Heute ist Sven Hannawald völlig mit sich zufrieden und genießt das Leben. Foto: Gerold
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Sven Hannawald (42) war ein Weltklasse-Skispringer - er kennt aber auch die Schattenseiten des Lebens. Die RNZ hat mit ihm am Rande einer Veranstaltung in der SAP-Arena über seinen Burnout gesprochen.
"Ich mach’ mein Zeug" - diesen Satz haben Sie während Ihrer Karriere oft gesagt. Wann kam der Moment, als sie gespürt haben, dass nichts mehr geht?
Das kam schleichend. Am Anfang war es eine sich stetig steigernde Müdigkeit, danach eine wachsende innere Unruhe. Ich habe versucht, gegenzusteuern, aber es stellte sich keine Besserung ein. In der Saison 2003/2004 spürte ich, dass alles wegschwimmt und ich in meinem Leben nicht mehr wirklich viel im Griff habe. Ich habe mich dann noch bis Februar gehangelt, doch es war zwecklos. Dass es tatsächlich auch das Ende der Skispringerei ist, war mir damals noch nicht bewusst. Ich dachte, dass ich nach einem Klinikaufenthalt wieder da bin. Doch dem war nicht so.
Was passiert genau bei einem Burnout?
Der Kopf ist noch so programmiert: Junge, wir müssen trainieren und wollen Weltmeister werden. Wollen, wollen, wollen ... Auf der anderen Seite hast du körperlich die Dauermüdigkeit und eine innere Unruhe. Egal, was du machst, du kommst nicht mehr vorwärts.
Wie lange haben Sie gebraucht, bis Sie über den Berg waren?
Da gab es verschiedene Etappen. Die erste ist, das das Hier und Jetzt wieder genießen zu können. Das hat zwei bis drei Jahre gedauert. Danach habe ich mich wieder an die Schanze getraut oder Interviews gegeben, ganz freiwillig und ohne Druck. In solchen Situationen war ich sehr sensibel, früher hatte ich mir da keine Gedanken gemacht. Summa summarum waren es fünf Jahre, bis alles überstanden war.
Warum hat es gerade Sie getroffen?
Ein Psychologe hat bei einer Diskussion mal die Begriffe Ehrgeiz und Perfektionismus in den Mund genommen. Das war für mich ein Aha-Erlebnis. Andere Skispringer wie Martin Schmitt waren auch perfektionistisch und ehrgeizig, konnten allerdings abschalten. Ich habe das nie gelernt und die Pausen als Vorsprung gesehen. Sprich: Wenn alle anderen sich ausruhen, gebe ich weiter Gas. Dieses Denken ruiniert dich am Ende.
Oft steckt hinter einem Burnout noch was dahinter, eine Depression zum Beispiel. Wie war das bei Ihnen?
Du merkst schon, dass die innere Unruhe etwas bei dir auslöst, du teilweise frustriert und gereizt bis. Wenn dieses Gefühl zum Normalzustand wird, ist es klar, dass du depressiv wirst. Wobei man unterscheiden muss, ob es eine genetische Veranlagung dafür gibt oder man sich das "erarbeitet" hat. Ich gehöre eher zur zweiten Gruppe.
Wie geht es Ihnen heute?
Ich bin völlig mit mir zufrieden. Und freue mich, dass ich große sportliche Erfolge hatte. Jetzt genieße ich das Leben nach dem Sport. Meine Familie ist mir dabei am wichtigsten.
Wer hat Ihnen auf dem Weg zurück außer Psychologen geholfen?
Man kann gewisse Dinge nur mit dem Therapeuten besprechen, weil die Familie damit überfordert ist. Aber die Probleme haben mich und meine Familie zusammengeschweißt. Mehr, als es während meiner sportlichen Karriere der Fall war. Da war ich zu oft unterwegs.
Haben Sie manchmal Angst, "rückfällig" zu werden?
Am Anfang war das noch so. Heute gebe ich Ihnen Brief und Siegel, dass mir das nicht mehr passieren wird. Man muss sich nicht Gedanken machen, dass man was verpasst, wenn man langsamer durchs Leben geht. Wenn man es übertreibt, dann kommt die Unruhe, aber das ist der körperliche Schutz. Das muss man wahrnehmen, das habe ich gelernt.