf die Nazis zu finden ist.

Info: Ausstellungsort ist der Bibliotheksbereich A3, 2. OG. Dauer: 11. Juni bis 31. Juli 2018. Mo - Fr 8 bis 23 Uhr, Sa + So 10 bis 23 Uhr.

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